Advent
Es blaut die Nacht, die Sternlein blinken,
Schneeflöckchen leis' hernieder sinken.
Auf Edeltännleins grünem Wipfel
häuft sich ein kleiner, weisser Zipfel.
Und da! Von fern heran durchbricht
den dunklen Tann ein warmes Licht.
Im Forsthaus kniet bei Kerzenschimmer
die Försterin im Herrenzimmer.
In dieser wunderschönen Nacht
hat sie den Förster umgebracht.
Er war ihr bei des Heimes Pflege
in letzter Zeit doch sehr im Wege.
So kam sie mit sich überein:
"Am Niklasabend muss es sein!"
Und als das Rehlein ging zur Ruh,
das Häslein tat die Augen zu,
erlegte sie direkt von vorn
den Gatten über Kimm' und Korn.
Vom Knall geweckt rümpft nur der Hase
zwo, drei, viermal die Schnuppernase
und ruhet weiter süss im Dunkeln,
derweil die Sternlein traulich funkeln.
Und in der guten Stube drinnen?
Da läuft des Försters Blut von hinnen!
Nun muss die Försterin sich eilen,
den Gatten sauber zu zerteilen!
Schon hat sie ihn bis auf die Knochen
nach Weidmanns Sitte aufgebrochen.
Behutsam legt sie Glied auf Glied,
was der Gemahl bisher vermied.
Behält ein Teil Filet zurück,
als festtägliches Bratenstück
und packt zum Schluss - es geht auf vier -
die Reste in Geschenkpapier.
Da tönt's von fern wie Silberschellen,
im Dorf, da hört man Hundebellen.
Wer ist's, der in so später Nacht
im Schnee noch seine Runde macht?
Knecht Ruprecht kommt auf seinem Schlitten
mit einem Hirsch herangeritten!
"Heh, gute Frau! Habt ihr noch Sachen,
die armen Menschen Freude machen?"
Des Försters Haus ist tief verschneit,
doch seine Frau steht schon bereit.
"Die sechs Pakete, heil'ger Mann.
S'ist alles, was ich geben kann."
Die Silberschellen klingen leise
Knecht Ruprecht macht sich auf die Reise.
Im Försterhaus die Kerze brennt.
Ein Sternlein blinkt, es ist
Advent!
(Heinz Erhardt)