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Thema: Weihnachten

  1. #101
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    Nikolause

    von Sophie Reinheimer


    Es war Nikolausabend - Tag und soeben hatte der Bäcker ein großes Kuchenblech voll frischgebackener Nikolause aus dem Ofen gezogen.
    Die Augen standen ihnen - dass Gott erbarm! - so dick wie Froschaugen aus dem Kopfe heraus.
    Eine Nase hatte der Bäcker überhaupt für überflüssig gehalten - auch Ohren.
    Der Mund aber saß dem einen rechts - dem andern links und hatte eine verzweifelte Ähnlichkeit mit den Westenknöpfen. Von den Armen und Beinen gar nicht zu reden! Was kümmerten die den Bäcker?
    Er hatte ja alle seine vier Glieder - und nicht zu knapp!
    Die Nikolause, die würde er auf alle Fälle verkaufen, ob sie nun wulstige oder spindeldürre Arme - gerade Beine oder nur zwei zugespitzte Klumpen hatten.
    Zuerst waren nun die Frischgebackenen da eine Weile still. Sie mussten sich die Welt ringsum doch erst ein wenig ansehen.
    Da merkten die, die das Glück hatten, geradeaus sehen zu können, dass die Decke der Backstube lachte.
    "Warum lachen chie?" fragte einer, der einen bedauerlich schiefen Mund bekommen hatte.
    "Ach" - entschuldigte sich die Decke - "ich wunderte mich nur darüber, dass der Bäcker es in keinem Jahre fertig bringt, tadellose Nikolause zu backen."
    "Tadelloch - wach choll dach heichen?" fragte der Nikolaus und rollte seine schwarzen Korinthenaugen.
    Nun mischten sich auch die andern ein.
    "Ja - wollen Sie uns bitte eine Erklärung geben, was sie mit dem Worte "tadellos" gemeint haben?"
    "Ach" - ich meinte ja nur so - so - "na ja, eben so, wie sich's gehört. Arme und Beine hübsch regelmäßig geformt, der Mund in der Mitte und auch die Augen auf ihrem richtigen Platz.
    Aber es ist noch nie vorgekommen ,dass der Bäcker solche Männer zustande gebracht hat.
    Der heilige Nikolaus wird sich bedanken für seine gebackenen Photographien!"

    Inzwischen hatte der Bäckermeister sich daran gemacht, ein zweites Blech mit Teigmännern zu belegen. Sie fielen nicht besser aus. Im Gegenteil! Es war haarsträubend, was der Bäcker sich in seiner Schöpferlaune leistete!
    Klebten zwei Korinthen zusammen - "Da, hast de zwei Münder."
    "Es ist empörend!" rief der Tisch.
    "Ein Doppelmund! Aber der wäre dem schwatzhaften Bäcker selber sicher sehr angenehm. Dass ihm doch der heilige Nikolaus den eigenen Kopf so tief zwischen die Schultern steckte!"
    "Ja - und ihn recht kräftig an den Ohren zwickte," grollte der Stuhl.
    "Dann würde er sich seiner Hörorgane vielleicht erinnern."
    Am hitzigsten war aber der Backofen. "Die Augen sollte man ihm auskratzen und sie ihm hüben und drüben auf die Backen kleistern" - schrie er wütend.
    " Ein Skandal ist es! Und schließlich bleibt ja doch alles an mir hängen."
    Nun kam die Frau Bäckermeisterin mit einem Körbchen, stellte die Nikolause hinein und trug sie in das Schaufenster vorbei an den Mädchen.
    Aah - aah - aah -," kam es von allen Seiten, "die Herren Nikolause!"
    Gleich kam auch ein Trupp Schulbuben die Straße daher, drückte sich die Nase an den Scheiben platt und rief:
    "Nikkelees! Nikkelees!" und verschlang mit den Augen das ganze Körbchen.
    Die Männer aus dem feurigen Ofen mussten durchaus den Eindruck gewinnen, als werde ihnen hier unverhohlene, ja begeisterte Bewunderung zuteil.
    Einer von ihnen, dem die Augen ungefähr in gleicher Höhe mit dem Munde saßen, dessen obere Kopfhälfte aber dafür außerordentlich viel Platz zum Denken ließ, philosophierte: "Der Geschmack und die Ansichten dieser Welt scheinen sehr geteilt zu sein. Was von dem einem verlacht wird, wird von den andern bewundert."
    Mit dieser Erkenntnis suchten seine Kameraden - je nach Veranlagung, d.h. je nachdem man ihnen die Korinthen in den Kopf gedrückt und dadurch ihren Gesichtern Ausdruck verliehen hatte) fertig zu werden. Die einen mit Humor, die andern mit Pessimismus, die dritten mit dem Grundsatz der allgemeinen Wurschtigkeit.
    "Was aber mag der eigentliche Zweck des Lebens- des Lebens eines Nikolauses - sein?" grübelte der mit der Denkerstirne weiter.
    Er brauchte nicht lange auf die Antwort zu warten.
    Die Ladentür klingelte und herein trat eine Frau in Schürze, Pantoffeln und Kopftuch.
    "GewweSe mer mal sechs Stick von dene Nikkeleese", sagte sie zur Bäckermeisterin. "Mer muss doch merkke, dass heit Nikkeleesabend is. Awwer von dene große - zu 10 Pfennig."
    "Aha!" dachte der Philosoph aus Kuchenteig. "Die Dinge des Lebens werden also verschieden bewertet, je nach Größe und Umfang - sehr vernünftig!"

    Er verschwand mit fünf Kollegen in einer Tüte. Später wurde er dann von der Frau ausgepackt.
    "Wie groß ist doch die Welt! Nicht nur einen Geburtsort und einen Kaufladen - nein, auch noch eine Straße und ein "Zuhause" gibt es darin -" dachte er begeistert.
    Nun verbreitete sich in der Stube ein würziger Duft; Tassen wurden auf den Tisch gestellt und in jede derselben ein Nikolaus hineingesteckt.
    Recht stattlich nahm er sich doch aus, dieser Kreis von wackeren Kumpanen! Herzerquickend war denn auch die Freude der Kinderschar.
    Unser Held wollte gerade ausrufen: "Kameraden - O Gott - das Leben ist doch schön!" da verzogen sich seine drei Münder - oder seine drei Augen - wie man's nehmen will - und er spürte einen Riss in seiner Kopfhaut.
    "Ach nein - kurz scheint's zu sein," konnte er merkwürdigerweise doch noch denken. "Und der Hunger scheint mächtiger zu sein als die Liebe."
    Hierin hatte er nicht unbedingt recht - glücklicherweise.
    Denn wenn auch seine fünf Genossen geköpft, gevierteilt oder sonst wie misshandel tund dann aus kannibalische Weise verspeist wurden - er kam mit einer leichten Verletzung davon.
    "Ich will mein Nikkelees doch liewer erst mal dem werkliche Nikkelees heit abend zeige -" sagte seine kleine Besitzerin liebevoll.
    "Tu des - tu des nur, mei Herzche," nickte die Mutter.
    Also ward dem Glücklichen noch eine Galgenfrist beschert.
    Er benutzte sie natürlich sofort wieder zum philosophieren. "Nur die Gedanken scheinen ewig," meinte er.- Nun - der Abend kam und der wirkliche Nikolaus auch. Er betrachtete seinKuchen-Konterfei lange und prüfend und schüttelte dann sein ehrwürdiges Haupt, aber plötzlich hellte sich seine Miene auf.
    "Ich armer Nikolaus - was soll ich schon klagen?" rief er aus.
    "Du lieber Gott - was musst du erst alles an deinen Ebenbildern erleben!"
    .

  2. #102
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    Die glückliche Familie

    Conny Cremer


    Sie hatte sich gut gemerkt, was jeder ihrer Lieben sich im Laufe des Jahres besonders gewünscht und bisher noch nicht bekommen hat. Jetzt war sie unterwegs und besorgte für Tochter Carla die DVD ihres Lieblingsschauspielers mit dessen neuem Film. Den hatte Carla schon im Kino gesehen, konnte aber nicht genug davon bekommen. Für Sohnemann Mark gab es die besondere Ausgabe einer Märklin Lok, die er sich selbst nicht leisten wollte, weil sie zwar „super toll“, aber eben auch super teuer war. Und als Schüler mit Nebenjob war die Finanzlage meist abhängig von den Wochenend-aktivitäten, die regelmäßig das Konto auf 0 setzten.
    Ja, und für ihren Mann, Frederick, gab es die lang ersehnte Automatik-Uhr in Fliegeroptik.

    Zwar hatte sie für die Erfüllung all dieser Wünsche in den letzten Monaten immer wieder beim Einkaufen auf besonders günstige Angebote achten müssen, damit vom Haushaltsgeld am Wochenende immer etwas für die Geschenke übrig blieb, aber das tat sie doch gerne für ihre Familie. Sie liebte sie schließlich und wurde ja auch von ihrer Familie dafür geliebt, alles für sie zu tun. Was machte es da schon aus, das sie sich seit Monaten mit einfachster Seife wusch statt mit ihrem Lieblingsduschgel. Sauber wurde sie auch so.
    Und auf ihre besonderen Kekse hatte sie gleich ganz verzichtet. Ebenso auf ein paar neue Hausschuhe, die eigentlich längst fällig gewesen wären, denn in ihren jetzigen bekam sie kalte Füße wegen der ganzen Löcher. Aber egal, das waren ihr ihre Lieben wert.
    Nachdem alle Einkäufe erledigt waren musste sie sich jetzt sputen um rechtzeitig zu Hause zu sein. Schließlich wollte sie das Wohnzimmer mit dem Weihnachtsbaum noch herrichten und dann ging es ans kochen. Schließlich sollte vor der Bescherung noch gegessen werden.

