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Thema: Weihnachten

  1. #21
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    Mañana... Día de Santa Lucía – 13. Dezember

    Dieses Winterfest vereint schwedische und kanarische Traditionen und wird vor allem auf Gran Canaria in
    “Santa Lucía de Tirajana” im Südwesten der Insel gefeiert.
    Leider fällt in diesem Jahr dieser wunderschöne Umzug aus.


    Über "Santa Lucía de Tirajana" kann man hier etwas nachlesen:

    https://www.spain-grancanaria.com/de...-tirajana.html

    Die Legende von Santa Lucia

    Lucia lebte in Syrakus (Syracuse) zur Zeit der Christenverfolgungen unter Diokletian und war Christin. Sie hatte eine Erscheinung der Heiligen Agathe von Catania und ließ sich daraufhin taufen.
    Anderen Christen brachte sie Nahrungsmittel in die Katakomben. Um beide Hände zum Tragen freizuhaben, ging sie mit einer Krone aus brennenden Kerzen auf den Kopf in die dunklen Gänge.
    Sie wollte sogar dem weltlichen Leben entsagen und Nonne werden. Als ihr Verlobter davon erfuhr, war er so enttäuscht, dass er sie anzeigte. Christen wurden um diese Zeit hingerichtet.
    Lucia sollte von Ochsen zu Tode geschleift werden, aber die Tiere weigerten sich, auch nur einen Schritt zu gehen, so sehr man sie auch quälte und antrieb. Sie wurde dann erstochen und starb so für ihren Glauben.
    Besonders in Italien gibt es viele Denkmäler und Heiligenfiguren, die Santa Lucia zeigen.

    Der 13. Dezember ist der Tag von Santa Lucia.

    Da ihr Tag als Quartalsbeginn im Verwaltungswesen und als Jahresschluss in der Schule bedeutsam war, und außerdem mit dem kirchlichen Qatember:

    https://de.wikipedia.org/wiki/Quatember

    zusammenfiel, hat der Tag viele Bräuche.
    Bis ins 16. Jahrhundert galt die vorausgehende Nacht als die längste des Jahres, mit Lucia begann die Zeit des Lichtes.


    Die schwedische Tradition:


    In Schweden wird der 13. Dezember besonders gefeiert. Ein weißgekleidetes Mädchen, die Lussibrud ( Lucienbraut) trägt einen Kranz mit brennenden Kerzen auf dem Kopf und weckt in der Familie die Schlafenden und bringt ihnen das Frühstück, zu diesem gehört auch das skandinavische Safranbrot.

    Ein Backrezept mit Anleitung steht am Ende dieser "Santa Lucia-Erklärung".

    In allen Städten und Dörfern wird eine Lucia-Braut gewählt.
    Bis ins 16. Jahrhundert galt die vorausgehende Nacht als die längste des Jahres, mit Lucia begann die Zeit des Lichtes.
    Dieser Brauch ist in Schweden 1780 erstmals dokumentiert.
    In allen skandinavischen Ländern feiert man das Julfest.
    In der Vorweihnachtszeit wird gebastelt, geputzt und gebacken. Man erzählt sich dass die kleinen Hausgeister, die Tomare, den Menschen, nicht nur im laufe des Jahres sondern auch in der Vorweihnachtszeit, hilfreich zur Seite stehen. Als Dank stellt man ihnen am Heilig Abend einen süßen Milchbrei vor die Tür, denn man glaubt, dass ein versäumtes Dankeschön, der Familie Unglück bringt.
    Heiligabend nach einem Saunabad versammelt sich die Familie um den Lichterbaum, der mitten in der Wohnstube steht.
    Nach einem guten Essen mit Julschinken:

    https://www.lecker.de/julschinken-11934.html

    ...und allen möglichen Köstlichkeiten tanzen alle um den Baum und singen Weihnachtslieder.
    Bescherung ist erst nach diesem Weihnachtsreigen. Die Fenster der Wohnstube sind oft geöffnet, denn es kann sein, dass hin und wieder ein Julklapp, ein Geschenkpäckchen eines Freundes oder Nachbarn, ins Haus geflogen kommt.
    Am frühen Weihnachtsmorgen besuchen die Familien die Christmette. Zu Hause bewacht der Julbock, ein Ziegenbock aus Stroh, den Weihnachtsbaum und hält die bösen Geister fern.
    Auch in Deutschland gibt es heute, bevorzugt in katholischen Gegenden, den Brauch, dass ein weißgekleidetes Mädchen mit dem Lichterkranz in die dunkle Kirche kommt und einen Glanz verbreitet.

    Das Rezept für das "Skandinavisches Safranbrot"

    Zutaten

    500 gr. Mehl
    40 gr. Hefe
    1/8 l Milch oder Sahne
    50 gr. Zucker
    eine Prise Salz
    2 Eier
    100 gr. Margarine
    1 Essl. Rum
    1/2 Teel. Safran (weil Safran sehr teuer ist, kann man auch Kurkuma nehmen)
    2 Teel. Milch
    1/2 Tasse gewaschene Rosinen
    50 gr. gemahlene Mandeln
    2 Eigelb
    Mandelblätter

    Zubereitung:

    Einen Hefeteig aus dem Mehl, Hefe etwas Zucker und Milch herstellen und 15 Minuten gehen lassen.
    Den Safran in wenig Milch auflösen.
    Die Margarine zerlassen, mit den Eiern, dem restlichen Zucker, Salz, Safran, Rum, Rosinen und den Mandeln zum Vorteig geben und so lange schlagen (kneten) bis der Teig Blasen wirft.
    Den Teig weitere 15 Minuten gehen lassen.
    Den Teig in zwei oder drei Stränge teilen und daraus einen Zopf oder Striezel flechten.
    Den Zopf nochmal gehen lassen
    Das Brot mit verquirltem Eigelb bestreichen und mit den Mandelblättern bestreuen.
    Das Safranbrot bei 200 Grad (vorgeheizt) etwa 35 - 40 Minuten -goldbraun- backen.

  2. #22
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    Eine Weihnachtsgeschichte mit tieferen Sinn für Kinder ab ca. 7 Jahren.

    Letzte Lieferung vor Weihnachten

    von Thomas Weinmann


    Heute war wieder eine besonders umfangreiche Lieferung eingetroffen.
    Eigentlich, wie immer in diesen Tagen, an denen auf der Erde bald – wie sie es nennen – Weihnachten gefeiert wird.
    Wagen um Wagen wurden herangebracht, schwer beladen mit all den vielen Gebeten der Menschen. Eine große Schar beauftragter Engel stürzte sich auf die unüberschaubare Flut, um wenigstens eine gewisse Ordnung in das Ganze zu bringen. Da wird mal grob zwischen Stoßgebeten, gewöhnlichen Bitten, wiederkehrenden Bitten, Lobpreisungen und was es sonst noch gibt. unterschieden. Der Berg der Lobpreisungen und Danksagungen ist dabei, wie üblich, markant kleiner im Vergleich zu den Bitten. Nach etlichen Stunden Vorarbeit wurde das herrliche Himmelstor zu Gott dem Vater aufgestoßen und ein vornehmer Engel brachte den ersten Wagen zu dem Allmächtigen.

    Der Engel senkte seinen Blick und sprach demütig:
    «Heiliger Herr, heute sind besonders viele Bitten eingetroffen.» Und er dachte so bei sich:
    «Unglaublich, was sich die Menschen alles so von Gott wünschen! Da sind die simplen, eher materiell ausgerichteten Wünsche, wie:
    Ich möchte ein Haustier, ich wünsche mir eine neue Wohnung. Und dann die Wünsche nach Erfolg:
    Herr, schenk, dass ich die Prüfung bestehe, dass ich den Job bekomme. Und dann die Sehnsüchte, die sich widerspiegeln:
    Ich möchte endlich eine Frau finden, ein Kind bekommen. Und die Ängste und Nöte:
    Mach mich endlich wieder gesund! Greif ein, dass mein Elend endlich ein Ende findet.»

    Da blickte der Herr auf den Engel, dessen Gedanken er schon längst erraten hatte, und sprach:
    «So unglaublich viel ist es, was die Menschen von mir erhoffen! Und doch lässt sich nicht einfach alles so erfüllen – mit all ihren Wünschen würden die Menschen ein riesiges Chaos anrichten.»

    Dann schwieg der Herr. Aber der Engel sah das nachdenkliche Gesicht des Allmächtigen. Und er wagte eine Frage:
    «Welche der Gebete sind denn die schwierigsten?»

    Ohne Umschweife erwiderte der Herr:
    «Das sind die WARUM Fragen».

    «Warum, Gott, lässt du das zu? Warum beendest du diesen Krieg nicht? Warum musste mein Kind sterben? Warum hat mein Partner Krebs? Warum gibt es so viel Elend? Warum sind die Menschen so selbstsüchtig?»


    Gebete zu Weihnachten zu Weihnachtsgeschichte mit tieferen Sinn

    Der Engel wagte nichts darauf zu erwidern, zumal er im Inneren selbst dachte, dass da ja durchaus etwas Wahres daran sei.

    «Du kannst dies also den Menschen nachempfinden?» sprach Gott ihn an. Der Engel errötete sogleich vor Scham, überzeugt davon, dass man dem Handeln und Denken des Allmächtigen in keiner Weise zweifeln, geschweige denn widersprechen sollte.

    «Die Menschen», fuhr Gott fort, «sind faszinierende Wesen. Sie sind fähig, über sich selbst nachzudenken. Sie sind sich selbst bewusst, sie folgen nicht nur einfachen Bedürfnissen und Instinkten, sie können ihr Handeln planen, überdenken. Sie haben vom Baum der Erkenntnis gegessen - darum erkennen sie. Aber das bedeutet auch, dass sie Entscheidungen treffen müssen, die in irgendeiner Weise Folgen haben werden. Und das heißt, dass sie Verantwortung übernehmen müssen. Wenn sie dabei den wichtigsten Grundsatz perfekt in Ihre Entscheidungen mit einbeziehen könnten – «liebe deinen Nächsten so wie dich selbst» - dann würde das zu einem guten Zusammenleben zwischen den Menschen und der übrigen Natur führen. Wenn sie schon die Selbstverantwortung gewählt haben, dann täte es ihnen gut, sich an meine Grundsätze zu halten.»

