Je aggressiver sich eine Variante verbreitet, umso mehr Menschen müssen geimpft sein um die Herdenimmunität zu erreichen, das ist logisch einfach nachvollziehbar. Im Moment gehen die Berechnungen von mind. 80-90 % aus und je schneller sich aggressiver werdenden Mutanten verbreiten umso weiter wird sich die Grenze nach oben verschieben. Ich glaube es gibt inzwischen keine ernstzunehmenden Wissenschaftler mehr, die 67% in Bezug zur Delta Variante nah an einer Heldenimmunität sehen, solche Aussagen sollten daher nicht verbreitet werden. Wäre ja auch inzwischen von der Praxis schon widerlegt, siehe die rasend schnell steigenden Inzidenzen in GB.
Ich lese immer wieder "Inzidenzwerte verlieren an Bedeutung, da es weniger schwere Verläufe gibt". Wie hier schon mehrfach erwähnt wurde geht das völlig an der Realität vorbei: In Bezug auf das persönliche Risiko mag das zwar zutreffend sein, nicht aber in Bezug auf das Mutationsrisiko. Bei weltweit ~180 Mio. gemeldeter Infektionen hatten wir inzwischen mind. 3 gefährliche Mutationen, das bedeutet rein mathematisch scheint das Risiko das eine individuelle Infektion zu einer gefährlichen Mutation führt irgendwo bei 1 zu 60 Mio. zu liegen. Wenn weltweit jetzt also nicht mehr darauf geachtet wird die Inzidenzen möglichen gering zu halten und wir 120 Mio. Infektionen pro Jahr haben, dann werden statistisch gesehen im nächsten Jahr 1-2 noch gefährlichere Mutanten auf uns zu rollen. Gelingt es jedoch die Infektionszahlen weltweit z. B. auf 12 Mio. zu drücken, dann hätten wir statistisch betrachtet erst mal 10-20 Jahre Ruhe. Und bei 1,2 Mio. müssten wir uns sogar 100-200 Jahre nicht groß sorgen.
Das sind extreme Unterschiede und jeder kann sich ausrechnen wie die nächsten Jahre aussehen, wenn es bei der nächsten (oder übernächsten oder über-übernächsten) Mutante trotz Impfungen wieder zu Zuständen wie im letzten Jahr kommt. Damit will ich niemandem Angst machen, aber das es in diese Richtung gehen kann beweisen die bisherigen Mutanten und durch niedrige Inzidenzen würde diese Gefahr massiv verringert. Wo keine Infektion, dort auch keine Gefahr einer Mutation. Es wurde hier ja schon darauf hingewiesen, dass sich Viren nicht selbst fortpflanzen, sondern die Reproduktion ausschließlich durch einen infizierten Wirt passiert. Mutationen sind hier nichts anderen als fehlerhafte Erbgut-Kopien, die bei SARS-Cov-2 wohl im Mittel grob alle ~60 Mio. Infektionen mal in extrem schlimmer Form auftreten. Also lasst uns doch einfach alles dafür tun, dass die Zahl der Infektionen so niedrig ist, dass wir die nächsten Jahre keine Mutante zu erwarten haben. Die Wissenschaft schläft ja auch nicht und jedes gewonnene Jahr bringt uns neuen Impfstoffen und Medikamenten näher, die Covid weiter zurückdrängen können.
Die aktuelle Entwicklung deutet leider eher darauf hin, dass die nächste Mutante noch 2021 auftreten wird, statistisch gesehen wohl irgendwo grob(!) um die 240 Mio. gemeldete Infektion. Und bei hohen Inzidenzen dann auch nur wenige Monate später erneut bei ~300 Mio. und wieder und wieder. Wenn Impfungen dann plötzlich nicht mehr (oder viel weniger) helfen, dann werden es wahrscheinlich genau die Leute sein, die heute "Inzidenzen sind nicht mehr relevant" rufen, die dann sagen "Oh doof, aber Mutationen sind halt unvermeidbar, kann keiner was dafür, kennt man ja von der Grippe". Ja, völlig ausschließen lässt sich das Mutationsrisiko nicht, aber in den letzten 1,5 Jahren hat es im Durchschnitt eben doch knapp 60 Mio. (gemeldete) Infektionen gebraucht bis (zunehmend gefährlicher werdende) Mutanten entstanden sind. Die Einstellung "Solange es wenig schwere Verläufe gibt sind viele Infektionen ganz egal" führt unausweichlich und im Rekordtempo zur nächsten Mutante.
Ich bin auch der Meinung wir müssen lernen mit dem Virus zu leben - indem jeder seinen Teil dazu beiträgt das eigene Infektionsrisiko im Rahmen seiner/ihrer Möglichkeiten auf das absolut nötige Minimum zu reduzieren. Als Geimpfte halte ich nicht Abstand und trage wo immer nötig eine Maske weil ich Angst hätte ich könnte schwer erkranken. Ich halte Abstand und trage die Maske, weil ich weiß, dass ich bei einer Infektion diejenige sein könnte, in der durch einen blöden Kopierfehler die nächste Mutante entsteht, die viele Leben und Existenzen weltweit auslöschen könnte. Klar, das Risiko ist mit ~1:60 Mio. extrem gering, sogar noch geringer als ein Lotto Hauptgewinn. Aber genauso wie es Lotto Hauptgewinner gibt, gibt es eben die wenigen Menschen deren Infektion schon zu einer gefährlichen Mutante geführt hat und es wird weitere Menschen geben, deren Infektion zu neuen gefährlichen Mutanten führen wird.