    Als sie an der Haustüre rein kam schlug ihr bereits Ohren betäubender Lärm aus Carlas Zimmer entgegen und Mark kam fluchend aus dem Bad. Wortlos an seiner Mutter vorbei eilend hätte er sie beinah umgerannt ohne sie auch nur eines Blickes zu würdigen. Offensichtlich wieder schlechte Laune, dachte sie sich und stapfte mit den Tüten in die Küche. Dann versuchte sie bei Carla ihr Glück und bat doch die Musik ein wenig leiser zu machen. Nein, das ginge nicht, diese Lieder müsse man laut genießen, war die kurze Antwort, bevor Carla ihr die Tür vor der Nase zuschlug.
    Also suchte sie sich ihre Ohrstöpsel und begann im Wohnzimmer die vorbereiteten Kartons mit Weihnachtsschmuck zu sichten. Dieses Jahr wollte sie den Baum zimtfarben halten und fand schnell den richtigen Baumschmuck. Erstaunlich schnell hatte sie den Baum fertig und begutachtete ihr Werk. Zufrieden legte sie noch die Geschenke darunter und räumte die leeren Verpackungen wieder weg.
    Dann begann sie den Weihnachtsbraten herzurichten. Alle Beilagen hatte sie schon vorbereitet und jetzt kochte sie summend vor sich hin. Gerade als sie den Tisch deckte hörte sie den Schlüssel im Schloss der Haustür. Frederick kam endlich nach Hause von seiner Tour mit den Kumpels. Jetzt konnten sie essen.
    Er kam in die Küche und blickte auf den Herd. „Ist das Essen noch nicht fertig?“ war seine Begrüßung. „Aber doch, mein Schatz. Wir können sofort los legen. Ruf doch bitte die Kinder“ bat sie ihn. „Erst muss ich noch meinen Mantel ausziehen und Hände waschen. Ruf du die Kinder selbst“ sein Antwort.
    Also machte sie sich auf den Weg nach oben und bat ihre Kinder zu Tisch.
    Als sie alle zusammen am Tisch saßen wurde von den Teenagern in Windes Eile das Essen verschlungen und auch ihr Mann kaute wortlos vor sich hin. Kein Kommentar zum Essen. Kein Wort an die Frau und Mutter. Jeder hing seinen eigenen Gedanken offenbar nach. Sie beobachtete ihre Familie und seufzte. Wann war das „wir“ und „zusammen“ eigentlich verloren gegangen. Weihnachten – wie war das doch vor Jahren schön gewesen, wenn sie zusammen gegessen und sich in Vorfreude auf die Bescherung unterhalten hatten. Und jetzt?
    Carla war als Erst fertig und wollte wissen, ob sie nicht schon ins Wohnzimmer könne. „Nein, erst wenn alle gegessen haben. Wenigstens das möchte ich zusammen machen“ gab sie ihrer Tochter zur Antwort. Es folgte ein missmutiges brummen, aber sie fügte sich in ihr Schicksal.
    Zusammen gingen sie dann ins Wohnzimmer. Die Kinder stürzten unter den Weihnachtsbaum, zogen ihre Pakete heraus und rissen sie auf. „Oh, fein. Jetzt kann ich wieder meine Züge umbauen“, war Marks Kommentar zur Lok, die er dann achtlos auf den Tisch stellte und seiner Schwester zusah, wie sie noch immer an der Verpackung herum zog. Als diese endlich auf war gab es von Carla die Bemerkung „Prima, nächstes Wochenende mache ich dann mit den Mädels DVD-Abend“. Damit wurde diese auf Seite gelegt und man blickte den Vater an, der sein Päckchen jetzt auch öffnete.
    „Toll. Die sieht super aus. Morgen werde ich die Bedienungsanleitung mal durchlesen“ waren seine Worte. Dann stand er auf und machten den Fernseher an. Die Kinder packten sich auf, ohne ihre Geschenke, und teilten mit, sie gingen noch zu Freunden und waren schon aus der Tür.
    Da stand sie nun und wusste nicht, was sie denken oder sagen sollte. Kein Dankeschön. Keine Beschäftigung mit dem geschenkten und kein Wort an sie, die für alles gesorgt hatte. Ja, so war das. Alles selbstverständlich.
    Sie ging wieder in die Küche um sich mit dem Geschirr zu beschäftigen.
    Gerade, als sie alle Rest verpackt hatte, hörte sie die Türglocke. Gleich darauf hörte sie ihren Mann die Tür öffnen und beinah sofort seine Stimme, die wütend mit jemandem schimpfte. „Haben selbst nichts …., gerade heute ….., was soll das“ waren die Wortfetzen, die sie hörte. Als sie aus der Küche trat hatte Frederick die Tür bereits wieder geschlossen und teilte ihr kurz mit, dass ein Bettler vor der Tür gewesen sei. Welch eine Frechheit. Sowas am Heiligen Abend. Und überhaupt. Er ging wieder ins Wohnzimmer und ließ sie im Flur stehen.
    Kurz überlegte sie. Dann zog sie ihre Jacke an, schnappte sich alle Restebehälter und nahm den Schlüssel vom Haken. Sie trat aus der Haustür und blickte die Straße runter. In einiger Entfernung sah sie einen zerlumpten Mann gehen und lief ihm nach. An der nächsten Kreuzung hatte sie ihn eingeholt und legte ihre Hand auf seine Schulter. Er drehte sich um und sie hielt ihm ihre Behälter hin. „Hier, die Sachen sind noch warm. Mehr habe ich im Moment nicht“ sagte sie und blickte in zwei tief schwarze Augen, in denen sie zu versinken drohte. Schnell blickte sie weg und wartete darauf, dass er ihre Becher nahm. „Nicht für mich“ kamen seine Worte. „Kommen sie doch mit, dann können sie ihre Gaben selbst abgeben. Keine Angst, es ist direkt hier um die Ecke“, dann ging er weiter. Mit ihren Bechern in der Hand stand sie da und blickte ihm nach. Dann machte sie einen Schritt und einen weiteren und folgte diesem Fremden. „Was tue ich da eigentlich. Er könnte mich umbringen“ dachte sie, aber trotzdem folgte sie ihm in die nächste Seitenstraße. Dann sah sie die brennende Mülltonne, an der drei Kinder saßen und sich wärmten. Sowas kannte sie nur aus den Filmen von Amerika. Aber hier war es kein Film, sondern tatsächlich Wirklichkeit. Am Ende dieser Seitenstraße, gegen die Wand eines angrenzenden Gebäudes gelehnt, saßen die Kinder und hielten ihre Hände dem wärmenden Feuer aus der Tonne entgegen. Ihr Führer blickte sie an und sie kam langsam näher. Dann schauten die Kinder auf und sahen, dass jemand fremdes da stand und sie sahen erwartungsvoll zu ihr auf.
    Sie ging näher heran und hielt ihre Restebecher den Kindern entgegen. „Ich habe leider nur noch das. Und Besteck habe ich keines mit eingepackt. Entschuldigung. Aber es ist alles noch warm.“ Die Kinder sahen sie an und ihre Gesichter begannen zu strahlen. Sie sah, dass es drei Mädchen waren, die mit schmutzigen Gesichtern – wahrscheinlich Ruß vom Feuer – ihr entgegen sahen. Eines nach dem anderen standen sie auf und kamen auf sie zu. Und alle drei umarmten sie fest und herzlich, grinsten sie breit an und sagten alle artig danke. Dann nahmen sie die Becher und zogen jede eine Gabel aus den Tiefen ihrer Taschen. „Wir haben eigenes Besteck. Das braucht man auf der Straße“, gab die offensichtlich älteste der Mädchen an. „Es ist lange her, dass das Essen noch warm war, was wir bekommen haben. Haben sie vielen Dank dafür“. „Möchten Sie sich einen Moment zu uns setzen und Weihnachten mit uns feiern?“ fragte der Mann, der sich daraufhin mit Christian vorstellte. „Mein Name ist Maria“ sagte sie und nahm die Kiste in Empfang, die er ihr als Sitzgelegenheit entgegen hielt.
    Zusammen sahen sie den Kindern zu, die vergnügt schmatzend sich über ihre Reste her machten und gerecht aufteilten, was in den Bechern war. Es fiel ihr auf, wie höflich und freundlich die Mädchen miteinander um gingen und jedes sah zu, das keines der Anderen zu kurz kam. Maria beobachtete das alles und ein zufriedenes Lächeln stahl sich auf ihre Lippen. Dann merkte sie, das Christian sieh beobachtet hatte und errötete. „Es ist schön zu sehen, dass es den Kindern schmeckt. Und wie höflich sie miteinander umgehen ist erstaunlich. Kein Neid.“
    Christian lächelt sie an und dann erzählt er davon, was in seinem Leben geschehen war. Er war Börsenmakler gewesen und hatte wirklich alles, was man sich nur denken konnte. Aber es war immer etwas da, was in antrieb weiter zu machen und noch mehr Geld zu scheffeln und noch mehr zu kaufen. Und immer hatte er viel zu wenig Zeit. Keine Zeit für seine Frau, keine Zeit für seine Freunde und schon gar keine Zeit für sich. Dann brach der Markt zusammen und mit ihm sein ganzes Leben. Seine Freunde hatten keine Zeit mehr für ihn und seine Frau fand, es sei Zeit, dass jeder wieder seine eigenen Wege ging. So landete er auf der Straße und bei den drei Mädchen, die nicht seine Kinder waren. Aber das Leben mit diesen drei Kindern, die immer fröhlich waren, alles was man ihnen gab, mit einer großen Dankbarkeit annahmen und absolut gerecht aufteilten und selbst für die ein nettes Wort hatten, die sich über sie aufregten, hatten ihn verändert. Diese drei Mädchen gaben ihm, was er am meisten brauchte und bisher nie gehabt hatte.
    „Sie lieben mich, weil ich da bin. So einfach ist das.“
    .

  3. #103
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    Weihnachtsgeschichte mit verteilten Rollen für die Weihnachtsfeier

    von Carina Schmidt


    Eule: „Weihnachten ist eine besondere Zeit. Sie will besinnlich, herzlich und ruhig gefeiert werden und verlangt eine festliche Stimmung in wunderschöner Dekoration. Der Schnee rieselt leise vom Himmel, dass man meinen wollte der Frau Holle könne man beim Betten ausschütteln nicht mehr Einhalt gebieten und dass es nie wieder aufhören würde zu schneien. Es schneit immerzu. In kürzester Zeit wachsen schaurige Schneegebilde heran. Die Schneeberge nehmen die Form von Gestalten an und man möchte meinen, dass jene schon bald zum Leben erwachen. Viele der Schneehügel wirken real, je länger man sich in der verschneiten Traumwelt aufhält. Die Welt ist eingeschneit und es breitet sich eine romantische Stimmung aus. Zwar ist das Leben in dieser Zeit sehr mühselig, aber die winterliche Atmosphäre belohnt diese Mühen. In den Häusern bereiten sich die Menschen auf ihre Festlichkeiten vor und man bäckt Plätzchen, trinkt heißen Tee mit Gewürzen, isst Schokolade und Mandarinen und genießt die Besinnlichkeit der winterlichen Zeit. “

