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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Schreibtischtäter - oder schreib doch 'mal



Frieder
28.02.2014, 18:32
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Schreiben kann doch jeder. Jeder? Im heutigen „Kommunikationszeitalter“, in dem kaum noch miteinander gesprochen wird, sich die Verständigung auf eMail und SMS beschränkt, der Informationsgewinn aus mitunter durchaus fragwürdigen Quellen sprudelt und die Kultur auf allen Ebenen zum Exoten wird, sollte man wieder mehr auf sich halten und das Experiment eigener Gedanken wagen. Schaden kann es sicherlich nicht - wenn man den Mut hat, kritische oder gar gegenteilige Meinungen zu hören. Ja, aber besonders SMS ist so schön, wenn ich meckern will, keine eigenen Ideen habe und keinem Gegenüber ausgesetzt bin.

Machen wir uns doch nicht kleiner als wir sind. Erinnern wir uns der Leistungsfähigkeit unserer kleinen grauen Zellen. Entdecken wir wieder die vielseitigen Themen des Lebens - des Alltäglichen, aber auch der Besonderheiten. Teilen wir uns mit und reden über dies und jenes weitab von Stammtisch, Supermarktpreisen und der Bedrohung der Menschheit durch Hundehäufchen.

Deshalb meine Idee: Schreib doch 'mal. Mach dir Gedanken über sinnige, lustige, witzige, ernste … Themen, die den müden Geist anregen oder auch nur ein Schmunzeln provozieren.

Schreib' in loser Folge oder auch nur einmalig. Ohne Verpflichtung - außer der einen: Es muss deinen Gedanken entspringen und über das Klatschniveau erhaben sein. Und so rund eine DIN-A4-Seite ist doch kein Sonnenuntergang!?

Und damit das alles mehr als nur heiße Luft ist: Im Anschluss mein erster Beitrag.

Frieder
28.02.2014, 18:36
Ein Agentenleben


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Wie alles begann

Mit 20 hat man zu wenig Erfahrung und mit 50 zu viel. Gestern noch das beste Pferd im Stall und heute - ein alter Klepper. Nach über 10 Jahren als Vertriebsleiter plötzlich für die Firma nicht mehr zu gebrauchen. Also musste ein neuer Job her. Bloß wie? Also, kein Problem - dachte ich. Es gibt ja das Arbeitsamt, heute Agentur für Arbeit genannt. Dort wird man schon wissen, wofür ich noch zu gebrauchen bin.

Die Angebote die mir dann die Agentur fleißig, wie sie nun einmal ist, mit der unaufgeforderten Androhung des sofortigen Leistungsentzuges falls ich mich bei den zugewiesenen potentiellen Arbeitgebern nicht umgehend und nachweislich bewerbe, zusandte, waren sehr zum Nachdenken geeignet. Vor allem machte mich die nahezu völlige Verschleierung jeglichen Zusammenhanges zwischen den gelieferten Stellenbeschreibungen und meinem mühsam erarbeiteten und dem Amt vorliegenden Bewerberprofil tagelang nachdenklich. Da war aber auch mich, einfach gar nichts dabei, was meiner Ausbildung und Berufserfahrung entsprach oder gar Näherungsweise einen Hauch von Berührung hatte.

Aber ich entschloss mich dann doch das Prinzip „Augen zu und durch“ anzuwenden, was heißt: Ich schrieb ein gutes Dutzend Bewerbungen - fein säuberlich und aussagefähig auf feinem Papier, klebte mein freundliches Konterfei drauf, legte noch Kopien meiner durchaus lesenswerten Arbeitszeugnisse dazu und verpackte alles, fein abgeheftet, in Umschläge, die ich dann zur Post brachte und dort ordentlich dafür löhnte. So, nun noch das Amt von meinem Fleiß in Kenntnis setzen und auf baldige Antworten hoffen. Und richtig, baldig kamen Absagen. Die kamen so schnell, dass sich mir der Gedanke aufdrängte, die angeschriebenen Personalchefs seien Hellseher oder haben sehr wenig zu tun und können sich sofort um eingehende Bewerbungen kümmern. Denn: Rein rechnerisch unter Berücksichtigung von Postlaufzeiten und Arbeitsabläufen in den Firmen - ich war ja auch schon einmal in einer – muss in manchen Fällen das Ablehnungsschreiben bereits in Erwartung meiner Bewerbung fertiggestellt worden sein. Und dann diese Formulierungen! Die haben doch alle den gleichen Textgenerator. Und so etwas von persönlich. Ich möchte wetten, mehr als mein, scheinbar schon etwas rostiges, Geburtsdatum hat keiner gelesen.