    Nun wurde der Engel mutiger. Er wagte einzuwenden:
    «Nun ist es ja aber nicht so, dass alles auf die mangelnde Verantwortung des Menschen zurückgeführt werden kann…»

    «Ja, aber leider ist es sehr viel mehr, als es die Menschen wahrhaben wollen. Viel Elend ist menschengemacht - das meiste sogar – manches direkt und offensichtlich, etliches aber beruht grundsätzlich auf den weitreichenden Folgen von menschlichem Fehlverhalten».

    «Die Menschen sind ein Trauerspiel für diesen fantastischen Planeten!» entfuhr es dem Engel.

    «Du weißt,» fuhr Gott fort, «ein erster Ansatz, die entartete Menschheit mit einer drastischen Reduktion auf wenige rechtschaffende Menschen zu reduzieren, ist gründlich fehlgeschlagen. Ich habe so sehr darauf gehofft, dass die menschlichen Wesen meine Gemeinschaft suchen würden und sich besser entwickeln würden. Aber der zweite Versuch ist nun erfolgreicher!»

    Der Engel runzelte die Stirn und dachte für sich:
    «Das sieht aber nicht gerade danach aus…»

    «Du kennst die Geschichte. Ich bin selbst hingegangen – heute reden sie von Weihnachten. Ich habe mich in die Gestalt eines Menschen begeben und habe unter den Menschen gelebt und gelitten. Ich habe ihnen ein Vorbild gegeben, welches nicht wenige erfolgreich übernommen haben und noch immer übernehmen. Das hat vieles besser gemacht, aber vieles jedoch auch nicht.

    Menschen, Tiere, Pflanzen – ja alles Leben - ist endlich. Die Schöpfung erlebt Geburt und erleidet Tod. Schmerz und Krankheit sind Realität in der materiell gebundenen Welt. Aber mit meinem Kommen in ihre Welt haben ich ihnen das Tor zu meiner unvergänglichen Welt aufgestoßen. Ich bin durch ihren Tod hindurchgegangen und ins ewige Leben zurückgekehrt. Wer sich entscheidet, diesen Weg zu beschreiten, der bekommt ebenfalls Zugang zur immateriellen Ewigkeit. Für diese Menschen, die mich aufnehmen, ist Krankheit, Leiden und Tod noch immer die gleiche Realität wie für alle anderen auch. Aber das ist für sie nun nicht mehr das letzte Wort. Wer mir vertraut, wird leben, auch wenn er stirbt.»

    Eigentlich wusste der Engel ja dies alles. Dennoch fragte er sich, warum Gott denn nicht öfters ein Machtwort sprechen würde, um die Menschheit vor Schlimmerem zu bewahren.

    «Ich will, dass die Menschen aus freien Stücken mich lieben, meine Grundsätze bewahren und danach handeln. Das bedeutet auch, dass ich die Menschheit im Moment ein Stück weit sich selber überlassen muss – und nur traurig darauf warten kann, bis sie sich wieder mir zuwenden».

    Dann wandte sich Gott den riesigen Stapeln zu. Mit geübtem Auge zog er das eine oder andere Gebet zu sich und ließ es in Erfüllung gehen.

  3. #23
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    Die erste Zigarette
    oder
    Weihnachten ist erst morgen.


    von Egon Oetjen


    Weihnachten ist ja schon etwas Besonderes, jedenfalls für mich.
    Bis zum heutigen Tage ist der Heilige Abend etwas wunderbares für mich, nicht unbedingt der Geschenke wegen, nein, nein, dieser Tag überhaupt macht den Reiz aus.
    So war das auch schon Weihnachten 1953.
    Ich war nun ja gerade fünf Jahre alt und Heiligabend stand vor der Tür. Natürlich durfte ich ja nicht wissen, das es keinen Weihnachtsmann gab, also hatten wir Drei, dass heißt, meine beiden älteren Brüder und ich als kleiner Duddsack, die Wohnung, zu verlassen.
    Vater und Mutter schickten uns nach draußen, was bei dem kalten und feuchten Dezemberwetter eigentlich nur hieß, rein in den alten Schuppen.
    Darin waren wir jedenfalls so einigermaßen vor der nassen Kälte geschützt. Ein alter, zugiger Schuppen, in dem Brennmaterial wie Holz, Torf und Kohlen lagerte. Er bestand größtenteils aus zusammengenagelten Brettern und Blechtafeln, die aus alten Ölfässern hergestellt waren. Daher war das Ganze auch recht löchrig und der eisige Wind pfiff durch die Ritzen.
    In diesem Verschlag saßen wir drei Buben nun und warteten auf den Weihnachtsmann.
    Irgendwann wurde uns die ganze Geschichte zu langweilig und einer der beiden Großen kam auf die glorreiche Idee, irgendetwas nützliches zu machen.
    Ich weiß ja nun nicht, wie er gerade darauf kam, aber Rauchen ist bei Jungens ja immer angesagt. Die so genannte Zigarette sah dann aber eher aus wie eine Trompete. Außen zusammengerolltes Zeitungspapier und drinnen richtig guter Tabak, den die Beiden vom vielen Torfstreu, der dort auf dem Boden lag, "geerntet" hatten.
    Ich brauchte in meinem zarten Alter nur einen guten Zug an dieser "Zieh-garette", natürlich auf Lunge.
    Dann war Weihnachten für mich vorbei, denn erstens wurde eine neue Hose für mich benötigt und zweitens gab es gehörig welche vor den Hintern.
    Dieser Zug hatte bei mir eine durchschlagende Wirkung.
    Geschenke wurden dann übrigens erst am nächsten Tag verteilt.
    Da war der Weihnachtsmann allerdings schon lange nicht mehr da, aber zum Glück hatte er die Geschenke dagelassen.

  4. #24
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    Schöne Weihnachtsgeschichten.

    Die Adventszeit, es ist die Zeit für schöne Weihnachtsgeschichten.
    Unter dem Begriff "schön" mag jeder etwas anderes verstehen, doch diese -älteren- Erzählungen sind ganz bestimmt für viele Menschen genau das Richtige. Zu den langen Wochen, die wir mit der Vorbereitung auf das Fest und mit viel erwartungsvoller Freude verbringen, gehören Weihnachtsgeschichten unbedingt dazu.

    Schöne Erzählungen zur Weihnachtszeit stehen für eine harmonische Stimmung, eine wunderbare Fantasie und für glückliche Seufzer.
    Sie sorgen für leuchtende Augen, und dies nicht nur bei Kindern. Solche Geschichten werden gern selbst gelesen oder am besten sogar vorgelesen. So hat die ganze Familie Anteil an einer Atmosphäre, die das Herz mit warmer Freude erfüllt.
    Überhaupt ist das ein schöner Ritus:
    Jeden Tag am Abend, wenn die Familie zusammensitzt, gibt es eine neue schöne Geschichte. So findet jeder mit der Zeit seine neue Lieblings-Weihnachtsgeschichte.

    Ich verfolge in diesem Thread und die täglichen Zahlen "der Betrachter", es werden täglich immer mehr, deshalb bedanke mich für das Interesse.


    Es folgt eine Geschichte von "Theodor Storm", der in Husum geboren wurde.

    https://de.wikipedia.org/wiki/Theodor_Storm

    Diese Stadt sie liegt in Schleswig-Holstein an der Nordsee, sie wird auch:
    "Die graue Stadt am Meer" genannt, sie ist aber doch recht bunt !


    Da stand das Kind am Wege
    Autor: Theodor Storm

    Weihnachtabend kam heran. – Es war noch nachmittags, als Reinhard mit andern Studenten im Ratskeller am alten Eichentisch zusammensaß. Die Lampen an den Wänden waren angezündet, denn hier unten dämmerte es schon; aber die Gäste waren sparsam versammelt, die Kellner lehnten müßig an den Mauerpfeilern. In einem Winkel des Gewölbes saßen ein Geigenspieler und ein Zithermädchen mit feinen zigeunerhaften Zügen; sie hatten ihre Instrumente auf dem Schoße liegen und schienen teilnahmlos vor sich hinzusehen.
    Am Studententische knallte ein Champagnerpfropfen. "Trinke, mein böhmisch Liebchen!" rief ein junger Mann von junkerhaftem Äußern, indem er ein volles Glas zu dem Mädchen hinüberreichte.
    "Ich mag nicht", sagte sie, ohne ihre Stellung zu verändern.
    "So singe!" rief der Junker und warf ihr eine Silbermünze in den Schoß. Das Mädchen strich sich langsam mit den Fingern durch ihr schwarzes Haar, während der Geigenspieler ihr ins Ohr flüsterte; aber sie warf den Kopf zurück und stützte das Kinn auf ihre Zither. "Für den spiel ich nicht", sagte sie.
    Reinhard sprang mit dem Glase in der Hand auf und stellte sich vor sie.
    "Was willst du?" fragte sie trotzig.
    "Deine Augen sehn."
    "Was gehn dich meine Augen an?"
    Reinhard sah funkelnd auf sie nieder. "Ich weiß wohl, sie sind falsch!" – Sie legte ihre Wange in die flache Hand und sah ihn lauernd an. Reinhard hob sein Glas an den Mund. "Auf deine schönen, sündhaften Augen!" sagte er und trank.
    Sie lachte und warf den Kopf herum. "Gib!" sagte sie, und indem sie ihre schwarzen Augen in die seinen heftete, trank sie langsam den Rest. Dann griff sie einen Dreiklang und sang mit tiefer, leidenschaftlicher Stimme:
    Heute, nur heute
    Bin ich so schön;
    Morgen, ach morgen
    Muss alles vergehn!
    Nur diese Stunde
    Bist du noch mein;
    Sterben, ach sterben
    Soll ich allein.