    Schneehase: „Einmal im Jahr ist die Vorfreude auf den Heiligen Abend besonders groß und man wünscht sich nichts sehnlicher, als dass die festliche Zeremonie bald beginnt. Es werden Gebete gesprochen, es wird gesungen und am Ende dürfen Geschenke ausgepackt werden. Feierliche Momente und eine zauberhafte Atmosphäre für Weihnachten entsteht vor allem durch Geselligkeit und eine schöne Dekoration. Mit viel Fantasie und einigen schönen Anregungen ist eine freundliche sehr einfach zu schaffen. Und nicht nur in den warmen Stuben, sondern auch inmitten der Natur ist der Sinn von Weihnachten noch nicht verloren gegangen. Auch mitten im Wald ist man sich dessen bewusst, dass Weihnachten ein Fest der Liebe ist, an dem von Herzen gern Geschenke gegeben werden. Die unterschiedlichsten Tiere gesellen sich dafür an einen Ort und vergessen für kurze Zeit, dass sie im normalen Alltag nicht alle beste Freunde sind.“

    Fuchs: „Die Eichhörnchen, Eulen, Elstern, Amseln, Hirsche, Hasen, Rehe und Füchse treffen sich an einem Tag im Jahr und feiern gemeinsam in friedlichem Miteinander. Der Alltag im Wald macht für einen Moment Pause und auch die Tiere spüren, dass am Heiligen Abend etwas ganz Besonderes passiert und eine außergewöhnliche Stimmung in der Luft liegt. Man trifft sich am größten Baum im Wald und gesellt sich zusammen. Alle Tiere grüßen sich gegenseitig mit einem lauten „Hallo!“ und man freut sich, dass es allen gut geht. Dort wo die Not am ärgsten ist und selbst am Heiligen Abend noch Probleme bestehen hilft man sich gegenseitig und fragt „Wie geht es dir?“, „An was fehlt es dir?“, „Sind eure Kleinsten gesund?“ und „Wie können wir helfen?“. Eine Krippe, wie sie die Menschen zum Feiern besitzen, gibt es hier nicht. Der weihnachtliche Gedanke verbreitet sich vielleicht nicht in einem Krippenspiel, sondern in einem herzlichen Beisammensein. Man kennt nicht die menschlichen Bräuche und Sitten, die vor allem an Weihnachten und in der vorweihnachtlichen Zeit in die menschlichen Stuben Einzug halten. Aber dies ist auch gar nicht notwendig.“

    Eule:
    „Zwar trauen sich viele Tiere in die Nähe der menschlichen Behausungen, aber nur mit größter Vorsicht. Das eine oder andere Getier hat es schon gewagt einen Blick in die Behausungen der Menschen zu werfen und durch verschneite Fenster zu blicken. Hier gibt es aufregende Dinge zu sehen. Denn die Menschen geben sich viel Mühe mit ihrem Fest. Es finden sich geschmückte Tannen, Weihnachtsstrümpfe, Kalender, Teller mit Kuchen und Gebäck, festliche Kerzen und Kränze, Strohsterne und viele weitere schöne Dinge. Bunte Farben und hübsche Dekorationen verzaubern in dieser ganz besonderen Zeit. Die Eltern wünschen den Kindern „Frohe Weihnachten!“ und auch die Kleinen sind bemüht den Eltern mit kleinen Geschenken eine große Freude zu bereiten.“

    Der Fuchs erzählt: “Die Hasen unterhalten sich am Heiligen Abend bereits aufgeregt vor der im Wald geschmückten Tanne. „Du bist sehr artig gewesen und deswegen haben Vater Hase und ich eine besonders schöne Überraschung für dich.“, sagt Mutter Schneehase zu dem Kleinsten. „Zwar haben wir im Winter nicht viele Möglichkeiten Geschenke zu finden, aber alle Eltern haben sich für ihre Kinder etwas schönes ausgedacht.“. „Au ja.“, jubiliert das Kleinste und blickt begeistert in die Augen der Mutter. „Einige Eltern haben sich zusammengeschlossen und einen tollen Ausflug zum vereisten See organisiert. Der Weg dorthin ist zwar ein wenig weit, aber ihr könnt dort für einen Tag nach Herzenslust spielen und herumtollen“, erklärt die Mutter. Der Aufwand ist für uns zwar besonders groß, aber für euch Kinder wollen wir diese Ausnahme machen.“

    Eule:
    „Die Kinder sitzen mit erstaunten Augen vor dem verschneiten Baum und freuen sich. Ihre Augen leuchten und dieses weihnachtliche Beisammensein verspricht einen gelungenen Abend. Die Füchse schenken den Eichhörnchen zusätzliche Nüsse, die sie gefunden haben, die Igel feiern mit den kleinen Hamstern, Eulen teilen Kuchen mit den Elstern und tragen andere stibitzte Leckereien der Menschen heran und man freut sich an dieser schönen Feier. „Liebe Eichhörnchen.“, sage ich, „Wir freuen uns sehr darüber, dass wir uns so friedliche die Wipfel der Bäume teilen. Sehr gern denken wir an die schönen Unterhaltungen in Frühjahr, Sommer, Herbst und Winter zurück und wollen auch weiterhin gern so gut mit euch befreundet sein. Wir wollen mit ein wenig Honigwein auf unsere gute Freundschaft anstoßen. Euch zum Wohl und wir wüschen allen anderen Anwesenden eine herzlich schöne Weihnacht“.“

    Fuchs: „Nur ein Tier saß ein wenig einsam auf der Seite. Inmitten aller guter Freunde und Nachbarn wollte die finstere Krähe so gar nicht in das weihnachtliche Bild hineinpassen. Daher versuchte man auch der Krähe eine große Freude zu machen und schenkte ihr drei Haselnüsse, die an einem Zweig zusammen hingen. Die Eule erklärte der Krähe, dass es sich dabei nicht um gewöhnliche Haselnüsse handeln solle, sondern um ganz außergewöhnliche Nüsse. Sobald eine der Nüsse geöffnet wird, dürfe ein Wunsch gesprochen werden. Angesichts dieser Großzügigkeit kullerte der Krähe eine Träne an der Wange herunter, sie versprach der Gemeinschaft im kommenden Frühjahr bei der Aufzucht der Jungen zu helfen und so flog sie überglücklich von dannen. Als man die Krähe im nächsten Frühjahr wieder sah, staunte man nicht schlecht. Denn aus der Krähe war durch einen Wunsch ein prächtiger Bussard geworden, der alsbald sein Versprechen einlöste.“

  4. #104
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    Perfekte Weihnachten

    von Carina Schmidt


    In diesem Jahr wird alles perfekt. Da bin ich ganz sicher. Ich habe alles vorbereitet für meine Familie.
    Lucy bekommt etwas zum Anziehen, am besten einen Gutschein von einem ihrer Lieblingsläden. Das kann sie immer gebrauchen und ich muss nicht mühsam etwas aussuchen. Eine Vierzehnjährige ist ja so kompliziert. Und für Thomas wäre etwas für seine Spielekonsole gut. Ich habe keine Ahnung, was er so spielt, aber er kann sich selbst etwas aussuchen. Das Einfachste ist, ich schenke ihm auch einen Gutschein. Damit ist ihm am meisten gedient – und ich kaufe nichts, das ich dann hinterher umtauschen muss. Das macht nur unnötig Arbeit. Hmm, was mache ich für meinen Mann? Ich glaube, eine neue Digitalkamera wäre gut. Er sagt ja immer, dass ihm seine zu kompliziert ist und sie für wirklich gute Bilder nicht das Richtige ist. Aber bei Kameras gibt es bestimmt viel Auswahl und ich müsste mich ausgiebig beraten lassen. Vielleicht ist am besten, er sucht sich selbst eine Kamera aus: also Gutschein. Meine Eltern und Schwiegereltern kommen auch, aber da mache ich nur eine Kleinigkeit. Alte Leute gehen ja dauernd in die Apotheke. Das ist nicht problematisch, ich besorge einen Gutschein und fertig. So ist es prima, das Thema „Geschenke“ ist perfekt abgearbeitet.
    Essen. Was mache ich zu essen? Stefan möchte immer Ente. Ohne Ente ist es für ihn kein richtiges Weihnachten, sagt er immer. Und seine Mutter macht eine wunderbare Ente. Das ist natürlich ein kleines Problem, denn ich mag keine Ente und außerdem macht die Zubereitung sehr viel Arbeit. In meiner Familie gab es am Heiligen Abend immer Kartoffelsalat und Würstchen. Weil wir vorher alle in die Kirche gingen. Wir werden zwar sicher nicht in die Kirche gehen, aber es ist auch keinem damit gedient, wenn ich am Feiertag völlig gestresst bin. Ich besorge also Würstchen und Kartoffelsalat. Der Metzger nebenan hat einen guten, da merkt niemand, dass er nicht selbstgemacht ist und ich spare mir die Arbeit.
    Das wird perfekt.
    Weihnachtsbaum. Kugeln und eine Lichterkette habe ich noch, einen neuen Baum brauche ich natürlich. Brauche ich einen Baum? Die Kinder sind ja schon groß und so ein Baum ist eigentlich nur im Weg. Ich werde Zweige nehmen. Im Gästezimmer habe ich noch welche, mit Lichterkette und Kugeln sieht das doch auch weihnachtlich aus. Wunderbar, wieder etwas perfekt erledigt. Die Weihnachtsplanung steht.
    Ich weiß gar nicht, was sich die Leute immer für einen Weihnachtsstress machen. Ich habe alles perfekt organisiert. Nicht so wie die Kollegin Lüdtke, die schon seit drei Wochen völlig aus dem Häuschen ist. Dauernd bastelt sie irgendetwas, oder sie backt Kekse, oder sie sucht ein ganz besonderes Geschenk für ihre Kinder oder ihren Mann. Im nächsten Jahr sage ich ihr einmal, wie man Weihnachten perfekt macht.
    Das Fest der Liebe ist da. Meine Eltern kamen schon zum Mittagessen. Stefans Eltern sind da etwas rücksichtsvoller und tauchen erst am Nachmittag auf. Sie haben Stollen mitgebracht. Wir essen also Stollen und trinken Kaffee. Und was gibt es Neues? Eine rein rhetorische Frage, denn es gibt immer wieder die alten Geschichten. Ich glaube, alle sind froh, dass mein Vater einen schönen Spaziergang vorschlägt. Wir gehen also durch unsere Siedlung. Es sieht wirklich schön aus. Viele Nachbarn haben Lichterketten in den Gärten, es funkelt. Die Kirche ist hell erleuchtet und sieht irgendwie einladend aus. Aber wir können da jetzt nicht reingehen, sonst wird es zu spät mit der Bescherung. Und sicher will auch keiner von den anderen in den Gottesdienst gehen. Dafür haben wir wirklich keine Zeit. Langsam gehen wir zurück. Unser Haus ist dunkel. Ich schaue erwartungsvoll zu Stefan, er soll endlich aufschließen, mir wird kalt.
    Aus, vorbei. Mein perfektes Weihnachten ist erledigt. Stefan hat keinen Schlüssel. Wir stehen mit der versammelten Familie draußen vor dem Haus. Da geht nebenan die Tür auf. Frau Lüdtke sieht uns und fragt: „Ist alles in Ordnung?“ Ein bisschen zaghaft frage ich, ob ich telefonieren dürfe, wir hätten den Schlüssel vergessen und ich müsste einen Schlüsseldienst anrufen. „Dann kommen Sie erst einmal rein“, meint Frau Lütdke. „Das geht doch nicht“, antworte ich, „es ist doch Weihnachten“.
    „Das geht, das geht“, sagt Frau Lütdke, „Sie stören nicht“. Wir gehen also rein und ich sehe sofort, wir stören doch. Hier ist wirklich nichts perfekt. Am Weihnachtsbaum werkeln Herr Lütdke und ein alter Mann, wahrscheinlich ihr Vater. Der Baum ist krumm, die Lichterkette hängt alles andere als akkurat, der meiste Baumschmuck hängt ganz unten. Sieht das denn niemand? Ach so, Frau Lüdtkes Sohn ist wohl dafür verantwortlich, und er ist noch ziemlich klein. Und was ist das überhaupt für Baumschmuck? Strohsterne und kleine Päckchen, auch Glanzpapiergirlanden, alles ist ein bisschen schief. Und warum lächeln sie alle? Sehr merkwürdig. Frau Lüdtkes Tochter kommt aus der Küche. Sie ist gar nicht weihnachtlich angezogen, in ihrem Gesicht ist Mehl und sie trägt einen Teller mit Keksen. Sollen das Sterne sein? Die Form ist jedenfalls nicht perfekt. Aber wir wollen ja nicht unhöflich sein und probieren auch welche. Sie schmecken gut.
    Frau Lüdtke kommt mit Kaffee aus der Küche. Und einem Stapel Geschirr und Besteck. „Sie bleiben doch zum Essen?“ „Das geht doch nicht“, antworte ich, „es ist doch Weihnachten“. „Das geht, das geht“, sagt Frau Lüdtke, „Sie stören nicht“. Ich gucke zu Stefan. Er werkelt jetzt auch mit am Weihnachtsbaum. Und Thomas hebt den Lüdtke-Jungen hoch und hilft ihm mit den Schmuck. Lucy sitzt kichernd mit der Tochter des Hauses auf dem Sofa. Sie unterhalten sich bestimmt nicht über Kekse, so viel ist klar. Meine Mutter ist weg. Ich finde sie in der Küche, wo sie mit Frau Lüdke Kartoffeln pellt. „Der Salat ist gleich fertig“, ruft Frau Lüdtke. Die Schüssel ist riesig. Und auf dem Herd steht ein Topf mit Würstchen. Unser Weihnachtsessen. Es wird ein bisschen eng am Tisch, aber das ist egal. Das Geschirr passt nicht zusammen, aber das ist erst recht egal. Die Würstchen sind heiß und der Salat ist lecker. Es ist wirklich ein perfektes Essen. Lüdtke Senior erzählt, dass er in jedem Jahr mit seinem Sohn und jetzt auch mit dem Enkel den Baumschmuck selbst macht. Ich schaue den Baum noch einmal an und finde ihn perfekt. Dann steht Lüdtke Senior auf und öffnet ein dickes Buch. Er räuspert sich und beginnt zu lesen:
    „In jenen Tagen geschah es, dass vom Kaiser Augustus der Befehl erging, dass alle Bewohner des Reiches sich zählen lassen sollen …“