Gott sei Dank gab es aber auch andere Personalchefs. Solche, die sich offensichtlich sehr intensiv mit meinen niedergeschriebenen Worten befassten. Die einen wenige Wochen und die anderen lediglich mehrere Monate. Manch einer muss Entscheidungen vermutlich auch mehrmals überschlafen - wenn er dabei nicht gar einschläft.

Auf externen Rat von einem Bekannten reagierte ich auf die einzige Einladung zu einem Vorstellungsgespräch - als Kundenberater. Dieses Unternehmen hatte noch eine Stelle frei. Für einen Mitarbeiter mit Lebenserfahrung, gepflegten Umgangsformen und der Fähigkeit, sich in hochdeutscher Sprache gut auszudrücken. Verhandlungssicherheit und ein gerüttelt Maß an Durchsetzungsvermögen würden auch begrüßt. Alles andere wird in internen Schulungen vermittelt, da das die Spezifika der vakanten Stelle so erfordere.

Nun denn, angerufen, Termin gemacht und hin.


Fortsetzung folgt

canariafantastica
02.03.2014, 15:19
Geschichten aus dem Leben gegriffen! Sehr gut, bitte weitermachen......

Frieder
07.03.2014, 14:58
Ein Agentenleben


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Das Vorstellungsgespräch

Nun war es soweit. Landfein gemacht, noch ein Blick in den Stadtplan damit ich auch richtig ankomme und los. Pünktlichkeit ist ja schon die halbe Miete.
Nur gut, dass ich bei der Kalkulation der Reisezeit großzügig war. Ich war felsenfest davon überzeugt, dass ich in der richtigen Straße vor dem richtigen Haus stand. Ein Hinweis auf das Unternehmen, bei dem ich in wenigen Minuten vorstellig werden sollte und auch wollte, war nicht zu sehen. Sollte ich mich doch verlaufen haben? Kann nicht sein. Aha, hier ist ja eine Klingelleiste. Mal schauen, was es da zu lesen gibt. Und tatsächlich, mittendrin ein klitzekleiner handschriftlicher Zettel neben einem der Klingelknöpfe mit der Aufschrift „ GISEFI“.

Nach meinem beherzten Druck auf besagtes Knöpfchen kam ein Krächzen aus dem Lautsprecher, das ich als „dritter Hof, Quergebäude, Parterre“ interpretierte. Fabelhaft dachte ich - im Prenzlberg hätte ich vielleicht bis zum 5. oder 6. Hof laufen müssen. Und Parterre, super, vielleicht auch gleich hinter den Mülltonnen. Hätte ich mal nur nicht geunkt.

Ein blasser, hagerer Typ mit einer geschäftigen Freundlichkeit bat mich in die Firmenräume, die glatt als eine umfunktionierte Wohnung durchgehen konnten. Im „Chef-Büro“ (mit Blick auf besagte Tonnen) bat er mich Platz zu nehmen und stellte sich als Gisbert Seifert, Inhaber dieser Finanzmanagement-Agentur, vor. Ich lasse mein Geld unter der Matratze - schoss es mir durch den Kopf.

Nach den üblichen Floskeln und zwei oder drei Sätzen zu meiner Person legte Gisbert, wie ich ihn nennen sollte, das sei in seinem Unternehmen mit flacher Hierarchie so üblich, auch feurig los. Ziel der Agentur sei, Menschen zu helfen, aus ihrem immer weniger frei verfügbaren Einkommen immer mehr zu machen. Das geschieht auf der Grundlage fundierter Analysen der aktuellen Geldanlagen, der Ziele und Wünsche der jeweiligen Person und natürlich der für künftige Anlagemöglichkeiten verfügbaren Scheinchen. Dazu bekommt jeder neue Mitarbeiter eine intensive Schulung und natürlich die erforderlichen Analyseunterlagen. Wenn ich Zeit und Lust habe, könne ich mich gleich mit meiner zukünftigen Arbeit vertraut machen, denn der Hans, ein durchaus erfahrener Mitarbeiter habe gleich einen Kundentermin außer Haus, bei dem ich ihn begleiten und ein wenig Atmosphäre schnuppern könne.