    Während der Geigenspieler in raschem Tempo das Nachspiel einsetzte, gesellte sich ein neuer Ankömmling zu der Gruppe.
    "Ich wollte dich abholen, Reinhard", sagte er. "Du warst schon fort; aber das Christkind war bei dir eingekehrt."
    "Das Christkind?" sagte Reinhard, "das kommt nicht mehr zu mir."
    "Ei was! Dein ganzes Zimmer roch nach Tannenbaum und braunen Kuchen."
    Reinhard setzte das Glas aus der Hand und griff nach seiner Mütze.
    "Was willst du?" fragte das Mädchen.
    "Ich komme schon wieder."
    Sie runzelte die Stirn. "Bleib!" rief sie leise und sah ihn vertraulich an.
    Reinhard zögerte. "Ich kann nicht", sagte er.
    Sie stieß ihn lachend mit der Fußspitze. "Geh!" sagte sie. "Du taugst nichts; ihr taugt alle miteinander nichts." Und während sie sich abwandte, stieg Reinhard langsam die Kellertreppe hinauf.
    Draußen auf der Straße war es tiefe Dämmerung; er fühlte die frische Winterluft an seiner heißen Stirn. Hier und da fiel der helle Schein eines brennenden Tannenbaums aus den Fenstern, dann und wann hörte man von drinnen das Geräusch von kleinen Pfeifen und Blechtrompeten und dazwischen jubelnde Kinderstimmen. Scharen von Bettelkindern gingen von Haus zu Haus oder stiegen auf die Treppengeländer und suchten durch die Fenster einen Blick in die versagte Herrlichkeit zu gewinnen. Mitunter wurde auch eine Tür plötzlich aufgerissen, und scheltende Stimmen trieben einen ganzen Schwarm solcher kleinen Gäste aus dem hellen Hause auf die dunkle Gasse hinaus; anderswo wurde auf dem Hausflur ein altes Weihnachtslied gesungen; es waren klare Mädchenstimmen darunter. Reinhard hörte sie nicht, er ging rasch an allem vorüber, aus einer Straße in die andere. Als er an seine Wohnung gekommen, war es fast völlig dunkel geworden; er stolperte die Treppe hinauf und trat in seine Stube. Ein süßer Duft schlug ihm entgegen; das heimelte ihn an, das roch wie zu Haus der Mutter Weihnachtsstube. Mit zitternder Hand zündete er sein Licht an; da lag ein mächtiges Paket auf dem Tisch, und als er es öffnete, fielen die wohlbekannten braunen Festkuchen heraus; auf einigen waren die Anfangsbuchstaben seines Namens in Zucker ausgestreut; das konnte niemand anders als Elisabeth getan haben. Dann kam ein Päckchen mit feiner gestickter Wäsche zum Vorschein, Tücher und Manschetten, zuletzt Briefe von der Mutter und von Elisabeth.
    Reinhard öffnete zuerst den letzteren; Elisabeth schrieb:
    "Die schönen Zuckerbuchstaben können Dir wohl erzählen, wer bei den Kuchen mitgeholfen hat; dieselbe Person hat die Manschetten für Dich gestickt. Bei uns wird es nun Weihnachtabend sehr still werden; meine Mutter stellt immer schon um halb zehn ihr Spinnrad in die Ecke; es ist gar so einsam diesen Winter, wo Du nicht hier bist. Nun ist auch vorigen Sonntag der Hänfling gestorben, den Du mir geschenkt hattest; ich habe sehr geweint, aber ich hab ihn doch immer gut gewartet. Der sang sonst immer nachmittags, wenn die Sonne auf sein Bauer schien; Du weißt, die Mutter hing oft ein Tuch über, um ihn zu geschweigen, wenn er so recht aus Kräften sang. Da ist es nun noch stiller in der Kammer, nur daß Dein alter Freund Erich uns jetzt mitunter besucht. Du sagtest einmal, er sähe seinem braunen Überrock ähnlich. Daran muß ich nun immer denken, wenn er zur Tür hereinkommt, und es ist gar zu komisch; sag es aber nicht zur Mutter, sie wird dann leicht verdrießlich. – Rat, was ich Deiner Mutter zu Weihnachten schenke! Du rätst es nicht? Mich selber! Der Erich zeichnet mich in schwarzer Kreide; ich habe ihm schon dreimal sitzen müssen, jedesmal eine ganze Stunde. Es war mir recht zuwider, dass der fremde Mensch mein Gesicht so auswendig lernte. Ich wollte auch nicht, aber die Mutter redete mir zu; sie sagte, es würde der guten Frau Werner eine gar große Freude machen.
    Aber Du hältst nicht Wort, Reinhard. Du hast keine Märchen geschickt. Ich habe Dich oft bei Deiner Mutter verklagt; sie sagt dann immer, Du habest jetzt mehr zu tun als solche Kindereien. Ich glaub es aber nicht; es ist wohl anders."
    Nun las Reinhard auch den Brief seiner Mutter, und als er beide Briefe gelesen und langsam wieder zusammengefaltet und weggelegt hatte, überfiel ihn unerbittliches Heimweh. Er ging eine Zeitlang in seinem Zimmer auf und nieder; er sprach leise und dann halb verständlich zu sich selbst:
    Er wäre fast verirret
    Und wusste nicht hinaus;
    Da stand das Kind am Wege
    Und winkte ihm nach Haus!

    Dann trat er an sein Pult, nahm einiges Geld heraus und ging wieder auf die Straße hinab. – Hier war es mittlerweile stiller geworden; die Weihnachtsbäume waren ausgebrannt, die Umzüge der Kinder hatten aufgehört. Der Wind fegte durch die einsamen Straßen; Alte und Junge saßen in ihren Häusern familienweise zusammen; der zweite Abschnitt des Weihnachtabends hatte begonnen. –
    Als Reinhard in die Nähe des Ratskellers kam, hörte er aus der Tiefe herauf Geigenstrich und den Gesang des Zithermädchens; nun klingelte unten die Kellertür, und eine dunkle Gestalt schwankte die breite, matt erleuchtete Treppe herauf. Reinhard trat in den Häuserschatten und ging dann rasch vorüber. Nach einer Weile erreichte er den erleuchteten Laden eines Juweliers; und nachdem er hier ein kleines Kreuz von roten Korallen eingehandelt hatte, ging er auf demselben Wege, den er gekommen war, wieder zurück.
    Nicht weit von seiner Wohnung bemerkte er ein kleines, in klägliche Lumpen gehülltes Mädchen an einer hohen Haustür stehen, in vergeblicher Bemühung, sie zu öffnen. "Soll ich dir helfen?" sagte er. Das Kind erwiderte nichts, ließ aber die schwere Türklinke fahren. Reinhard hatte schon die Tür geöffnet. "Nein", sagte er, "sie könnten dich hinausjagen; komm mit mir! Ich will dir Weihnachtskuchen geben." Dann machte er die Tür wieder zu und fasste das kleine Mädchen an der Hand, das stillschweigend mit ihm in seine Wohnung ging.
    Er hatte das Licht beim Weggehen brennen lassen. "Hier hast du Kuchen", sagte er und gab ihr die Hälfte seines ganzen Schatzes in ihre Schürze, nur keine mit den Zuckerbuchstaben. "Nun geh nach Hause und gib deiner Mutter auch davon." Das Kind sah mit einem scheuen Blick zu ihm hinauf; es schien solcher Freundlichkeit ungewohnt und nichts darauf erwidern zu können. Reinhard machte die Tür auf und leuchtete ihr, und nun flog die Kleine wie ein Vogel mit ihren Kuchen die Treppe hinab und zum Hause hinaus.
    Reinhard schürte das Feuer in seinem Ofen an und stellte das bestaubte Tintenfass auf seinen Tisch; dann setzte er sich hin und schrieb, und schrieb die ganze Nacht Briefe an seine Mutter, an Elisabeth. Der Rest der Weihnachtskuchen lag unberührt neben ihm; aber die Manschetten von Elisabeth hatte er angeknüpft, was sich gar wunderlich zu seinem weißen Flausrock ausnahm. So saß er noch, als die Wintersonne auf die gefrorenen Fensterscheiben fiel und ihm gegenüber im Spiegel ein blasses, ernstes Antlitz zeigte.

  5. #25
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    Eine seltsame Geschichte
    von Heidi Subera