    Es ist eine alte Geschichte, aber sie macht Weihnachten erst perfekt.

  5. #105
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    URTEILE NIE ZU SCHNELL !

    ...von Edithe einer lieben Freundin Name:  schneem33.gif
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    Ihr Lieben, ich möchte Euch eine rührende Kurzgeschichte erzählen:

    Eine alte Dame setzt sich in ein Café. Die Kellnerin bringt ihr die Menü-Karte und fragt nach, was sie denn bestellen möchte.

    Die alte Dame fragt „Wie teuer ist bei ihnen ein Stück von der Torte“?

    Die Kellnerin antwortet „5 Euro“

    Die gebrechliche alte Dame holt einige Münzen aus ihrer Tasche und beginnt langsam zu zählen. Dann fragt sie wieder „Und wie teuer ist bei ihnen ein einfaches Stück Kuchen?“

    Die Kellnerin war etwas gestresst, da sie ja noch viele Tische bedienen musste und antwortete sehr ungeduldig: „4 Euro“.

    „Das ist gut, dann nehme ich gerne den einfachen Kuchen.“ Antwortete die alte Dame.

    Die Kellnerin brachte ihr genervt den Kuchen und legte gleich die Rechnung hin. „Immer diese geizigen Leute“, murmelte sie leise vor sich hin.

    Die alte Dame aß ganz langsam und genussvoll den Kuchen, stand langsam auf, legte das Geld auf den Tisch und ging.

    Als die Kellnerin nun den Tisch aufräumen wollte, stellte sie fest, dass die alte zerbrechliche Dame ihr 1 Euro Trinkgeld hingelegt hat.

    Sie bekam vor Rührung Tränen in die Augen. Aber es war zu spät um sich bei der alten Dame zu entschuldigen. Sie begriff schmerzhaft und sich schrecklich mies fühlend, dass die alte Dame sich mit einem einfachen Stück Kuchen begnügte, um der Kellnerin Trinkgeld zu schenken!

    Ihr Lieben,

    diese rührende Geschichte zeigt uns deutlich, dass wir nicht vorschnell urteilen dürfen.

    Diese Zeilen eines unbekannten Autors bringen es auf den Punkt:

    „Bevor Du urteilen willst über mich oder mein Leben, ziehe meine Schuhe an und laufe meinen Weg, durchlaufe die Straßen, Berge und Täler, fühle die Trauer, erlebe den Schmerz und die Freude. Durchlaufe die Jahre, die ich ging, stolpere über jeden Stein, über den ich gestolpert bin, stehe immer wieder auf und gehe genau dieselbe Strecke weiter, genau wie ich es tat. -
    Und erst dann kannst Du urteilen.“

    Denn bevor Du über jemanden urteilst, schau hinter seine Mauern. Erkenne seine Ängste und Sorgen. Dann wirst Du sehen, wie zerbrechlich der Mensch hinter der Maske ist!


    Mit diesen Gedanken wünsche ich Euch und Euren Lieben einen wunderschönen 2. Advent.


    Liebe Edithe,
    ...ich wünsche Dir in der Türkei Name:  snow3.jpg
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    Dein alter Freund vom "Polarkreis" !
    .

  6. #106
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    Advent im Seniorenheim

    (Autor unbekannt)


    Alljährlich die gleichen Sorgen…

    …Weihnachtsgesang…


    Opa: Macht, dass ihr da wech kommt!!!

    …Schüsse…

    Opa: Güllelerchen!!!

    ..weiter Schüsse...

    Reporter: Der Singkreis des Landfrauenvereins Heringsmoor war nur einer von zahlreichen Vortragsgruppen und Einzelkünstlern, die wochenlang vergeblich versuchten, in das städtische Seniorenstift am Höcklager Industrieweg einzudringen. Dem inneren Drang, alten Menschen zur Weihnachtszeit eine Freude zu machen, stand immer wieder die kompromisslose Abwehrbereitschaft der Heiminsassen gegenüber, die es leid sind, als Publikum für Amateuraufführungen herhalten zu müssen. So jedenfalls erklärt es der 89jährige Josef Röhrmöller, als Sprecher des Ältestenrates.

    Röhrmöller: Ja, wir woll’n hier vor Weihnachten einmal in Ruhe Kaffee trinken und nicht dauernd dies Gejiedel und Gefiedel an'e Ohren habm. Und wenn das im Guten nich geht, dann müssen wir Maßnahmen ergreifen.

    Reporter: Maßnahmen, die sich am Anfang nur auf die hermetische Abriegelung des Gebäudekomplexes beschränkten. Röhrmöllers Erfahrungen als Infanterist 1943 im Kessel von Tscherkassi, als seine Kameraden in einer ähnlich verzweifelten Situation waren, kommen jetzt den Heimbewohnern zugute. Die wuchtigen Eisenmöbel vor den Außentüren, Stacheldrahtrollen vor den besonders gefährdeten Sutterainfenstern sowie verschweißte Sieldeckel im Kellerbereich, reichten jedoch schon bald nicht mehr aus. Rund um die Uhr wurden Heimbewohner zum Wachdienst eingeteilt.

    Röhrmöller: Ja die Probleme sind praktisch Tach und Nacht, nich. Morgens fallen schon die Plagen vonner Gesamtschule über uns her mit ihrem Flötenkreis. Die fiepen hier rum mit Mach hoch die Tür und Klingglöckchen und alles falsch und durcheinander. Dat is nicht zu ertragen. Inner Mittachsstunde hab'n wir dann meistens diese Trampeltänzer vom Trachtenverein Strohkruch, die will keiner mehr sehen, aber mit uns kann mans ja machen.

    Reporter: Besonders kritisch wird es am Abend, wenn die Aufmerksamkeit der alten Menschen nach einem langen Wachdienst zu erlahmen droht. Dann nämlich pirscht sich im Schutz der Dunkelheit der Jagdbläserchor 'Hubertus' aus Niederstenbreckelwede heran.

    Röhrmöller: Ja die tröten hier die Sau ist tot, wenn unsereiner nur in Ruhe fernsehen will. Und da bin ich dann zum ersten Mal mit'm Schrotdrilling dazwischen gegangen.

    Reporter: Nicht minder gefürchtet ist unter den Senioren die Schöppenwessler Speeldeel mit ihrem niederdeutschen Schwank Krach um Jolante, die aber in diesem Jahr, wenn auch gegen ein empfindlich hohes Schweigegeld wieder abzog. Doch nicht immer lassen sich die vorweihnachtlichen Besucher so unkompliziert abwehren. Der Chantichor Ankommersiel mit seinem Adventsrepertoire wie Christus war ein Steuermann oder Wir lagen auf Kiel vor Bethlehem ließ sich aus Hubschraubern auf das Flachdach des Speisesaals absetzen, in der vergeblichen Hoffnung, durch einen Lüftungsschacht zur besinnlichen Kaffeetafel vorzudringen. Nach 25 Jahren Heimerfahrung kennt Opa Röhrmöller inzwischen alle Tricks.

    Röhrmöller: Ja wir hatten die Tage einen hier, der gab sich als Klempner aus und wollte nach 'e Heizkörper kucken. Und ich denk noch, da is doch wat faul, mach 'ne Taschenkontrolle und siehe da, kein Werkzeug und nix. Stattdessen diese elende Gedichtband Wiehnacht ob de Halli, damit wollte er uns hier den Abend versaun. Und jetzt komm' Sie.