Nun gut. Ich wollte mich von meiner besten Seite zeigen und willigte ein. Bekanntmachen können wir uns ja unterwegs - der Hans und ich.

Und schon ging es los. Hans nahm seine Vertretermappe und bat mich mitzukommen. Auf dem Weg über die Höfe zur Straße fragte er mich noch, ob ich eine Netzkarte für den ÖPNV habe. Wenn nicht, so sei das sein erster Tipp. Er fahre immer mit dem öffentlichen Personennahverkehr weil ihm die Nutzung seines privaten Pkw auf Dauer zu kostspielig werde.

Im Bus erklärte er mir recht umschweifig, dass es wichtig sei, als erstes einen guten Eindruck auf den Kunden zu machen und sein Vertrauen zu gewinnen. Dann läßt man sich seine Spar- und Anlageverträge zeigen. Auf meinen skeptischen Blick sagte er, einen Bausparvertrag habe schließlich jeder. Dann erklärt man dem Kunden, dass es bessere und gewinnträchtigere Anlagen gibt, man müsse sie nur zu nutzen wissen. Aber dafür sind wir ja heute hier. Und dann kommt der Analysefragebogen auf den Tisch, in dem zunächst nach den Sparzielen und persönlichen Wünschen (was will der Kunde später mit dem Geld machen), dann nach den vorhandenen Anlageverträgen und ihrer Restlaufzeit und zu guter Letzt nach dem Geld, das der Kunde darüber hinaus für Sparzwecke verfügbar hat, gefragt wird. Und das alles wird dann feinsäuberlich zu Papier gebracht.
Und wenn wir dann wieder in der Firma sind, macht der Boss die Auswertung, mit der wir wieder zum Kunden gehen und, so Gott will, den Vertrag machen. Und dann gibt es Provision, von der wir dann leben. Aber erst, nachdem der Kunde seine erste Einzahlung in den Vertrag geleistet hat.

Ich merkte schon: Da werden Sie geholfen!!

Vor dem Haus des Kunden, ein mehrstöckiger Altbau, der seine besten Tage offensichtlich längst hinter sich hatte, angekommen, meinte Hans: Noch 'mal Haare kämmen und Krawatte richten, freundliches Gesicht aufsetzen (wo hatte er das plötzlich her?) und los.

Beim Kunden, ein unzufrieden wirkender, dennoch höflicher und freundlicher Mann mittleren Alters kroch ein seltsam mulmiges Gefühl in mir hoch, das ich in dieser Art aus meinen Wirken im Vertrieb noch nicht kannte. Und wer verkaufen will, was mir bisher auch ziemlich gut gelang, muss schon hart im Nehmen sein. Die Wohnung wirkte wie das Haus nicht gerade wie Beverly Hills. Zwar alles sauber und freundlich, aber eben auch recht betagt.

Nun begann Hans mit einer auf mich stereotyp wirkenden Einleitung. Als der Kunde, Herr Redlich, endlich auch zu Worte kam und diese Gelegenheit auch beherzt nutzte, machte er recht deutlich, dass er als Zeitarbeiter gerade soviel Geld verdiene, dass es für die Miete und ein bescheidenes Leben reicht. Sparanlagen habe er einmal einen Bausparvertrag gehabt, den er aber gekündigt hat, weil die monatlichen Prämien dann doch zu hoch wurden, zumal seine Zeitarbeitsfirma keinerlei Arbeitnehmersparzulagen zahlt. Er habe also keine müde Mark für irgendwelche Kapitalverträge.

Angesichts dessen, was ich so um mich herum sah,glaubte ich dem Mann aufs Wort.