    Als der kleine Martin am Sonntag morgen aufwachte und sich umschaute, war irgendwas ganz komisch.
    In seinem Zimmer stimmte etwas nicht. Er konnte aber nicht sagen, was es war.
    Die Spielzeugkiste war an ihrem Platz und die Eisenbahn stand auch noch auf ihren Schienen. Seltsam. Martin setzte sich auf und blickte noch einmal rund herum. Er konnte nichts entdecken. Da auf dem Regal neben dem Bett hatte er wie immer seine Stofftiere aufgereiht.
    Moment mal!
    Saßen die nicht anders als gestern Abend? Martin kniff die Augen zu und machte sie wieder auf. Es war alles genau so wie vor einem Augenblick. Er kletterte aus dem Bett und lugte vorsichtig darunter.
    Heh! Was war denn das?
    Da lagen lauter Papierschnitzel unter dem Bett und ein kleiner Stoffesel war auch auf den Boden gefallen!
    ' Ich habe das aber nicht gemacht ' dachte Martin bei sich. Er holte schnell seinen Papierkorb, sammelte die Schnipsel ein und setzte den Esel wieder auf das Regal. Dann zog er seine blaue Hose und sein rotes T-Shirt an. Das konnte er schon, er war ja schon ein großer Junge. Immerhin schon fünf Jahre, drei Monate und zehn Tage.
    Martin warf noch einen kurzen Blick zu den Stofftieren. Er war sich sicher, sie saßen anders als gestern!
    Schnell schlüpfte er in seine Turnschuhe und lief aus dem Zimmer, die Stufen hinunter und in die Küche. Seine große Schwester und die Mutter waren schon auf. Die Mutter kochte Kaffee und Kakao, Karin, so hieß seine Schwester, strich Butter auf die Frühstücksbrötchen, die herrlich dufteten.
    "Schön, dass du schon auf bist" sagte die Mutter. "Das Frühstück ist schon fertig".
    Martin setzte sich zum Tisch, der schon gedeckt war.
    "Du, Mutti, hast du heute in der Nacht nichts gehört? " begann Karin. "Da hat irgendwas einen ziemlichen Lärm gemacht"
    "Wie meinst du das?" fragte die Mutter. "Was für einen Lärm?"
    "Ich weiß es auch nicht, aber zuerst hat es gekratzt und dann gescheppert" antwortete Karin.
    " Und bei mir unter dem Bett sind gaaanz viele Papierschnipsel gelegen. Ich hab sie aber schon weggeräumt!" krähte Martin dazwischen.
    " Ehrlich, Mutti, ich war das nicht!"
    Die Mutter meinte, sie hätte nichts gehört. "Im Gegenteil, ich habe heute sehr gut geschlafen." sagte sie. "Aber wir werden Papa fragen, wenn er aufgestanden ist".
    Kurz darauf erschien der Vater in der Küche.
    "Ich habe einen Bärenhunger, ich könnte ein ganzes Wildschwein aufessen" rief er.
    Die Mutter goss Kaffee in eine Tasse und servierte ihn dem Vater zusammen mit einem frischen Brötchen.
    "Hmmm, wie gut das riecht, einfach köstlich. Kann ich bitte etwas Marmelade haben? Auf diesen Brötchen brauche ich unbedingt Marmelade ".
    Sein Vater ließ sich das Frühstück schmecken. Nachdem alle gegessen hatten, räumte die Mutter den Tisch ab, Karin wusch das Geschirr und der Vater griff sich die Zeitung. Gerade als er zu lesen beginnen wollte, zupfte ihn Martin am Ärmel:
    "Papa, hast du heute Nacht nichts gehört?" fragte er. "Nein" antwortete der Vater, "eigentlich nicht,... doch!
    Da hat mich einmal ein Geräusch geweckt. Es war ein Kratzen. Hat sich angehört, als wollte die Katze in dein Zimmer".
    " Nein, das kann nicht stimmen, weil die Katze heute Nacht bei mir geschlafen hat" sagte Karin.
    "Ich weiß, du willst es nicht, Mutti, aber was hätte ich denn tun sollen. Sie hat so laut miaut, da habe ich sie rein gelassen".
    "Ist ja auch egal, wird schon irgendwas gewesen sein.", meinte der Vater. "Geht spielen, aber macht nicht so viel Lärm, heute ist Sonntag!"
    Als Martin wieder in sein Zimmer kam, schaute er als erstes unter sein Bett. Als er nichts Verdächtiges feststellen konnte, begann er die Eisenbahn aufzubauen. Ein Bahnhof musste her und die Brücke, dann stellte er Bäume dazu und einen Zaun. Hinter dem Zaun platzierte er ein paar Pferde, Kühe waren auch dabei und ein Bauernhof mit Traktoren, Anhänger und allem, was halt so zu einem Bauernhof gehört. Martin ließ Autos fahren, der Zug fuhr in den Bahnhof ein, in Martins Phantasie stiegen Leute ein, andere wiederum aus. Der Schaffner pfiff auf seiner Trillerpfeife und der Zug setzte sich wieder in Bewegung.
    Martin war so in sein Spiel vertieft, dass er nicht bemerkte, dass etwas blitzschnell durch sein Zimmer vom Regal in Richtung Fenster huschte. Was das wohl war?
    Der kleine Junge sah erst von seinem Spiel auf, als die Mutter zum Mittagessen rief.
    "Was, so spät ist es schon wieder?" rief er ." Ich komme gleich, Mutti". Schnell räumte er seine Spielsachen weg, stellte die Autos samt Schachtel auf das Regal.
    Was war das? Da lagen ja schon wieder Papierschnipsel auf dem Boden! Martin verstand die Welt nicht mehr. ' Ich habe doch alle Papierschnipsel weggeräumt und in den Papierkorb getan.' dachte Martin. Er guckte im Papierkorb nach. Da waren aber keine Schnipsel mehr drinnen.
    "Mutti, bitte komm schnell in mein Zimmer, da ist was echt Komisches!" rief Martin. Als die Mutter in sein Zimmer kam, war Martin ganz aufgeregt. "Heute Morgen ist ein Stofftier am Boden gelegen und unter dem Bett waren lauter Papierschnipsel. Hab ich aber alles aufgeräumt, ehrlich! Und jetzt sind schon wieder welche da. Schau! Die Schnipsel, die ich weggeworfen habe, sind nicht mehr im Papierkorb, die liegen schon wieder am Boden!" Die Mutter zog die Augenbrauen in die Höhe und warf ihrem Sohn einen strengen Blick zu.
    "Martin, für so einen Unfug ist mir die Zeit zu schade. Ich habe auch noch was anderes zu tun, als mir solche Geschichten anzuhören. "Aber es stimmt!" beteuerte Martin. "Ich habe gestern Abend ja gar kein Papier gebraucht. Mit den Stofftieren habe ich auch nicht gespielt und trotzdem ist eines am Boden gelegen."
    "In Ordnung. Lass es gut sein. Ach Martin, würdest du bitte dein Fenster schließen? Es ist mittlerweile doch schon ziemlich herbstlich."
    Die Mutter lächelte ihrem Kind zu und ging wieder in die Küche, um die Jause vorzubereiten. Martin war sehr verwundert, er war sich jetzt gar nicht mehr so sicher, ob er nicht doch mit den Stofftieren gespielt, oder etwas aus Papierresten gebastelt hatte. Nein, das wüsste er doch. Kopfschüttelnd ging auch er in die Küche.
    Etwas später kam der Vater vom Garten zurück.
    "Stellt euch vor, was ich draußen gesehen habe." sagte er und machte ein geheimnisvolles Gesicht. Martin guckte ihn ganz neugierig an:
    "Sag schon, was hast du denn gesehen, bitte, ich bin schon so neugierig!" bettelte Martin.
    "Ihr wisst ja, dass schon sehr viele Blätter von den Bäumen gefallen sind. Der wilde Wein, der an unserer Mauer hoch wächst, ist auch schon ziemlich nackt. Na, ich war gerade dabei, das Laub zusammen zu rechen, da habe ich an der Hauswand, wo der Wein ist, ein Rascheln gehört. Was glaubt ihr, habe ich gesehen? Ein Eichhörnchen! Es ist da herum geklettert, es hat so ausgesehen, als wollte es in dein Zimmer, Martin."
    "Echt, ein Eichhörnchen?" rief Martin begeistert.
    "Wollte es wirklich in mein Zimmer?" "Na, ja, es hat jedenfalls so ausgesehen." antwortete der Vater.
    "Moment mal," mischte sich die Mutter ein, "das würde die seltsamen Dinge in Martins Zimmer erklären. Martin hat heute Morgen lauter Papierschnipsel auf dem Boden gefunden. Das Fenster war auch offen. Könnte es sein, dass...?
    "Der Vater nickte nachdenklich. " Dass es hinein geklettert ist? Das wäre natürlich möglich. Da wir die Eichhörnchen bis jetzt ja nie in irgendeiner Weise erschreckt haben, sind sie auch nicht besonders ängstlich. Natürlich ist so was ungewöhnlich, könnte aber durchaus sein."
    "Toll" rief Martin. Er fand den Gedanken, ein Eichhörnchen in seinem Zimmer zu haben, irrsinnig aufregend. Ob man so ein Tierchen wohl als Haustier haben könnte?
    Martin muss wohl so einen Ausdruck in seinem Gesicht gehabt haben, denn in diesem Augenblick sagte der Vater:
    " Martin, so ein Eichhörnchen ist kein Kuscheltier, weißt du? Man kann ein Tier, welches die Freiheit gewohnt ist, nicht in einen Käfig sperren, das würde es sehr unglücklich machen" Martin verzog das Gesicht. " Ich hab ja gar nichts gesagt, Papa, aber lustig wäre es schon."
    Man kam zu dem Entschluss, dass man das Fenster in Martins Zimmer über Nacht wieder öffnen würde, ein paar Nüsse auf den Boden legen und am Morgen, wenn die Nüsse fort wären, hätte man Gewissheit, dass es das Eichhörnchen war, welches die Unordnung veranstaltet hatte.
    Genau so geschah es dann auch.
    Am Abend, als es Schlafenszeit war, deponierte Martin einige Nüsse auf dem Boden, öffnete das Fenster, nur einen Spalt, gerade so weit, dass ein Eichhörnchen durch schlüpfen konnte und legte sich schlafen. Am nächsten Morgen, als Martin aufwachte, schaute er sofort nach, ob die Nüsse noch da waren. Und wirklich! Alle Nüsse waren verschwunden! Martin freute sich. Hatte er doch schon gedacht, irgend ein Kobold hätte in seinem Zimmer Quartier bezogen und ihm einen Streich gespielt. Er seufzte erleichtert auf.
    Gleich beim Frühstück erzählte er den Eltern, dass alle Nüsse weg waren. "Na, dann hätten wir ja den Missetäter entlarvt." stellte der Vater fest.
    Alle mussten lachen, weil so eine seltsame Sache passierte nicht alle Tage.
    Von da an legte Martin jeden Abend einige Nüsse auf sein Fensterbrett, damit das Eichhörnchen sie mitnehmen konnte. Das Fenster allerdings machte er fortan immer zu... !