    Reporter:
    Schlussendlich waren alle Anstrengungen der alten Leute umsonst.
    Am frühen Nachmittag des 2. Advents
    hielt die Schweißnaht der Feuertür zum Babitoratlager dem karitativen Ansturm nicht mehr stand.

    Die tapferen Bewohner des Seniorenstifts wurden von der vorweihnachtlichen Stimmung doch noch eingeholt.

    .

  7. #107
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    Brad Schmidt und das fehlende Geschenk

    (Autor unbekannt)


    Es war einmal ein nicht mehr ganz junger Mann, sagen wir mal so knapp über Mitte 30, der alles kannte, nur keine Selbstzweifel. Da er aber wusste, dass es – vor allem bei den Frauen – gut ankommt, sich selbst gelegentlich infrage zu stellen, täuschte er zuweilen vor, ein an den großen Menschheitsfragen – Woher kommen wir? Wohin gehen wir? Wer wird deutscher Meister? – verzweifelnder Softie zu sein, der nicht mehr weiß, ob das, was er tut, auch das Richtige sei. Aber nach jeder Prüfung seiner selbst, kam er immer wieder zu dem Schluss, dass er ein ganz toller Hecht sein muss – so perfekt, wie er war. Blendend aussehend, hyperintelligent, voller Witz und Esprit. Kurzum, der nicht mehr ganz so junge Mann hielt sich im Kern für eine Mischung aus Brad Pitt, Sir Ralf Dahrendorf und Harald Schmidt. Und der Einfachheit halber soll er im Folgenden daher auch Sir Brad Schmidt genannt werden oder noch besser: nur Brad Schmidt. Wer braucht heute noch Adel?

    Nun kam aber der 16. Dezember, und Brad Schmidt stürzte in eine Krise. Entsetzt musste er, der sonst immer alles wusste – und dabei auch noch gut aussah –, an diesem Tag feststellen, dass es nur noch acht Tage bis Weihnachten waren und er noch nicht den blassesten Schimmer hatte, was er seiner Freundin schenken sollte.
    „Oh Gott, oh Gott”, dachte sich da Brad Schmidt. Warum muss gerade mir das passieren? Wo ich doch so schlau bin. Und so kreativ. Und dabei auch noch so gut aussehe. Drehen vielleicht meine Gene durch? Bin ich jetzt nicht mehr Brad Schmidt, sondern Ralf Pitt? Seh’ so aus wie Dahrendorf und bin so schlau wie Brad?

    Brad Schmidt war so verzweifelt, dass er nicht mehr wusste, was er tat, und ohne Sinn und Ziel sein Altpapier durchstöberte, Und siehe, da erschien ihm die Fachzeitschrift ”Wirtschaftswoche”.
    In ihrer Ausgabe vom 30. November. „Fürchte Dich nicht”, sagte die Wirtschaftswoche.
    ”Denn es gibt jetzt Geschenke im Internet.

    Unter www.youSmile.de findest Du die richtige Idee.“
    Wie froh und glücklich der Brad da plötzlich war. Froh, dass irgendjemand die „Wiwo“ in seiner Yuppiebude vergessen hatte. Und glücklich, das er, wenn er schon keine eigene Idee hatte, bald eine fremde finden würde, die sich wunderbar als eigene verschenken ließe. „Ach”, sagte sich Brad Schmidt. „Wie gut, dass es doch das Internet gibt. Gäbe es es nicht, ich müsste es erfinden.”

    Also setzte sich Brad Schmidt an seinen Computer und klickte sich auf die Seite, die ihn lächeln ließ. www.youSmile.de. Dort erschien alsbald das Ersehnte: ein „Ideenfinder”.
    Hier musste Brad zunächst ausfüllen, wer beschenkt werden soll, wie alt die zu Beschenkende ist, zu welchem Anlass geschenkt wird und wie viel er denn so auszugeben gedenke. Doch da kam Brad nun schon ins Trudeln. Wie hatte seine Freundin doch noch gesagt. „Ach Schatz, eigentlich ist es mir ja egal, was du mir schenkst. Hauptsache, es ist teuer und ein Brillant Die Kategorie „0-50 Mark” fiel also schon mal flach. Obwohl sich dahinter so schöne Sachen wie das Mousepad „Culto” mit den schwimmenden Herzen für 24,90 Mark verbarg oder der Fotorahmen „Hugo Trio” für 39,90 Mark. Auch die zweite Kategorie (50-1100 Mark) schien Brad Schmidt nicht angemessen, hatte er seine Freundin doch erst kürzlich, zu ihrem Geburtstag, mit jenem Duschvorhang mit dem idyllischen Alte-Frau-mit-Messer-in-der-Hand-Motiv aus „Psycho” überrascht, der nun für 79 Mark im Internet angeboten wurde. Na ja, ehrlich gesagt, kam das Geschenk damals schon nicht richtig an. Und auch zu Weihnachten dürfte die Begeisterung darüber begrenzt sein. Zwei Duschvorhänge machen halt noch keinen Brillanten.

    Aber ein Brillant war für Brad einfach nicht drin. Sein Chef, der alte Knicksack, hatte ihm erst unlängst die wohlverdiente Gehaltserhöhung mit einem wenig stichhaltigen, dafür umso charmanteren Argument verweigert: „Seien Sie doch froh, dass Sie bei uns arbeiten dürfen.” Tja, und so blieb nun Brad Schmidt nichts anderes übrig, als in der Kategorie „100-200 Mark” auf die „Suche starten”-Taste zu klicken. Doch bevor die Geschenke auf seinem Bildschirm erschienen, musste er noch schnell einige Angaben über den „Charaktertyp” der zu Beschenkenden machen. Ob sie denn Dinge analysieren und logische Zusammenhänge erkennen könne. „Na ja”, dachte sich Brad. „Sie ist ja zwar eine Frau, aber immerhin meine Freundin. Also geb’ ich ihr mal drei Punkte.” Fünf waren möglich. Ob sie gerne redet und ein kommunikativer Typ sei? „Kann man auch sechs Punkte vergeben?”, fragte sich Brad. Ob sie es liebe, die Zukunft zu entdecken? „Es sollte ihr reichen, mich zu entdecken.” Zwei Punkte. Ob sie unvorhergesehene Situationen meide. „Ja bin ich denn ihr Freund oder ihr Psychiater?” Ein Punkt.

    Und dann klickte Brad Schmidt wieder auf die Suchtaste. Was für eine Vielfalt! Brad Schmidt konnte sich gar nicht entscheiden, was er denn nun für seine Liebste zum Fest der Liebe ordern sollte. Den innovativen Tischkalender mit integrierter Uhr für 189 Mark? Oder die todschicke Filztasche in Lila für 20 Mark weniger? Oder vielleicht doch lieber das Socken-Geschenk-Abo für 119 Mark. Nach langem Hin und Her, neuem Nachdenken und alten Zweifeln, entschied sich Brad schließlich für das, was alles andere wie Geschenke für den Muttertag erscheinen ließ für die Wäscheserie „Toledo” von Teleno, Dessous mit spanischem Temperament – und das für gerade mal 108 Mark!

    „Tolero”, hieß es in der Anzeige, die Brad so voll überzeugte, sei wie gemacht für temperamentvolle Frauen: eine raffinierte Wäscheserie aus elastischem, besticktem Tüll in Schwarzweiß Der BH habe blickdicht gefütterte Cups. Slip und String-Tanga seien aus Mikrofaser und mit reichlich Tüll verziert. „Wow”, dachte da Brad Schmidt. „Das ist es.”

    Und dann kam Weihnachten. Morgens schmückte Brad den Baum, mittags ging er mit seiner Freundin spazieren, am frühen Abend gingen beide gemeinsam in die Kirche und danach nach Hause. Sie wollten alleine sein, Brad Schmidt und seine Freundin, romantische Weihnachten zu zweit feiern. Erst hörten sie Weihnachtslieder, gesungen von Frank Sinatra, dann aßen sie Weihnachtsgans, zubereitet von Brad Schmidt, dann gab es die Weihnachtsbescherung, heiß erwartet von seiner Freundin.
    Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie glücklich und zufrieden – bis sie das Geschenk ausgepackt hat.
    .

  8. #108
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    Der Weihnachtswald