Aber Hans ließ nicht locker, holte besagten Analysebogen heraus, stellte Frage auf Frage und trug fleißig in den Bogen ein. Und Herr Redlich antwortete höflich, wobei er gelegentlich darauf verwies, dass es doch der Mühe nicht Wert sei, er könn keinen Taler erübrigen. - Und wenn, dann kauft er für seine Frau und sich eher alle zwei, drei Monate eine Flasche günstigen Wein. Ein bisschen Normalität müsse eben auch mal sein.
Das war mein Stichwort. Ich fragte ihn, wie lange er schon verheiratet und wo im Moment seine Frau sei. Bei die sen Worten kam ein sichtbares Lächeln in Herrn Redlichs Gesicht. Verheiratet sei er bereits 40 Jahre und immer noch so verliebt und glücklich wie am ersten Tag. Leider kann seine Frau nicht an diesem Gespräch teilhaben, da sie noch arbeitet. Morgens hilft sie in einer Betriebskantine aus, stundenweise, und am späten Nachmittag hat sie noch eine Putzstelle in einer Kindereinrichtung. Man muss halt etwas tun, um über die Runden zu kommen.
Nachdem Hans noch ein paar neugirige Fragen gestellt und seine Notizen gemacht hatte, verabschiedeten wir uns mit dem Verweis, dass wir in ein paar Tagen, nach der Auswertung der Analyse, uns mit einem konkreten Anlagevorschlag bei Herrn Redlich melden.

Auf der Rückfahrt zum Büro hatte ich doch einige Fragen an Hans. Zum Beispiel, warum er angesichte der doch offensichtlich finanziell nicht beneidenswerten Lage des Kunden so hartnäckig an seinem Fragebogen festhielt und warum er den für Sparzwecke frei verfügbaren Betrag von 0 auf 25 Euro monatlich notierte. Die Antwort überraschte mich keineswegs, so hatte ich sie erwartet. Hans meinte, dass erstens der Glaubwürdigkeit wegen der Fragebogen durchgezogen werden muss und zweitens jeder noch irgendwo ein paar Scheinchen locker machen könne, wenn man ihm das nur sage.

Zurück im Büro, Gisbert war noch zugegen und schaute sich verschiedene Fragebögen an, mußte Hans seinen Bogen unverzüglich vorlegen. Gisbert, so hatte ich den Eindruck, schaute nur in die Zeile mit den 25 Euro und legte nach angestrengtem Nachdenken, das immerhin cirka 10 Sekunden beanspruchte, fest, dass Herr Redlich einen neuen Bausparvertrag bekomme. Eine ordentliche Lebensversicherung bringt zwar weit mehr Provision, aber Kleinvieh macht auch Mist.

Und dann kam Gisbert auf mich zu sprechen. Ich hätte den Kundenbesuch und das Anliegen, den Kunden zu mehr Geld zu verhelfen, sicherlich interessant gefunden. Wenn ich wolle, könne ich morgen um 8 Uhr zur Schulung antreten und im Anschluß daran einen weiteren Kundentermin mit Hans wahrnehmen. Und übermorgen könne ich dann schon allein und auf eigene Rechnung, sozusagen brutto für netto arbeiten. Meine erstaunte Frage nach dem Woher der Kundentermine beantwortete mit dem Verweis auf meinen sicherlich vorhandenen Familien-, Freundes- und Bekanntenkreis. Vor allem im Umfeld meiner früheren Tätigkeit seien doch mit Sicherheit eine Menge solvente Kunden zu finden.

Angesichts des bereits vorangeschrittenen Abends verabschiedeten wir uns und ich versprach, mir sein Angebot durch den Kopf gehen zu lassen.

Und das ließ ich dann auch - am nächsten Morgen zwischen fünf vor acht und acht Uhr. Fairerweise rief ich Gisbert an und teilte ihm mit, dass ich an einer plötzlichen und schweren Magenkolik litt und der Arzt mich bereits ins Krankenhaus eingewiesen habe.

Mehr wollte ich mir und meinen Mitmenschen nicht antun.

Kaum hatte ich den Hörer aufgelegt fühlte ich mich schlagartig besser, man kann sagen „pudelwohl“. Nun noch schnell einen Termin beim Arbeitsamt gemacht. War nicht einfach. Erst einmal überhaupt jemand an die Strippe zu bekommen und dann noch einen Termin für heute. Für heute? Aber Hartnäckigkeit und das geforderte Durchsetzungsvermögen führten, zugegeben nach scheinbar endlosen Diskussionen, zu Ziel. Um viertel nach zwei durfte ich vorstellig werden.