  6. #26
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    Die Leihgabe

    von Wolfdietrich Schnurre


    Am meisten hat Vater sich jedesmal zu Weihnachten Mühe gegeben. Da fiel es uns allerdings auch besonders schwer, drüber wegzukommen, dass wir arbeitslos waren. Andere Feiertage, die beging man, oder man beging sie nicht; aber auf Weihnachten lebte man zu, und war es erst da, dann hielt man es fest; und die Schaufenster, die brachten es ja oft noch nicht mal im Januar fertig, sich von ihren Schokoladenweihnachtsmännern zu trennen.
    Mir hatten es vor allem die Zwerge und Kasperles angetan. War Vater dabei, sah ich weg; aber das fiel mehr auf, als wenn man hingesehen hätte; und so fing ich dann allmählich doch wieder an, in die Läden zu gucken.
    Vater war auch nicht gerade unempfindlich gegen die Schaufensterauslagen, er konnte sich nur besser beherrschen. Weihnachten, sagte er, wäre das Fest der Freude; das Entscheidende wäre jetzt nämlich: nicht traurig zu sein, auch dann nicht, wenn man kein Geld hätte.
    "Die meisten Leute", sagte Vater, "sind bloß am ersten und zweiten Feiertag fröhlich vielleicht nachher zu Silvester noch mal. Das genügt aber nicht; man muss mindestens schon einen Monat vorher mit Fröhlichsein anfangen. Zu Silvester", sagte Vater, "da kannst du dann getrost wieder traurig sein; denn es ist nie schön, wenn ein Jahr einfach so weggeht. Nur jetzt, so vor Weihnachten, da ist es unangebracht, traurig zu sein."
    Vater selber gab sich auch immer große Mühe, nicht traurig zu sein um diese Zeit; doch er hatte es aus irgendeinem Grund da schwerer als ich; wahrscheinlich deshalb, weil er keinen Vater mehr hatte, der ihm dasselbe sagen konnte, was er mir immer sagte. Es wäre bestimmt auch alles leichter gewesen, hätte Vater noch seine Stelle gehabt. Er hätte jetzt sogar wieder als Hilfspräparator gearbeitet; aber sie brauchten keine Hilfspräparatoren im Augenblick. Der Direktor hatte gesagt, aufhalten im Museum könnte Vater sich gern, aber mit Arbeit müsste er warten, bis bessere Zeiten kämen.
    "Und wann, meinen Sie, ist das?" hatte Vater gefragt.
    "Ich möchte Ihnen nicht weh tun", hatte der Direktor gesagt.
    Frieda hatte mehr Glück gehabt; sie war in einer Großdestille am Alexanderplatz als Küchenhilfe eingestellt worden und war dort auch gleich in Logis. Uns war es ganz angenehm, nicht dauernd mit ihr zusammenzusein; sie war jetzt, wo wir uns nur mittags und abends mal sahen, viel netter.
    Aber im Grunde lebten auch wir nicht schlecht. Denn Frieda versorgte uns reichlich mit Essen, und war es zu Hause zu kalt, dann gingen wir ins Museum rüber; und wenn wir uns alles angesehen hatten, lehnten wir uns unter dem Dinosauriergerippe an die Heizung, sahen aus dem Fenster oder fingen mit dem Museumswärter ein Gespräch über Kaninchenzucht an.
    An sich war das Jahr also durchaus dazu angetan, in Ruhe und Beschaulichkeit zu Ende gebracht zu werden. Wenn Vater sich nur nicht solche Sorge um einen Weihnachtsbaum gemacht hätte.
    Es kam ganz plötzlich.
    Wir hatten eben Frieda aus der Destille abgeholt und sie nach Hause gebracht und uns hingelegt, da klappte Vater den Band "Brehms Tierleben" zu, in dem er abends immer noch las, und fragte zu mir rüber:
    "Schläfst du schon?"
    "Nein", sagte ich, denn es war zu kalt zum Schlafen.
    "Mir fällt eben ein", sagte Vater, "wir brauchen ja einen Weihnachtsbaum."
    Er machte eine Pause und wartete meine Antwort ab.
    "Findest du?" sagte ich.
    "Ja", sagte Vater, "und zwar so einen richtigen, schönen; nicht so einen murkligen, der schon umkippt, wenn man bloß mal eine Walnuss dranhängt."
    Bei dem Wort Walnuss richtete ich mich auf. Ob man nicht vielleicht auch ein paar Lebkuchen kriegen könnte zum Dranhägen?
    Vater räusperte sich. "Gott -", sagte er, "warum nicht; mal mit Frieda reden."
    "Vielleicht", sagte ich, "kennt Frieda auch gleich jemand, der uns einen Baum schenkt."
    Vater bezweifelte das. Außerdem: so einen Baum, wie er ihn sich vorstellte, den verschenkte niemand, der wäre ein Reichtum, ein Schatz wäre der.
    Ob er vielleicht ein Mark wert wäre, fragte ich.
    "Eine Mark -?!" Vater blies verächtlich die Luft durch die Nase: "Mindestens zwei."
    "Und wo gibt's ihn?"
    "Siehst du", sagte Vater, "das überleg' ich auch gerade."
    "Aber wir können ihn doch gar nicht kaufen", sagte ich; "zwei Mark: wo willst du die denn jetzt hernehmen?"
    Vater hob die Petroleumlampe auf und sah sich im Zimmer um. Ich wusste, er überlegte, ob sich vielleicht noch was ins Leihhaus bringen ließe; es war aber schon alles drin, sogar das Grammophon, bei dem ich so geheult hatte, als der Kerl hinter dem Gitter mit ihm weggeschlurft war.
    Vater stellte die Lampe wieder zurück und räusperte sich. "Schlaf mal erst; ich werde mir den Fall durch den Kopf gehen lassen."
    In der nächsten Zeit drückten wir uns bloß immer an den Weihnachtsbaumverkaufsständen herum. Baum auf Baum bekam Beine und lief weg; aber wir hatten noch immer keinen.
    "Ob man nicht doch -?" fragte ich am fünften Tag, als wir gerade wieder im Museum unter dem Dinosauriergerippe an der Heizung lehnten.
    "Ob man was?" fragte Vater scharf.
    "Ich meine, ob man nicht doch versuchen sollte, einen gewöhnlichen Baum zu kriegen?"
    "Bist du verrückt?!" Vater war empört. "Vielleicht so einen Kohlstrunk, bei dem man nachher nicht weiß, soll es ein Handfeger oder eine Zahnbürste sein.? Kommt gar nicht in Frage."
    Doch was half es; Weihnachten kam näher und näher. Anfangs waren die Christbaumwälder in den Straßen noch aufgefüllt worden; aber allmählich lichteten sie sich, und eines Nachmittags waren wir Zeuge, wie der fetteste Christbaumverkäufer vom Alex, der Kraftriemen-Jimmy, sein letztes Bäumchen, ein wahres Streichholz von einem Baum, für drei Mark fünfzig verkaufte, aufs Geld spuckte, sich aufs Rad schwang und wegfuhr.
    Nun fingen wir doch an traurig zu werden. Nicht schlimm; aber immerhin, es genügte, dass Frieda die Brauen noch mehr zusammenzog, als sie es sonst schon zu tun pflegte, und dass sie uns fragte, was wir denn hätten.
    Wir hatten uns zwar daran gewöhnt, unseren Kummer für uns zu behalten, doch diesmal nicht; und Vater erzählte es ihr.
    Frieda hörte aufmerksam zu. "Das ist alles?"
    Wir nickten.
    "Ihr seid aber komisch", sagte Frieda; "wieso geht ihr denn nicht einfach in den Grunewald, einen klauen?"
    Ich habe Vater schon häufig empört gesehen, aber so empört wie an diesem Abend noch nie.
    Er war kreidebleich geworden. "Ist das dein Ernst?" fragte er heiser.
    Frieda war sehr erstaunt. "Logisch", sagte sie; "das machen doch alle."
    "Alle -!" echote Vater dumpf, "alle -!" Er erhob sich steif und nahm mich bei der Hand.
    "Du gestattest wohl", sagte er darauf zu Frieda, "dass ich erst den Jungen nach Hause bringe, ehe ich dir hierauf die gebührende Antwort erteile."
    Er hat sie ihr niemals erteilt. Frieda war vernünftig; sie tat so, als ginge sie auf Vaters Zimperlichkeit ein, und am nächsten Tag entschuldigte sie sich.
    Doch was nützte das alles; einen Baum, gar einen Staatsbaum, wie Vater ihn sich vorstellte, hatten wir deshalb noch lange nicht.
    Aber dann - es war der 23. Dezember, und wir hatten eben wieder unseren Stammplatz unter dem Dinosauriergerippe bezogen - hatte Vater die große Erleuchtung.
    "Haben Sie einen Spaten?" fragte er den Museumswärter, der neben uns auf seinem Klappstuhl eingenickt war.
    "Was?!" rief der und fuhr auf, "was habe ich?!"
    "Einen Spaten, Mann", sagte Vater ungeduldig; "ob Sie einen Spaten haben."
    Ja, den hätte er schon.
    Ich sah unsicher an Vater empor. Er sah jedoch leidlich normal aus; nur sein Blick schien mir eine Spur unsteter zu sein als sonst.
    "Gut", sagte er jetzt; "wir kommen heute mit zu Ihnen nach Hause, und Sie borgen ihn uns."
    Was er vorhatte, erfuhr ich erst in der Nacht.
    "Los", sagte Vater und schüttelte mich, "steh auf."
    Ich kroch schlaftrunken über das Bettgitter.
    "Was ist denn bloß los?"
    "Pass auf", sagte Vater und blieb vor mir stehen:
    "Einen Baum stehlen, das ist gemein; aber sich einen borgen, das geht."
    "Borgen -?" fragte ich blinzelnd.
    "Ja", sagte Vater.
    "Wir gehen jetzt in den Friedrichshain und graben eine Blautanne aus. Zu Hause stellen wir sie in die Wanne mit Wasser, feiern morgen dann Weihnachten mit ihr, und nachher pflanzen wir sie wieder am selben Platz ein. Na -?" Er sah mich durchdringend an.
    "Eine wunderbare Idee", sagte ich.
    Summend und pfeifend gingen wir los; Vater den Spaten auf dem Rücken, ich einen Sack unter dem Arm.
    Hin und wieder hörte Vater auf zu pfeifen, und wir sangen zweistimmig...
    "Morgen, Kinder, wird's was geben" und "Vom Himmel hoch, da komm' ich her".
    Wie immer bei solchen Liedern, hatte Vater Tränen in den Augen, und auch mir war schon ganz feierlich zumute.
    Dann tauchte vor uns der Friedrichshain auf, und wir schwiegen.
    Die Blautanne, auf die Vater es abgesehen hatte, stand inmitten eines strohgedeckten Rosenrondells.
    Sie war gut anderthalb Meter hoch und ein Muster an ebenmäßigem Wuchs.
    Da der Boden nur dicht unter der Oberfläche gefroren war, dauerte es auch gar nicht lange, und Vater hatte die Wurzeln freigelegt. Behutsam kippten wir den Baum darauf um, schoben ihn mit den Wurzeln in den Sack, Vater hing seine Joppe über das Ende, das raussah, wir schippten das Loch zu, Stroh wurde drübergestreut, Vater lud sich den Baum auf die Schulter, und wir gingen nach Hause. Hier füllten wir die große Zinkwanne mit Wasser und stellten den Baum rein.
    Als ich am nächsten Morgen aufwachte, waren Vater und Frieda schon dabei, ihn zu schmücken.
    Er war jetzt mit Hilfe einer Schnur an der Decke befestigt, und Frieda hatte aus Stanniolpapier allerlei Sterne geschnitten, die sie an seinen Zweigen aufhängte; sie sah sehr hübsch aus. Auch einige Lebkuchenmänner sah ich hängen. Ich wollte den beiden den Spaß nicht verderben; daher tat ich so, als schliefe ich noch.
    Dabei überlegte ich mir, wie ich mich für ihre Nettigkeit revanchieren könnte.
    Schließlich fiel es mir ein:
    Vater hatte sich einen Weihnachtsbaum geborgt, warum sollte ich es nicht fertigbringen, mir über die Feiertage unser verpfändetes Grammophon auszuleihen?
    Ich tat also, als wachte ich eben erst auf, bejubelte vorschriftsmäßig den Baum, und dann zog ich mich an und ging los.
    Der Pfandleiher war ein furchtbarer Mensch, schon als wir zum erstenmal bei ihm gewesen waren und Vater ihm seinen Mantel gegeben hatte, hätte ich dem Kerl sonst was zufügen mögen; aber jetzt musste man freundlich zu ihm sein.
    Ich gab mir auch große Mühe. Ich erzählte ihm was von zwei Großmüttern und "gerade zu Weihnachten" und "letzter Freude auf alte Tage" und so, und plötzlich holte der Pfandleiher aus und haute mir eine herunter und sagte ganz ruhig:
    "Wie oft du sonst schwindelst, ist mir egal; aber zu Weihnachten wird die Wahrheit gesagt, verstanden?"
    Darauf schlurfte er in den Nebenraum und brachte das Grammophon an. "Aber wehe, ihr macht was an ihm kaputt! Und nur für drei Tage! Und auch bloß, weil du's bist!"
    Ich machte einen Diener, dass ich mir fast die Stirn an der Kniescheibe stieß; dann nahm ich den Kasten unter den einen, den Trichter unter den anderen Arm und rannte nach Hause.
    Ich versteckte beides erst mal in der Waschküche. Frieda allerdings musste ich einweihen, denn die hatte die Platten; aber Frieda hielt dicht.
    Mittags hatte uns Friedas Chef, der Destillenwirt, eingeladen.
    Es gab eine tadellose Nudelsuppe, anschließend Kartoffelbrei mit Gänseklein. Wir aßen, bis wir uns kaum noch erkannten; darauf gingen wir, um Kohlen zu sparen, noch ein bisschen ins Museum zum Dinosauriergerippe; und am Nachmittag kam Frieda und holte uns ab.
    Zu Hause wurde geheizt. Dann packte Frieda eine Riesenschüssel voll übriggebliebenem Gänseklein, drei Flaschen Rotwein und einen Quadratmeter Bienenstich aus, Vater legte für mich seinen Band "Brehms Tierleben" auf den Tisch, und im nächsten unbewachten Augenblick lief ich in die Waschküche runter, holte das Grammophon rauf und sagte Vater, er sollte sich umdrehen.
    Er gehorchte auch;
    Frieda legte die Platten raus und steckte die Lichter an, und ich machte den Trichter fest und zog das Grammophon auf.
    "Moment", sagte ich; "dieser verdammte Trichter - denkst du, ich krieg' das Ding fest?"
    Frieda hüstelte.
    "Was denn für einen Trichter?" fragte Vater.
    Aber da ging es schon los. Es war "Ihr Kinderlein kommet",; es knarrte zwar etwas, und die Platte hatte wohl auch einen Sprung, aber das machte nichts. Frieda und ich sangen mit, und da drehte Vater sich um.
    Er schluckte erst und zupfte sich an der Nase, aber dann räusperte er sich und sang auch mit.
    Als die Platte zu Ende war, schüttelten wir uns die Hände, und ich erzählte Vater, wie ich das mit dem Grammophon gemacht hätte.
    Er war begeistert.
    "Na -?" sagte er nur immer wieder zu Frieda und nickte dabei zu mir rüber: "na -?"
    Es wurde ein sehr schöner Weihnachtsabend. Erst sangen und spielten wir die Platten durch; dann spielten wir sie noch mal ohne Gesang; dann sang Frieda noch mal alle Platten allein; dann sang sie mit Vater noch mal, und dann aßen wir und tranken den Wein aus, und darauf machten wir noch ein bisschen Musik; dann brachten wir Frieda nach Hause und legten uns auch hin.
    Am nächsten Morgen blieb der Baum noch aufgeputzt stehen.
    Ich durfte liegenbleiben, und Vater machte den ganzen Tag Grammophonmusik und pfiff zweite Stimme dazu.
    Dann, in der folgenden Nacht, nahmen wir den Baum aus der Wanne, steckten ihn, noch mit den Stanniolpapiersternen geschmückt, in den Sack und brachten ihn zurück in den Friedrichshain.
    Hier pflanzten wir ihn wieder in sein Rosenrondell. Darauf traten wir die Erde fest und gingen nach Hause.
    Am Morgen brachte ich dann auch das Grammophon weg.
    Den Baum haben wir noch häufig besucht; er ist wieder angewachsen. Die Stanniolpapiersterne hingen noch eine ganze Weile in seinen Zweigen, einige sogar bis in den Frühling.
    Vor ein paar Monaten habe ich mir den Baum wieder mal angesehen.
    Er ist jetzt gute zwei Stock hoch und hat den Umfang eines mittleren Fabrikschornsteins.
    Es mutet merkwürdig an, sich vorzustellen, dass wir ihn mal zu Gast in unserer Wohnküche hatten.