    von Anneliese Kranzberger


    Meike ist gerade sieben Jahre alt geworden und schon bald ist wieder Weihnachten.
    Meike mag Weihnachten und Meike weiß auch, warum man Weihnachten feiert. „Weil da das Christkind geboren wurde und Maria seine Mutter und Josef sein Vater auf der Erde und Gott sein Vater im Himmel ist!“, antwortet sie immer, wenn sie danach gefragt wird.
    Meike mag eigentlich alles, was mit Weihnachten zu tun hat. Dass Geschenke basteln, das Singen und Warten darauf. Das tägliche Öffnen ihres Adventskalenders, das Plätzchen backen und das Geschichten vorlesen. Aber am allerschönsten findet Meike an Weihnachten, wenn sie mit Papa in den Wald darf, um dort den Weihnachtsbaum auszusuchen. Sobald es Zeit dafür ist, sagt er immer. „Na Meike! Was ist? Fahren wir zum Weihnachtswald?“ Dann springt sie begeistert auf und rennt zum kleinen roten Traktor in die Scheune.
    Ja, so ist es immer gewesen! Nur heuer ist alles ganz anders. Meike kann es immer noch nicht fassen. Denn ihr Papa fährt täglich zum Weihnachtswald, ohne sie auch nur einmal danach gefragt zu haben, ob sie mitkommen will. Meike ist sehr traurig darüber und freut sich gar nicht mehr auf Weihnachten, und auf ihren Papa hat sie auch eine Stinkwut. „Warum macht er das nur? Warum vertröstet er mich von einen Tag auf den Anderen? – Morgen Meike! Morgen darfst du mit!“ Und, wenn sie ihre Mutter danach fragt, sagt die auch nur immer: „Morgen Meike! Morgen! Ganz sicher!“
    Da beschließt Meike, alleine zum Weihnachtswald zu gehen. Aber schon auf der halben Wegstrecke dorthin, wird ihr so bange, dass sie schnell wieder umkehrt.
    Aber schließlich meint Meike, und sie glaubt es nun ganz genau zu wissen, dass ihr Papa dort im Weihnachtswald ein großes Geheimnis hütet. Meike hasst es aber, wenn jemand Geheimnisse hat. Sie kann es einfach nicht ertragen, wenn sie was nicht gesagt bekommt, was sie so dringend wissen will. Und überhaupt, ist in letzter Zeit alles ganz anders Zuhause. Alles sehr merkwürdig, sehr sonderbar – eben richtig Geheimnisvoll.
    So kocht zum Beispiel ihre Mutter täglich, Unmengen von Suppen und bäckt Gewürzkuchen und Stollen ohne Ende. Wenn Meike sie danach fragt, für wen das Alles sei, sagt sie nur: „Für den Weihnachtswald!“ Mehr nicht! Mehr ist aus ihrer Mama nicht herauszubringen. Wenn das nicht nach einem Geheimnis riecht!
    Papa lädt dann das Ganze auf den Anhänger, dazu noch jede Menge Kartoffeln und Brot und fährt damit zum Weihnachtswald. Selbst die Oma und der Opa, ja sogar ihr Hofhund Caro, dürfen mitkommen. Nur sie muss weiter zuhause bleiben und Mama auch. Aber die muss ja sowieso kochen und backen.
    „Keiner hat mehr Zeit für mich! Keiner kommt mit mir zum Kinder-Advent-Singen! Keiner beachtet meine gebastelten Sterne, obwohl sie schon an allen Fenstern des Hauses kleben! Keiner will mit mir singen und keiner mir beim Flöte spielen zu hören! Und eine Gute-Nacht-Geschichte gibt es auch nicht mehr!“ Meike ist so traurig darüber, dass sie gar nicht mehr will, das Weihnachten kommt. Aber es kommt trotzdem. Meike sieht es an ihrem Adventskalender. Schließlich steht es buchstäblich vor der Tür.
    „Nur noch einmal schlafen, dann ist Weihnachten und wir waren noch nicht einmal im Weihnachtswald um den Christbaum zu holen! Was wird das heuer nur für ein Weihnachten?“ Meike ist so betrübt darüber, dass sie nicht mehr spielen will, nicht mehr basteln kann und auch keine Lust mehr dazu hat ein Bilderbuch anzuschauen. Verhüllt unter ihrer Decke liegt sie traurig auf ihrem Bett, als plötzlich ein Rufen durch das Haus hallt.
    „Nun Meike! Was ist? Fahren wir zum Weihnachtswald?“
    Meike glaubt zu träumen. Sie hat sich wohl verhört! Doch da …! Wieder! „Nun Meike! Was ist? Fahren wir nun zum Weihnachtswald?“ Da kommt Meike aus ihrem Zimmer, rennt die Treppe hinunter, schlüpft hastig in ihre Winterstiefel, reißt fast ihre Jacke vom Garderobenhaken, greift noch nach ihrer Mütze und den Fäustlingen und saust auch schon hinaus zum roten Traktor, der zur Abfahrt bereit steht.
    Der kleine rote Traktor tuckert langsam dahin. Es wird schon dunkel und es beginnt zu schneien. Meike ist glücklich und aufgeregt. „Endlich fahren wir zum Weihnachtswald!“, und sie fühlt ein Kribbeln im Bauch.
    Meike versucht in ihrem Übermut zuerst mit ihrer Mütze dann mit ihrer herausgestreckten Zunge die immer größer werdenden Schneeflocken aufzufangen. Sie kann einfach vor Aufregung nicht mehr still sitzen.
    Der kleine Traktor schnauft einen steilen Berg hinauf.
    „Der Weihnachtswald! Endlich!“, holt Meike tief Luft und strahlt über das ganze Gesicht. „Der leuchtet ja richtig!“
    Oben auf dem Hügel angekommen, bekommt dann Meike ganz große Augen. „Der Weihnachtswald leuchtet ja wirklich!“
    Der kleine Traktor fährt durch ein großes Lichter-Tannenzweigen Tor, wo ein großes Schild angebracht ist. Lichterketten säumen den Weg am Waldrand entlang. Sie führen hin zu dem großen freien Platz, wo Papa` Waldhütte steht. Auch sie ist geschmückt mit Lichterketten. Der Platz drum herum ist von dem vielen Schnee freigeräumt worden, und in den dadurch entstandenen Schneebergen stecken brennende Fackeln. Vor der Waldhütte lodert ein rot glühendes riesiges Lagerfeuer, wo Sitzplätze aus zugeschnittenen Baumstämmen angebracht sind. Meike staunt und staunt.
    Große Scheinwerfer erleuchten den Weihnachtswald dahinter. Die vielen kleinen und großen Tannenbäume funkeln und glitzern in ihrem Licht.
    Meike springt vom kleinen Traktor und saust ausgelassen durch den Weihnachtswald. Jeden Tannenbaum will sie einzeln bestaunen, um sich dann den allerschönsten für Zuhause auszusuchen.
    „Was für einen nehmen wir nun mit!“, will schließlich ihr Papa wissen.
    „Den da!“, meint Meike und zeigt auf einen, in ihren Augen auf den schönsten Baum im Weihnachtswald. „Der ist nicht zu groß und nicht zu klein!“ Aber nun will sie doch von ihrem Papa wissen, warum sie nicht schon früher mit zum Weihnachtswald kommen durfte.
    Da seufzt ihr Papa tief. „Wir hatten doch so viel Arbeit damit und da meinten wir, dass es besser sei, wenn wir dich Zuhause wissen. Mit so einem großen Ansturm auf unseren Weihnachtwald hatten wir nicht gerechnet. Nächstes Jahr müssen wir das alles besser organisieren, damit wieder mehr Zeit für uns bleibt. Das verspreche ich dir!“
    „Okay!“, sagt Meike. Sie konnte ihrem Papa einfach nicht mehr böse sein. Denn, welcher Papa hatte schon so einen schönen Weihnachtswald.
    „Jetzt will ich mir aber den Weihnachtswald noch genauer ansehen!“, meint sie und rennt auf den Hochsitz zu, den sie entdeckt hat. Mit einem der Schlitten, der davor steht, rodelt sie dann einige Male den kleinen Schlittenberg hinunter. Von der riesigen Schneeburg ist sie auch ganz begeistert und über die lustigen Schneefiguren muss sie herzhaft lachen. Die Einfälle mit Schneebällen auf Dosentürme zu werfen oder einem Pappschneemann genau auf die Mitte seines kugelrunden Bauches zu treffen, findet Meike ebenfalls toll. Die vielen Kerzen die in Papas Waldhütte brennen bescheren Behaglichkeit und der alte Holzofen macht wollig warm. Sogar eine Spielecke entdeckt dort Meike. Sie malt ein Bild von dem Weihnachtswald und heftet es, zu den vielen anderen Bildern, die schon an der Wand hängen. Dann trinken sie und ihr Papa noch eine Tasse Tee und essen gebratene Kartoffeln zur Erbsensuppe.
    „So und jetzt zeige ich dir noch, wie man den Weihnachtsbaum verpackt und dann geht es ab nach Hause!“, und er packt den Tannenbaum an seinem Stamm, schiebt ihn hinten in ein Rohr hinein und holt ihn dann, aber mit einem Netz umwickelt vorne wieder heraus. „Auch eine tolle Sache!“, findet Meike.
    Gemeinsam löschen sie das große Lagerfeuer, die Kerzen, Fackeln und Lichter aus und fahren dann los, mit ihrem verpackten Weihnachtsbaum auf dem Anhänger.
    „So schön war der Weihnachtswald noch nie herausgeputzt!“, meint Meike und schaut noch solange auf ihn zurück bis er völlig in der Dunkelheit verschwindet.

  9. #109
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    Die Geschichte von Rut - Weihnachten ohne Josef

    Von Marcel Maack


    Es nieselte ununterbrochen, und es schien, als wollte es den ganzen Tag über nicht richtig hell werden. Das Thermometer bewegte sich um null Grad herum. Ein halbes Grad weniger, und aus dem Regen würden feine Schneeflocken, dachte Rut, während sie durchs Fenster nach draußen sah. Läge Schnee, würde es draußen viel heller und freundlicher aussehen. So aber sah alles nur düster aus. Nass, aufgeweicht, dunkel.

    So finster wie draußen war es auch in Ruts Seele...

    Genau einen Monat war es nun her, dass ihr Mann Josef von ihr gegangen war. Morgens, nach dem gemeinsamen Frühstück, war es passiert. Josef hatte sich müde gefühlt und sich deshalb noch einmal ins Bett gelegt. Ein zusätzliches Stündchen Schlaf wollte er sich gönnen, das würde ihm sicherlich gut tun, hatte er sich gesagt. Sein Radiowecker hatte 8.50 Uhr angezeigt, er hatte den Alarm entsprechend auf 9.50 Uhr eingestellt. Doch das Klingeln um Zehn vor Zehn, Josef hörte es nicht mehr. Sein Herz hatte mitten im Schlaf aufgehört zu schlagen. Am 24. November, exakt einen Monat vor Heiligabend...
    Josef war 78 Jahre alt geworden. In der Familie, welcher er entstammte, waren alle weit über 80 geworden, deshalb hatte Rut stets angenommen, auch Josef würde noch einige Jahre vor sich haben. Doch es war anders gekommen...

    Rut knöpfte ihren Mantel zu, setzte ihren Hut auf, griff nach dem Regenschirm und verließ das Haus.
    Der Blumenladen, den sie aufsuchen wollte, lag auf dem Weg zum Friedhof, ungefähr auf halber Höhe.
    Rut suchte ein Blumengesteck aus, das sowohl Regen als auch Schnee halbwegs trotzen würde. Dann verließ sie das Geschäft und bemerkte, dass der Nieselregen noch dichter geworden war.
    Sie blickte auf ihre Armbanduhr: 11.25 Uhr. Ursprünglich hatte sie vorgehabt, erst abends zu Josefs Grab zu gehen - eben dann, wenn der Heilige Abend angebrochen wäre. Dann jedoch war ihr der Gedanke gekommen, dass es um jene Zeit bereits stockdunkel sein würde. Deshalb hatte sie entschieden, lieber schon gegen Mittag auf den Friedhof zu gehen.
    Rut erreichte die Friedhofsmauer. Sie öffnete das schwere, eiserne Tor, betrat das Gelände. Vorsichtig schloss sie das Tor hinter sich wieder. Sie wusste: Würde sie es von selbst zufallen lassen, es gäbe ein Scheppern. Das jedoch wollte sie unbedingt vermeiden. Auf keinen Fall wollte sie die Ruhe der Toten stören.

    Es befand sich nur wenig Grabschmuck auf Josefs Ruhestätte. Das lag daran, dass die Zwei nur einen sehr kleinen Bekanntenkreis und keinerlei Verwandte mehr hatten. Sie selber hatten nie Kinder bekommen, auch wenn sie sich damals, als sie noch jung waren, nichts sehnlicher gewünscht hatten als einen Sohn oder eine Tochter. Gott allein wusste, warum er ihnen keine Kinder geschenkt hatte, das hatten sie sich bis ins hohe Alter hinein gesagt und sich auf diese Weise getröstet.