Nachdem ich meinen Arbeitsberater die Situation mit den Ablehnungen bzw. völlig ausgebliebenen Antworten zu meinen Bewerbungen erklärt hatte, brachte ich das Gespräch auf mein gestriges Erlebnis, gipfelnd in der Frage, ob derartige ominöse Hinterhoffirmen wirklich das sind, was ehrliche Menschen wieder in Brot und Lohn bringt. Auf eine zufriedenstellende Antwort warte ich noch heute.


Fortsetzung folgt.

Personen und Orte sind frei erfunden. Eventuelle Ähnlichkeiten oder gar übereinstimmungen wären rein zufällig.

aektschen
08.03.2014, 00:48
Du schreibst wirklich toll. Freu mich schon auf den nächsten Text. Danke.

jotikaur
08.03.2014, 15:41
Ich freue mich auch auf die Fortsetzung.
LG

anko11
08.03.2014, 16:31
ich auch

LG

aektschen
28.05.2014, 21:12
Wo mir der Thread doch so gut gefallen hat, probier ichs heute einfach auch mal.

Unmöglich - diese Spanier - auf nichts ist Verlass

Da wird man in einem wohl behüteten Deutschland groß. Da gibt es viel Presse, da gibt es viel Wissen. Man lernt von anderen Kulturen, man lernt viel über die Lebensumstände anderer Menschen. Man lernt, dass Spanier von 12 bis 4 Siesta haben, man lernt, dass das wichtigste Wort der Spaniern manana ist.
Und plötzlich lebt man auf einer kleinen Insel - mitten am Rand von Spanien - und stellt fest, auf die Spanier ist einfach kein Verlass. Man hat sich ein ganzes Leben lang Mühe gegeben die Welt einzusortieren, sie in kleine praktische Schubladen zu packen (böse Zungen nennen das Vorurteile) und dann kommen diese Spanier und haben nichts besseres zu tun, als sich einfach nicht dran zu halten.
Erlebt habe ich es schon oft, diesmal war es meine Vermieterin, die es wieder mal nicht für nötig hielt den Vorurteilen zu entsprechen. Sie war vor ein paar Wochen bei uns, sie wollte ihre Post abholen. Wie immer war sie extrem freundlich (na wenigstens in dem Punkt hat sie sich an das Vorurteil gehalten). Wenn sie da ist, fragt sie immer ob alles mit dem Haus in Ordnung sei, ob wirklich alles in Ordnung sei und ob ganz sicher alles in Ordnung sei. Ich antwortete zwei mal entspannt mit "Si, claro" bis mir bei der dritten Frage einfiel: Da ist noch was! Das Spülbecken in der Küche hat nen kleinen Riss, da tropft ein wenig Wasser raus. Strike, ich hatte was gefunden!
Ich nehme zwar nicht an, dass Sie das Waschbecken vor unserem Einzug absichtlich kaputt gemacht hatte, aber sie wollte sich bei uns in jedem Fall entschuldigen - für die gigantischen drei Tropfen am Tag - und versprach sich darum zu kümmern.
Bis dahin war das ganze mit meinen Vorurteilen ja noch einigermaßen vereinbar. Sie war - wie immer - sehr freundlich.
Ab da nahm das Unheil jedoch seinen Lauf. Meine Vorurteile versprachen mir keine weitere Reaktion - eigentlich war es mir jetzt auch nicht besonders wichtig, geschweige denn dringend. Zwei Tage späte stand sie mit dem Schwiegersohn, der bei einer kleinen Handwerksfirma arbeitet vor der Tür. Er schaute sich das Waschbecken an, meinte man müsse es austauschen, nahm Maß, fotografierte und meinte er würde versuchen ein passendes zu finden.
Das erschien mir ein recht optimistischer Gedanke (das Waschbecken hatte eine ganz seltsame Form), aber gut. Nach ein/zwei Wochen rief die Vermieterin, erzählte mir sie hätten leider wirklich kein passendes Becken gefunden und müssten daher ein eckiges und etwas größeres einbauen. Dazu müssten sie leider die Arbeitsplatte schneiden, das würde leider Dreck (die Platte ist aus Stein oder Marmor oder so) machen, aber es würde leider wirklich nicht anders gehen. Ihr Schwiegersohn würde morgen um vier kommen.
Am nächsten Tag stand er und ein zweiter Handwerker vor der Tür - das auch noch 15 Minuten zu früh. Seltsam, der Spanier hat um diese Zeit Siesta, was macht der vor meiner Tür!? Irgendwie klappt das mit meinen ganz persönlichen Vorurteilsschubladen immer schlechter. Anstatt das die beiden erst mal wild loslegen, fragen Sie nach Tüchern und ähnlichem um wenigsten die anderen Räume vor der bevorstehende Staubattacke zu schützen. Fail! Das passt schon wieder nicht so richtig zu meinem Bild.
Sie sägten, die Staubwolke vor dem Fenster wurde immer größer, mein Plan für die Abendgestalltung wurde mir immer klarer. Als sich der Staub gelegt hatte und die Arbeiten immer leiser wurden hab ich dann auch einen Blick in die Küche geworfen. Da standen die beiden und putzten. Schranktüren, in den Schränken, Kühlschranktür, Backofentür und und und. Nein, die Küche war danach nicht perfekt sauber, aber an einigen Stellen doch sauberer als vorher, an machen weniger. In jedem Fall reichte eine viertel Stunde Nacharbeit um die Küche wieder in Form zu bringen.
Leider hatten die Zwei beim Prüfen des Abflusses festgestellt, dass dieser ein wenig tropft. Sie hatten aber keine wirkliche Idee warum und meinten sie würden noch mal kommen und das in Ordnung bringen. Manana - na wenigstens ein kleines manana gabs. Am nächsten Mittag (es war schon wieder während der heiligen Siesta!) standen dann zwei andere Handwerker an meiner Tür und erzählten was vom fregadero. Ich wollte sie erst mal wegschicken, ich hatte kein Problem mit meinem Kühlschrank. Ich kam dann zum Glück doch noch mal auf die Idee leo zu befragen und weiß jetzt, das der fregadero mit dem Kühlschrank nicht so viel zu tun hat, sondern eher der Ausguss gemeint ist. Nachdem wir das Missverständnis mit freudigem Lächeln aus der Welt geschafft hatten, legten die zwei los, tauschten zwei Dichtungsringe und waren nach ein paar Minuten wieder verschwunden. Der fregadero ist jetzt dicht!
Heute Abend rief dann die Vermieterin noch bei mir an, erkundigte sich ob jetzt alles gut ist, wirklich gut ist und ganz sicher gut ist. Ich hab das diesmal wieder drei mal bestätigt. Ach und natürlich hat Sie sich für den Schmutz entschuldigt.