  7. #27
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    Die Weihnachtsgans
    von Marie Branowitzer-Rodler


    In einem Vorort von Flensburg lebten in der hungrigen Zeit nach dem Krieg zwei nette alte Frauen.
    Damals war es noch bannig schwer, für Weihnachten einen Festbraten zu kriegen. Nun hatte aber eine der beiden Frauen die Möglichkeit, bei einem Bauern für Zeug eine magere aber springlebendige Gans umzutauschen. In einem Korb verpackt, brachte Fräulein Agathe das Tier nach Hause. Und sofort fingen sie und ihre Schwester an, auf die Gans aufzupassen und sie zu mästen.
    Die beiden Frauen hatten eine Wohnung zur Miete im zweiten Stock. Und keiner im Haus wusste, dass in einer der Stuben der Schwestern ein Federvieh hauste, das verwöhnt, gefüttert und großzügig aufgezogen wurde.
    Agathe und Emma nahmen sich vor, keinem Menschen etwas davon zu sagen. Und das aus zwei Gründen:
    erstens gibt es neidische Leute, die sich keine Gans leisten konnten, und zweitens wollten die Frauen um nichts in der Welt die Gans, wenn sie dick und fett und fein gebraten ist, mit näheren Verwandten teilen.
    Darum hatten die beiden in den sechs Wochen bis zu dem 24. Dezember auch keinen Besuch mehr.
    Sie lebten nun bloß noch für die Gans. Und so kam dann der Morgen des 23. Dezember heran.
    Es war ein klarer, feiner Wintertag. Die ahnungslose Gans stolzierte vergnügt herum - ihren Korb in der Küche nahe der Schlafstube der beiden Schwestern - und war ordentlich am Schnattern. Die beiden Frauen mochten sich nicht anschauen.
    Nicht, dass sie böse aufeinander waren, das natürlich nicht. Nein, nun war die Frage, wer die Gans schlachten sollte.
    "Das tust du!" sagte Agathe, stand vom Bett auf, zog sich schnell an, nahm den Kuhkopf-Korb, ließ ihre schimpfende Schwester stehen und ging aus der Wohnung.
    Was sollte unsere arme Emma tun?
    Diese knurrte vor sich hin und dachte, ob sie nicht ihren Nachbarn fragen sollte, die Gans um die Ecke zu bringen.
    Doch diesen Gedanken ließ sie wieder fallen, denn sonst hätte man in diesem Jahr auch einen großen Teil von der Gans abgeben müssen.
    Sie nahm sich ein Herz und machte sich an das gräuliche Unternehmen, nicht ohne dabei lauthals zu heulen.
    Als Agathe nach einer ganzen Zeit wieder nach Hause kam, lag die Gans auf dem Küchentisch und der lange Hals bummelte über die Tischkante. Er war bloß nicht zu sehen, dafür aber zwei alte nette Frauen, die sich heulend in den Armen lagen.
    "Wie.... wie....", heulte Agathe los, "Wie hast du das bloß gemacht, Emma?"
    "Mit... mit... VERONAL!" heulte Emma.
    "Ich habe ein paar von deinen Schlaftabletten aufgelöst und in das Futter gegeben und nun ist sie ... huhu .... tot.
    Aber rupfen musst du sie... huhu..."
    Aber weder Emma noch Agathe konnten sich dazu entschließen.
    In der Küche stand der leere Korb, da war keine Gans mehr, die schnatternd "Guten Morgen" sagte.
    Und so saßen die beiden eng umschlungen auf dem Sofa und heulten sich aus.
    Endlich nahm sich Agathe zusammen und fing an, den noch warmen Vogel zu rupfen. Eine Feder nach der anderen flog in den Papiersack, der von Emma festgehalten wurde. Und dann sagte Agathe:
    " Emma, du nimmst die Gans nun aus", und ging in die Wohnstube, setzte sich auf das Sofa und heulte in das Kissen.
    Emma lief ihrer Schwester nach und sagte einfach, dass könnte sie nicht tun.
    Daraufhin wurden sich die beiden einig, denn es war nun schon spät am Abend, das Unternehmen von der Gans auf den anderen Tag zu verschieben.
    Am nächsten Tag wurden Agathe und Emma in aller Frühe aus dem Schlaf gerissen.
    Mit einem Ruck saßen die beiden Frauen gleichzeitig senkrecht im Bett und schauten mit großen Augen nun auf die offene Küchentür. Und wer kam da hereinspaziert?
    Eine ulkige, leise schnatternde Gans, die am ganzen Leib zitterte und bebte!
    Diese Geschichte ist tatsächlich wahr, aber das kommt noch besser.
    Als ich am Weihnachtsabend den beiden Frauen noch schnell ein kleines Päckchen bringen wollte, da kam mir doch wahrhaftig eine vergnügt schnatternde Gans entgegen, die ich aber bloß am Kopf erkennen konnte, denn das ganze Tier steckte in einem warmen Pullover, den die beiden Frauen in aller Eile für ihren Liebling zusammengestrickt hatten.
    Diese Pullover-Gans hat noch sieben Jahre gelebt und ist dann eines natürlichen Todes gestorben.