    Rut blieb vor dem Grab ihres Mannes stehen. Sie fing an, zu Josef zu sprechen.
    Sie tat es im Stillen. Rut war überzeugt, dass Josef sie hörte. Anschließend sprach sie ein Gebet zu Gott. Sie blieb noch eine Weile still stehen, und schließlich hockte sie sich nieder und legte das Gesteck ab.
    "Ich hoffe, du hast ein schönes Weihnachtsfest, mein lieber Josef!
    Ich wünschte, du säßest bei mir im Wohnzimmer und wir könnten gemeinsam die Tannenbaum-Kerzen anzünden, so wie wir es all die Jahre immer gemacht haben. Aber ich weiß, es soll nicht sein. Gott hat anderes mit dir vor. Ich denk' an dich, mein Schatz!"

    Rut erhob sich wieder.
    Da sah sie, wie sich just in diesem Moment ein paar Meter weiter ebenfalls eine alte Dame erhob.
    Die beiden nickten einander zu, und plötzlich begann die andere Frau, auf Rut zuzugehen.
    "Eine neue Grabstätte... Ihr Mann ist erst kürzlich verstorben?", fragte die Frau. -
    "Heute vor genau einem Monat", antwortete Rut und zeigte auf die Inschrift des Grabsteines. -
    "Mein Johannes ist vor zwei Jahren gestorben", sagte die andere Frau, "seitdem sitze ich allein vorm Tannenbaum. Ich habe leider keine Verwandten mehr."
    - Rut sprach: "Ich habe auch keine Verwandtschaft. Mir wird es heute Abend genauso gehen wie Ihnen - bloß dass es für mich das erste Mal ist."
    Die andere Frau überlegte einen Moment, dann sagte sie:
    "Schräg gegenüber vom Friedhof befindet sich ein kleines Cafe'. Ich trinke dort, nachdem ich meinen Johannes hier besucht habe, gelegentlich einen Espresso. Möchten Sie mich vielleicht dorthin begleiten?"
    Ein Lächeln glitt über Ruts Gesicht, und sie antwortete:
    "Das würde mir sicherlich gut tun. Wir kennen uns zwar gar nicht, aber ja, ich komme gern mit!"

    Die Geschichte stammt aus dem Buch "Kleine & große Weihnachtswunder -
    Neue Lesegeschichten zur Festzeit" von Marcel Maack.

  10. #110
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    Das Weihnachtsgeschenk

    Verfasser unbekannt !


    Besinnliche Geschichte für Erwachsene über ein Weihnachtsgeschenk, das eigentlich keines ist.

    Soll ich es als Geschenk einpacken?“
    Das Routinelächeln der Verkäuferin saß am Ende des langen Tages ein wenig schief und bildete einen Kontrast zu den akkuraten, in Windeseile geschnürten und mit der Schere glatt gezogenen Schleifen, die leicht und wolkig unter ihren Händen wippten. Als werte sie die Unentschlossenheit der Kundin vor ihr als Einwilligung, zog sie ein weiteres Stück Geschenkpapier von dem schweren Ständer mit den verschiedenfarbigen Rollen. „Nein, lassen Sie. Es ist kein Geschenk!“

    An einem Tag, an dem sie eine Kollegin vertreten und zusätzlich noch eine Kasse mit betreuen musste, war sie froh, nicht alles einpacken zu müssen, auch wenn sie mittlerweile fast im Schlaf Päckchen für Päckchen in Geschenkpapier wickelte, mit einer hübschen, aufwändigen Schleife verzierte und das alles in der Hälfte der Zeit, die sie noch zu Beginn des Weihnachtsgeschäftes gebraucht hatte. Sie dachte an den kleinen Jungen, der geduldig alle paar Tage in der Schlange wartete und ihr, wenn er endlich vorne stand, mit feierlichem Ernst ein selbst gebasteltes Geschenk hinhielt. „Für Mama, bitte einpacken!“, sagte er, oder „für Papa, Oma“. Manchmal sagte er auch gar nichts und grinste ein klein wenig verschmitzt als verstünde sie, dass der Beschenkte oder die Beschenkte geheim bleiben müsse. Die meisten Kunden nahmen diesen Service des Hauses ebenso ungerührt in Anspruch wie den kostenlosen Glühwein, die Lebkuchen und heuer auch noch die knallroten, papierdünnen Nikolausmützen. Es gab Leute, denen ein in Rekordgeschwindigkeit eingepacktes Geschenk noch zu lange dauerte.

    Ein Kunde hatte über die kunstvolle Medaillon-Schleife die Stirn gerunzelt und darauf bestanden, dass sie den tristen Bildband über Mecklenburg-Vorpommern schlichter verpackte. Es war ihr aufgefallen, dass es immer mehr Kunden gab, die die Bitterkeit ihres Lebens wie ein Schild vor sich hertrugen. Die Einsamkeit hingegen begegnete ihr still und oft von ausgesuchter Höflichkeit. Die Jüngeren versteckten sie berechtigterweise hinter Hoffnung, ihr Leben konnte noch viele Wendungen nehmen. Die alten einsamen Leute sogen Worte auf wie Schwämme und wogen sie kostbar. Ihr Blick glitt über die glänzenden Geschenkpapierrollen. Sie dachte an das Geschenk, dass sie ihren Mann machen würde. Etwas, das schon perfekt eingepackt war. Die Kundin vor ihr war unglücklich. Ein flüchtiger Blick genügte nach all den Jahren. Wie leicht ließ es sich in den Gesichtern lesen, gerade zur Weihnachtszeit. Sie ließ das Buch zusammen mit dem Kassenbon, einem eingeschweißten Lebkuchen, der lächerlichen Mütze und einem aufmunternden Lächeln in eine Tüte rutschen und wünschte automatisch ein frohes Fest.

    Die junge Frau erwiderte den Gruß knapp, nahm die Tüte zu den restlichen und trat eilig aus der Schlange. Die kommerzielle Weihnachtsmusik klang ihr nun schrill in den Ohren. Sie drängte zwischen den unzähligen Mänteln, Jacken, Tüten und Taschen zum Ausgang. Kalte Luft schlug ihr wohltuend entgegen. Eine Gruppe Teenager, die sich gegenseitig die bunten Mützen von den Köpfen zogen, rempelten sie, ehe sie johlend im warmen Kaufhausbauch verschwanden. Vor dem Einkaufscenter standen Nikoläuse und prosteten sich mit Glühwein zu. Ein Christbaumverkäufer pries lautstark seine Ware an. Sie floh in das bleigraue Dunkel stiller Straßenzüge. Es begann heftig zu schneien. Dicke wattige Flocken, die um Straßenlaternen wirbelten und Sekunden später in deren Licht erstarben. Mit dem Schnee kam der Wind und schneidende Kälte. Sie stellte die drei eleganten Papiertüten kurz in den Schneematsch und zog die pelzgefütterte Kapuze ihres Mantels hoch. Ihr fiel ein, dass sie vergessen hatte, die Heizung zu Hause anzustellen, wieder einmal. Und doch war es nicht die Aussicht auf diese Kälte, die ihre Glieder bleiern werden ließ. Ihr Blick fiel auf das kleine, altmodische Cafe gegenüber, in dem sie ab und zu frühstücken pflegte. Sie mochte die eigentümliche Ruhe die dort herrschte, seit Jahrzehnten wie ihr schien und die alle Hast hinter den zart geblümten Vorhängen zurückhielt. Ein bisschen dieser Ruhe würde gut tun, ebenso wie die hervorragende Tasse Schokolade, die man dort bekam. Dunkel und vollmundig, aber nicht zu süß. Geblendet vom heftigen Schneetreiben stieß sie die Tür auf und erschrak. Das Cafe war voller Menschen und summte wie ein Bienenstock. Die junge Bedienung, die sie erkannte und nun unschlüssig stehen sah, nickte ihr freundlich zu und wies auf einen kleinen Tisch, an dem noch ein freier Platz war. Zögernd schob sie sich durch ein Grüppchen von Leuten. Sie stellte ihre Tüten dicht neben sich, schälte sich aus dem feuchten Mantel. Es war warm hier, zu warm und zu laut, und doch hinter all dem Trubel entdeckte sie die Stille. Wie ein feiner Nebel hing sie in den Ecken und dämpfte die Gespräche. „Wie immer?“, fragte die Bedienung. Sie nickte und wenig später stand eine dampfende Tasse heißer Schokolade vor ihr. Sie ließ ihren Blick schweifen, ein paar Leute kannte sie flüchtig. „Ist hier noch frei?“ Sie nickte und rückte noch ein wenig zur Seite, damit genügend Abstand zwischen ihr und dem neuen Gast blieb. Ein Mann mittleren Alters, der sich in einem fort räusperte und angestrengt in seine Tasse Kaffee blickte. Weihnachten würde sie nun doch zu ihren Eltern fahren. Sie würde das Geschwätz ihrer aschfahlen, langnasigen Tanten ertragen, die mit Besitz und prächtigen Karrieren ihrer Kinder wetteiferten. Ihre kleine Schwester würde davon nur kurz mit ihrem neuen rotbäckigen Nachwuchs ablenken können. Die Nasen der Tanten waren sich einig: Ja, Kinder kriegen konnte sie, eins nach dem anderen. Das zählte. Sie hingegen würde nur spitze Blicke und zähes Schweigen ernten, die sorgenvolle Blicke ihrer Mutter wie Messerstiche im Rücken spüren. Keinen Mann, kein Haus, keinen Nachwuchs. Verloren mit Mitte dreißig in der Großstadt. Alles Unausgesprochene würde Vater mit seinen gnadenlosen Raubeinigkeit und Taktlosigkeit spätestens am zweiten Feiertag aufgreifen und den gehassten Schwestern seiner Frau, die ihn für einen Versager hielten, um die Ohren hauen, bis sie beleidigt Nase an Nase das Weite suchten. Sie würde zu viel essen, zu viel trinken und bevor sie beginnen würde, zynisch zu werden, würde sie wieder abreisen, den enttäuschten Blick ihrer blassen, stillen Mutter im Rücken. Sie seufzte stumm, legte das Geld für die Schokolade auf den Tisch, zog den Mantel über und nickte dem Mann kurz zu.