Irgendwie gerate ich bei den Spaniern immer an die Falschen! Die halten sich einfach nicht an meine Vorurteile. Gemeines Volk. ;-)

Platamontage
29.05.2014, 05:29
Guten Morgen....Super Toller Lustiger Beitrag DANKE x80

anko11
29.05.2014, 06:22
Herrlich,dieser Beitrag!!!


Anko11

germrauschi
29.05.2014, 11:25
Also, der Frieder ist ja schon super, aber Du aektschen... Ich bin aus dem Schmunzeln überhaupt nicht mehr rausgekommen! Mein Tipp an Euch werdet Schriftsteller, schreibt Bücher über solche Themen wie hier. Die ersten Käufer werdet Ihr in diesem Forum mit Sicherheit finden.

aektschen
29.05.2014, 11:51
Na vielen Dank für die Blumen. Aber das mit dem Bücher schreiben überlasse ich dann doch lieber denen, die sich damit auskennen. Weiß gar nicht, wann ich mein letztes gelesen hab. ;-) Ich bin dann lieber interNETT und mach dir vielleicht mal nen Blog auf. Da sind meine Ansätze aber doch meist recht schnell im Sande verlaufen. Wenn ich das irgendwann mache, darfst du gerne kostenlos lesen - und wenns dir dann gefällt, klick auf ein Werbebanner. ;-)

Fröhlicher Gruss

Wolfgang