  8. #28
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    Der WEIHNACHTSBAUM vom WEIHNACHTSMANN
    Autor: Cornelia Müller


    Der Weihnachtsmann ging durch den Wald. Er war ärgerlich.
    Sein weißer Spitz, der sonst immer lustig bellend vor ihm herlief, merkte das- und schlich hinter seinem Herrn mit eingezogener Rute her.
    Er hatte nämlich nicht mehr die rechte Freude an seiner Tätigkeit. Es war alle Jahre dasselbe. Es war kein Schwung in der Sache. Spielzeug und Esswaren, das war auf die Dauer nichts. Die Kinder freuten sich wohl darüber, aber quieken sollten sie und jubeln und singen, so wollte er es, das taten sie aber nur selten.
    Den ganzen Dezembermonat hatte der Weihnachtsmann schon darüber nachgegrübelt, was er wohl Neues erfinden könne, um einmal wieder eine rechte Weihnachtsfreude in die Kinderwelt zu bringen, eine Weihnachtsfreude, an der auch die Großen teilnehmen würden. Kostbarkeiten durften es auch nicht sein, denn er hatte so und soviel auszugeben und mehr nicht.
    So stapfte er denn auch durch den verschneiten Wald, bis er auf dem Kreuzweg war. Dort wollte er das Christkindchen treffen. Mit dem beriet er sich nämlich immer über die Verteilung der Gaben.
    Schon von weitem sah er, dass das Christkindchen da war, denn ein heller Schein war dort. Das Christkindchen hatte ein langes weißes Pelzkleidchen an und lachte über das ganze Gesicht. Denn um es herum lagen große Bündel Kleeheu und Bohnenstiegen und Espen- und Weidenzweige, und daran taten sich die hungrigen Hirsche und Rehe und Hasen gütlich. Sogar für die Sauen gab es etwas: Kastanien, Eicheln und Rüben.
    Der Weihnachtsmann nahm seinen Wolkenschieber ab und bot dem Christkindchen die Tageszeit.
    „Na, Alterchen, wie geht's?“ fragte das Christkind. „Hast wohl schlechte Laune?“ Damit hakte es den Alten unter und ging mit ihm. Hinter ihnen trabte der kleine Spitz, aber er sah gar nicht mehr betrübt aus und hielt seinen Schwanz kühn in die Luft.
    „Ja“, sagte der Weihnachtsmann, „die ganze Sache macht mir so recht keinen Spaß mehr. Liegt es am Alter oder an sonst was, ich weiß nicht. Das mit den Pfefferkuchen und den Äpfeln und Nüssen, das ist nichts mehr. Das essen sie auf, und dann ist das Fest vorbei. Man müsste etwas Neues erfinden, etwas, das nicht zum Essen und nicht zum Spielen ist, aber wobei alt und jung singt und lacht und fröhlich wird.“
    Das Christkindchen nickte und machte ein nachdenkliches Gesicht; dann sagte es: „Da hast du recht, Alter, mir ist das auch schon aufgefallen. Ich habe daran auch schon gedacht, aber das ist nicht so leicht.“
    „Das ist es ja gerade“, knurrte der Weihnachtsmann, „ich bin zu alt und zu dumm dazu. Ich habe schon richtiges Kopfweh vom vielen Nachdenken, und es fällt mir doch nichts Vernünftiges ein. Wenn es so weitergeht, schläft allmählich die ganze Sache ein, und es wird ein Fest wie alle anderen, von dem die Menschen dann weiter nichts haben als Faulenzen, Essen und Trinken.“
    Nachdenklich gingen beide durch den weißen Winterwald, der Weihnachtsmann mit brummigem, das Christkindchen mit nachdenklichem Gesicht. Es war so still im Wald, kein Zweig rührte sich, nur wenn die Eule sich auf einen Ast setzte, fiel ein Stück Schneebehang mit halblautem Ton herab. So kamen die beiden, den Spitz hinter sich, aus dem hohen Holz auf einen alten Kahlschlag, auf dem großeund kleine Tannen standen. Das sah wunderschön aus. Der Mond schien hell und klar, alle Sterne leuchteten, der Schnee sah aus wie Silber, und die Tannen standen darin, schwarz und weiß es eine Pracht war. Eine fünf Fuß hohe Tanne, die allein im Vordergrund stand, sah besonders reizend aus. Sie war regelmäßig gewachsen, hatte auf jedem Zweig einen Schneestreifen, an den Zweigspitzen kleine Eiszapfen, und glitzerte und flimmerte nur so im Mondenschein.
    Das Christkindchen ließ den Arm des Weihnachtsmannes los, stieß den Alten an, zeigte auf die Tanne und sagte: „Ist das nicht wunderhübsch?“
    „Ja“, sagte der Alte, „aber was hilft mir das ?“
    „Gib ein paar Äpfel her“, sagte das Christkindchen, „ich habe einen Gedanken.“
    Der Weihnachtsmann machte ein dummes Gesicht, denn er konnte es sich nicht recht vorstellen, dass das Christkind bei der Kälte Appetit auf die eiskalten Äpfel hatte. Er hatte zwar noch einen guten alten Schnaps, aber den mochte er dem Christkindchen nicht anbieten.
    Er machte sein Tragband ab, stellte seine riesige Kiepe in den Schnee, kramte darin herum und langte ein paar recht schöne Äpfel heraus. Dann fasste er in die Tasche, holte sein Messer heraus, wetzte es an einem Buchenstamm und reichte es dem Christkindchen.
    „Sieh, wie schlau du bist“, sagte das Christkindchen. „Nun schneid mal etwas Bindfaden in zwei Finger lange Stücke, und mach mir kleine Pflöckchen.“
    Dem Alten kam das alles etwas ulkig vor, aber er sagte nichts und tat, was das Christkind ihm sagte. Als er die Bindfaden Enden und die Pflöckchen fertig hatte, nahm das Christkind einen Apfel, steckte ein Pflöckchen hinein, band den Faden daran und hängte den an einen Ast.
    „So“, sagte es dann, „nun müssen auch an die anderen welche, und dabei kannst du helfen, aber vorsichtig, dass kein Schnee abfällt!“
    Der Alte half, obgleich er nicht wusste, warum. Aber es machte ihm schließlich Spaß , und als die ganze kleine Tanne voll von rotbäckigen Äpfeln hing, da trat er fünf Schritte zurück, lachte und sagte; „Kiek, wie niedlich das aussieht! Aber was hat das alles für'n Zweck?“
    „Braucht denn alles gleich einen Zweck zu haben?“ lachte das Christkind. „Pass auf, das wird noch schöner. Nun gib mal Nüsse her!“
    Der Alte krabbelte aus seiner Kiepe Walnüsse heraus und gab sie dem Christkindchen. Das steckte in jedes ein Hölzchen, machte einen Faden daran, rieb immer eine Nuss an der goldenen Oberseite seiner Flügel, dann war die Nuss golden, und die nächste an der silbernen Unterseite seiner Flügel, dann hatte es eine silberne Nuss und hängte sie zwischen die Äpfel.
    „Was sagst nun, Alterchen?“ fragte es dann. „Ist das nicht allerliebst?“
    „Ja“, sagte der, „aber ich weiß immer noch nicht...“
    „Komm schon!“ lachte das Christkindchen. „Hast du Lichter?“
    „Lichter nicht“, meinte der Weihnachtsmann, „aber 'nen Wachsstock!“
    „Das ist fein“, sagte das Christkind, nahm den Wachsstock, zerschnitt ihn und drehte erst ein Stück um den Mitteltrieb des Bäumchens und die anderen Stücke um die Zweigenden, bog sie hübsch gerade und sagte dann; „Feuerzeug hast du doch?“
    „Gewiss “, sagte der Alte, holte Stein, Stahl und Schwammdose heraus, pinkte Feuer aus dem Stein, ließ den Zunder in der Schwammdose zum Glimmen kommen und steckte daran ein paar Schwefelspäne an. Die gab er dem Christkindchen. Das nahm einen hell brennenden Schwefelspan und steckte damit erst das oberste Licht an, dann das nächste davon rechts, dann das gegenüberliegende. Und rund um das Bäumchen gehend, brachte es so ein Licht nach dem andern zum Brennen.
    Da stand nun das Bäumchen im Schnee; aus seinem halbverschneiten, dunklen Gezweig sahen die roten Backen der Äpfel, die Gold- und Silbernüsse blitzten und funkelten, und die gelben Wachskerzen brannten feierlich. Das Christkindchen lachte über das ganze rosige Gesicht und patschte in die Hände, der alte Weihnachtsmann sah gar nicht mehr so brummig aus, und der kleine Spitz sprang hin und her und bellte.
    Als die Lichter ein wenig heruntergebrannt waren, wehte das Christkindchen mit seinen goldsilbernen Flügeln, und da gingen die Lichter aus. Es sagte dem Weihnachtsmann, er solle das Bäumchen vorsichtig absägen. Das tat der, und dann gingen beide den Berg hinab und nahmen das bunte Bäumchen mit.
    Als sie in den Ort kamen, schlief schon alles. Beim kleinsten Hause machten die beiden halt. Das Christkindchen machte leise die Tür auf und trat ein; der Weihnachtsmann ging hinterher. In der Stube stand ein dreibeiniger Schemel mit einer durchlochten Platte. Den stellten sie auf den Tisch und steckten den Baum hinein. Der Weihnachtsmann legte dann noch allerlei schöne Dinge, Spielzeug, Kuchen, Äpfel und Nüsse unter den Baum, und dann verließen beide das Haus so leise, wie sie es betreten hatten.
    Als der Mann, dem das Häuschen gehörte, am andern Morgen erwachte und den bunten Baum sah, da staunte er und wusste nicht, was er dazu sagen sollte. Als er aber an dem Türpfosten, den des Christkinds Flügel gestreift hatte, Gold- und Silberflimmer hängen sah, da wusste er Bescheid. Er steckte die Lichter an dem Bäumchen an und weckte Frau und Kinder. Das war eine Freude in dem kleinen Haus wie an keinem Weihnachtstag. Keines von den Kindern sah nach dem Spielzeug, nach dem Kuchen und den Äpfeln, sie sahen nur alle nach dem Lichterbaum. Sie fassten sich an den Händen, tanzten um den Baum und sangen alle Weihnachtslieder, die sie wussten, und selbst das Kleinste, das noch auf dem Arm getragen wurde, krähte, was es krähen konnte.
    Als es hell lichter Tag geworden war, da kamen die Freunde und Verwandten des Bergmanns, sahen sich das Bäumchen an, freuten sich darüber und gingen gleich in den Wald, um sich für ihre Kinder auch ein Weihnachtsbäumchen zu holen. Die anderen Leute, die das sahen, machten es nach, jeder holte sich einen Tannenbaum und putzte ihn an, der eine so, der andere so, aber Lichter, Äpfel und Nüsse hängten sie alle daran.
    Als es dann Abend wurde, brannte im ganzen Dorf Haus bei Haus ein Weihnachtsbaum, überall hörte man Weihnachtslieder und das Jubeln und Lachen der Kinder.
    Von da aus ist der Weihnachtsbaum über ganz Deutschland gewandert und von da über die ganze Erde. Weil aber der erste Weihnachtsbaum am Morgen brannte, so wird in manchen Gegenden den Kindern morgens beschert.