    „Entschuldigung, Sie haben das vergessen!“, kam er ihr wenig später zur Tür nachgeeilt und hielt ihr verlegen eine Papiertüte hin. Das Buch, das sie aus Sentimentalität gekauft hatte. Es tat immer noch weh. Doch es hatte keine Bedeutung mehr, sie würde es nicht aufschlagen, es auch niemand anderes schenken, obwohl....
    „Oh, das. Da habe ich mich schrecklich vergriffen. Es ist bald Weihnachten. Vielleicht haben Sie Verwendung dafür. Frohes Fest!“, sagte sie und lächelte kurz und freudlos. Noch bevor der Mann protestieren konnte, schlüpfte sie hinaus in den dichten Schneefall. So gut es ging hielt sie sich an der genossenen Wärme und Stille fest, ehe die Einsamkeit und die Kälte zurückkehrten.
    Der Mann verstand nicht. „So warten Sie doch, Sie können doch nicht..!“ Er folgte ihr vor die Tür. Doch die Schritte der jungen Frau entfernten sich rasch im watteweichen Schneeteppich, der sich lautlos ausgebreitet hatte. Für einen Augenblick erwog er, ihr nachzulaufen, doch dieser Augenblick verrann wie alle die anderen Momente, Augenblicke und Gelegenheiten, in denen er spontan sein wollte und es dann doch sein ließ. Er kehrte an den Tisch zurück. Die Tüte machte ihn verlegen. Er sah sich um, aber die anderen Gäste nahmen keine Notiz von ihm. Verrückt waren manche Leute, kauften Sachen, die sie nicht brauchen konnten und schenkten sie Wildfremden.

    Wut wallte für einen Moment in ihm hoch, verebbte ebenso schnell. Er griff in die schmale Tüte, zog Nikolausmütze und das Buch hervor und legte es neben seine Tasse. Die Mütze schob er achtlos beiseite. Leuchttürme von Jean Guichard. Er schlug das Buch auf und ließ seine Finger über die bunt bebilderten Seiten gleiten. Die brillanten Farben, ohne Zweifel, es war sicher sehr teuer gewesen. Spektakuläre Aufnahmen von Leuchttürmen in der Bretagne, an der amerikanischen Ostküste, in Schottland. Wind und wasserumtoste Leuchttürme, die allen Widrigkeiten trutzten, stark und ungerührt. Er war kein Leuchtturm. Alles rührte ihn an, machte ihn zu schaffen. Ob Marga sich darüber freuen würde? Geschenke, Geschenke. Die Kinder brauchten doch noch Geschenke.. Buchhalter waren nicht mehr gefragt. Mit Mitte vierzig war er zu alt, mit der Firma für die Geschäftswelt gestorben. Längst hatte er resigniert, auch wenn er es nicht zeigte, sich bewarb und bewarb, wenn es irgendwo etwas zu bewerben gab und sich fortbildete, wie man es ihm auftrug, um die Zeit totzuschlagen. Zu Hause hielt er es nicht mehr aus, auch wenn sie alle Rücksicht auf ihn nahmen. Er konnte Margas stumme Verzweiflung nicht ertragen. Sie würde keine Freude an diesem Buch haben, was interessierten sie Leuchttürme in Schottland, wenn die Schullandheimfahrt der Söhne nur unter größten Entbehrungen möglich war. Er legte Buch und Mütze in die Tüte zurück, der Kassenbon fiel ihm entgegen. Wieder ein Impuls, ein Gedanke. Die Läden waren noch geöffnet, er konnte das Buch mit dem Kassenbon zurückgeben. Von dem Geld könnte er den Kindern Taschengeld geben, oder Marga eine Kleinigkeit kaufen. Da war dieser Schal, den sie letzte Woche in einem Prospekt so ausgiebig betrachtet hatte. Der Gedanke überdauerte den Moment.
    „Hier! Bitte füllen Sie das aus!“ Die Verkaufsberaterin reichte dem Herrn einen Rücknahmeschein, dann blickte sie überrascht auf den Bildband. Diese Leuchttürme. Sie hatte das Buch vor kaum einer Stunde verkauft wie der Kassenbeleg zeigte. An eine Dame, da war sie sich ganz sicher. Nun sie wunderte sich nicht mehr. Kurz vor Weihnachten war das Kaufverhalten vieler Kunden extrem. Sie zeichnete den Beleg gegen und trat von einem Bein auf das andere. Ihre Füße waren schwer geworden. Sie war auch müder als sonst, doch all das hatte seinen Grund, einen süßen, wunderbaren Grund. Ihre Gedanken eilten voraus, nach Hause, als sie dem Herrn vor ihr das Geld für das Buch zurückgab.

    „Seien Sie so freundlich, und stellen Sie die Retoursendungen in die Regale zurück!
    Einige liegen hier schon seit Tagen.“, beauftragte sie eine junge Auszubildende, die ihr kurz vor Ladenschluss zugeteilt wurde.
    „Frohe Weihnachten!“, wünschte sie dem ernsten Herrn, der seine Geldbörse in die Jackentasche schob. In einer Viertelstunde würde sie Kasse machen und dann war endlich Feierabend.
    Er dachte an seine Söhne, die er liebte und daran, dass er aufgehört hatte, es ihnen zu zeigen. Sie konnten alle reden, diese geschulten Vermittler mit ihrer einstudierten Anteilnahme. Wie wollten sie verstehen? Sie hatten ihr Auskommen. Kein Schlechtes bestimmt. Er hielt vor einem kleinen Laden, in dem noch Licht brannte. Blechspielzeug, alte und neue Eisenbahnen samt Zubehör lag in der verstaubten Auslage. Erinnerungen tanzten wie die wild wirbelnden Schneeflocken um seine Nasenspitze. Jedes Weihnachten hatte er als Kind mit seinem Vater mehr Zeit auf dem Dachboden verbracht als in der Stube, in der die dicken schwäbischen Tanten saßen, ihre Likörchen tranken und Hitze verbreiteten, während die noch dickeren Onkels sich die Köpfe an den Dachbalken anstießen und wie kleine Jungs Eisenbahn spielten, mit Gegröle und roten Gesichtern, was vom Inhalt der bauchigen Flasche herrührte, die Vater in einem der Tunnels versteckt hatte. Die riesige, alte Eisenbahnanlage lag sorgfältig in Kartons verpackt auf dem Dachboden. Er konnte sie zu Geld machen. Das Auto brauchte dringend einen Kundendienst, neue Winterreifen. Der alte Korff, so hieß er doch, war ein Eisenbahnfanatiker, kannte sich aus mit guter Ware, vielleicht machte der ihm einen anständigen Preis. Er überlegte, der Schnee fiel kalt in seinen Jackenkragen. Es brannte ja noch Licht und so verlor sich sein Zögern und er drückte die Türklinke. Beim rostigen Scheppern der Glocke wurde er weich. Er betrat den spärlich erleuchteten Laden, schüchtern wie damals an der Hand des großen, schweren Vaters. Es roch genau wie früher nach jener seltsamen Mischung aus alter Pappe und Maschinenöl und einer gewissen Feierlichkeit, die sich in den Mienen der Männer spiegelte, die hier ausnahmslos einkauften. Statt der akkuraten Ordnung herrschte aber nun ein heilloses Durcheinander auf den schmalen Regalen zu beiden Seiten des schlauchförmigen Raumes. Alte und neue Kartonagen mit halb und ganz ausgepackter Ware stapelten sich windschief in allen Richtungen bis unter die Decke. Eine staubige Haushaltsleiter war nachlässig gegen eine Regalwand gelehnt. Sein Blick blieb an der schwarzen Kleidung der schmächtigen, kleinen Frau hängen, die hinter dem wuchtigen Ladentisch über eine Kasse gebeugt stand. Natürlich, Marga hatte es doch erwähnt, wie so vieles, dem er nur mit halbem Ohr folgte. Der alte Korff war vor kurzem gestorben. Er wurde verlegen.

    „Tut mir Leid, wir haben schon geschlossen. Ich habe nur wieder vergessen, abzuschließen!“
    Die alte Stimme klang erstaunlich fest im Gegensatz zu seiner, als er dann ein paar Worte murmelte und Beileid wünschte, sich auf dem Absatz wieder umdrehte.
    „Der Laden war sein Leben, wissen Sie. Die Kunden fragen nach all den Eisenbahnen und Spielzeug hier. Mein Telefon steht nicht still. Ich habe mich nie sehr dafür interessiert. Die Kasse stimmt nicht.“, sagte sie übergangslos mit einem Seufzer, der ein wenig Resignation verriet. „Kann ich ihnen helfen?“, sagte er, weil er nicht wusste, was er sonst sagen sollte. Wenig später zählte er das Geld in dem trüben Licht, prüfte die Kassenzettel. Mehrmals, er war etwas aus der Übung. Die Kasse stimmte bis auf wenige Euro. Die alte Dame bedankte sich überschwänglich, wirkte erschöpft. „Ich weiß, ich weiß. Ich muss den Laden verkaufen. Und dann wird das hier ne Kneipe oder so ein Stehcafe. Aber mein Mann hing so an den Sachen und den Kunden. Es war doch sein Leben“
    „Ich habe etwas Zeit, vielleicht…“, sagte er und verstummte.
    Die alte gebeugte Dame sah zu ihm auf, suchte seinen Blick.
    „Sie mögen Eisenbahnen, nicht wahr?“ sagte sie leise.
    Und ihr Lächeln war Weihnachten.
    ……..
    Das junge Mädchen ordnete eilig Bücher in die Regale zurück. Die Hektik der letzten Stunde, in der man sie überall gleichzeitig brauchte, machte sie nervös. Sie rempelte den Kunden hinter sich, wurde rot während sie sich mehrmals entschuldigte. Der Kunde nahm sie nicht wahr, griff an ihr vorbei nach dem Bildband, den sie eben zurückgestellt hatte.
    Tatsächlich, es war das Buch, nachdem er seit Minuten fieberhaft gesucht hatte. Nun stand es wieder da. Einfach so. Und es war ihm als höre er wieder ihr perlendes Lachen, fühle ihren spöttischen Blick, als sie sich hier zum ersten Mal begegnet waren, gleichzeitig nach den Leuchttürmen von Jean Guichard griffen und einen Zipfel vom Glück in Händen hielten. Später stellten sie fest, dass ihr Geschmäcker verschieden waren, oft genug stritten sie über den einen oder anderen Bestseller, jedoch immer anregend, nie ernsthaft wie über viele andere Dinge. Die Erinnerung an ihre blitzenden Augen, ihren gespielten Protest, als er ihr scherzend das Buch entwendete, war so lebendig, dass sie ihm einen Stich versetzte. Ab und zu waren sie hierher gekommen, um nach dem Buch zu sehen, diese erste gemeinsame Erinnerung zu genießen. Irgendwann, versprachen sie sich, würde es einer von ihnen kaufen, um es den anderen zu schenken. Irgendwann würden sie den Leuchttürmen und ihren Geheimnissen nachspüren. Dazu war es nie gekommen. Er ging nun fort, endgültig, und doch, diese Erinnerung wollte er für sich bewahren. Er musste sich beeilen, noch packen. Weihnachten würde er bei seinem Bruder und seiner Familie verbringen, Neujahr nach Ontario fliegen und sich in die Arbeit stürzen.
    .

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