  9. #29
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    Benedikt der Leuchtturmwärter von Amrum

    von Eleonore Görges


    Benedikt, der Leuchtturmwärter von Amrum, der sein kleines Reetdachhaus ganz in der Nähe des Leuchtturmes hat, war wieder einmal auf dem Weg zu seiner Schicht.

    Heute war Heilig Abend, er war noch recht früh dran, es war erst Spätnachmittag. So ging er langsamen Schrittes durch die Dünenlandschaft, sein Blick schweifte weit über das Meer, bis hin zum Horizont. Diese herrliche Seeluft, er genoss sie immer wieder, dazu der Wind, der heute allerdings recht stürmisch und sehr kalt war.
    Er zog seine Mütze etwas tiefer in die Stirn, damit sie ihm nicht davon fliegen konnte, die Hände stemmte er in die Taschen der gelben Öljacke. Benedikt hing seinen Gedanken nach und war traurig, dass er auch in diesem Jahr an Heilig Abend wieder alleine war.
    Seine Frau war vor fünf Jahren gestorben, seit dieser Zeit war er sehr einsam, denn Kinder hatten sie keine. Er dachte an all die Familien, die hier lebten und daran, wie sie heute ihre Weihnachtsbäume in den Wohnzimmern schmückten. Weihnachten ist das Fest der Familien, wenn man keine hat, wie Benedikt, dann stimmt das sehr traurig. Eigentlich mochte er Weihnachten nicht mehr, seit seine Frau nicht mehr bei ihm war.
    Da stand er auch schon vor dem Leuchtturm, der in seiner rot-weißen Farbe weit über das Meer blickt und den Schiffern Zeichen gibt. Benedikt kramte in seiner Jackentasche nach dem Schlüssel, als er vor der Eingangstür einen großen Hund sitzen sah.
    Zuerst erschrak er, aber der Hund sah ihn mit so traurigem Blick an, dass er ihm seine Hand hin hielt, um ihn daran schnüffeln zu lassen.
    "Na, wer bist du denn?" fragte er den Hund. "Wie heißt du denn, woher kommst du, hast du dich verlaufen?"
    Benedikt blickte sich in alle Richtungen um, ob er nicht ein Herrchen, oder Frauchen sehen konnte, zu irgendjemand musste der Hund doch gehören. Er konnte aber niemanden sehen.
    "Du bist wohl ausgebüchst, was, du wirst schon bald gefunden werden", sagte er zu dem großen Hund. "Warte, ich bringe dir einen Topf mit Wasser heraus."
    Er schloss die Eingangstür zum Leuchtturm auf, ging hinein und ehe er sich umsah, war der Hund an ihm vorbei und machte es sich sogleich in seinem Arbeitsraum gemütlich. Er legte sich unter den Schreibtisch, so als suche er Schutz, oder wolle sagen: "hier holt mich niemand mehr weg."
    "Du bist mir aber einer, mich so zu überlisten", sagte Benedikt. "Wenn ich nur deinen Namen wüsste." Er bückte sich zu dem Hund hinunter. "Du hast zwar ein Halsband an, aber kein Namensschild, keine Markierung. Weißt du was? Ich nenne dich einfach Benni, so hieß mein Hund, den ich als Kind hatte."
    Er stellte Benni einen großen Topf frisches Wasser hin und dieser machte sich gleich darüber her, also musste er großen Durst haben.
    "Du hast sicher auch Hunger, Benni." Benedikt ging an den Kühlschrank, den er immer gut gefüllt hatte, man weiß ja nie. Da lag noch ein großes Stück Fleischwurst drin, die nahm er heraus, schnitt eine dicke Scheibe von seinem Brot ab, butterte sie und schnitt alles in Stücke. Er füllte eine Schüssel mit Wurst- und Butterbrotstücken und stellte sie Benni hin, dieser hatte die Schüssel schneller leer gefressen, als Benedikt sich umdrehen konnte.
    "Mann hast du einen Hunger, weiß der Geier, wann du zum letzten Mal etwas gefressen hast. Vielleicht hat man dich sogar ausgesetzt?"
    Dieser Gedanke gefiel ihm gar nicht, aber es wäre nicht das erste Mal, dass so etwas auf Amrum passieren würde.
    "Es sind wieder ein paar Weihnachtsurlauber hier, vielleicht mag dich ja einer von ihnen nicht mehr mit nach Hause nehmen, die Menschen sind oft so schlecht."
    Da fiel ihm ein, dass er ja bei der Polizei Bescheid geben könnte, vielleicht würde jemand Benni suchen. Sofort rief er dort an, beschrieb den Hund und sagte ihnen, dass er Benni bei sich behalten würde, bis sein Besitzer gefunden wurde. Mehr konnte er im Moment nicht für ihn tun.
    Benni lag wieder unter dem Schreibtisch, er schlief fest. Benedikt wunderte sich sehr, war der Hund doch ganz fremd hier, aber wer weiß, wie lange er schon unterwegs ist, er war auf jeden Fall durstig, hungrig und ist hundemüde. Er ließ ihn schlafen, versuchte, ihn nicht zu stören.
    Benni schlief beinahe die ganze Nacht durch, ab und zu wachte er auf, schaute, ob Benedikt noch da war und legte sich dann gleich wieder hin. Er schien zufrieden zu sein.
    Als die Nacht vorbei war und der Morgen schon hinter dem Horizont hoch kroch, machte sich Benedikt fertig, um nach Hause zu gehen. Er schaute zu Benni und meinte: "Eigentlich schön, dass du dich verlaufen hast, das war der erste Heilig Abend seit fünf Jahren, an dem ich nicht alleine war."
    Ein leichtes Lächeln überzog seinen Mund und sein Herz wurde warm.
    "Komm Benni, ich nehme dich mit zu mir nach Hause, bis sich dein Herrchen, oder Frauchen meldet. Solange kannst du bei mir wohnen, dann sind wir beide Weihnachten nicht einsam."
    Sie gingen hinaus in die Dünen, Benni folgte Benedikt, ohne dass dieser etwas zu ihm sagen musste. "Was bist du ein braver Kerl", sagte er zu dem Hund.
    Zu Hause angekommen gingen sie in das Haus, Benni folgte Benedikt auf Schritt und Tritt. Zuerst bekam er eine große Schüssel Wasser, dann suchte Benedikt nach etwas Wurst und Brot, denn Hundefutter hatte er nicht zu Hause, so musste Benni damit vorlieb nehmen, was dieser auch genüsslich tat. Anschließend kam er zu Benedikt, stupste ihn mit der Nase an und leckte ihm die Hand, ließ sich dann neben ihm nieder.
    "Irgendwie ist es schön, einen Hund zu haben", dachte sich Benedikt, "warum habe ich nicht schon längst einen? Dann wäre ich nicht so alleine in dem Haus."
    Er ging ins Schlafzimmer, um sich hinzulegen, er war müde nach dieser langen Schicht. Benni folgte ihm und legte sich neben sein Bett, schlief ebenfalls ein.
    Das Klingeln des Telefons riss Benedikt aus dem Schlaf, er nahm den Hörer ab, von der anderen Seite meldete sich die Polizei. "Hallo Benedikt, ist der Hund noch bei dir?"
    "Ja, ist er, warum, hat sich sein Besitzer bei euch gemeldet?"
    "Ja", sein Frauchen steht hier und ist in Tränen aufgelöst, sie sucht ihn schon seit gestern Mittag. Es muss der Hund sein, der bei dir ist, die Beschreibung passt haargenau auf ihn. Kann Frau Ewersen zu dir kommen und sehen, ob es ihr Hund ist?"
    "Ja sicher kann sie das, wir sind zu Hause, sie soll gleich kommen."
    Er legte den Hörer auf und war irgendwie etwas traurig, bald würde Benni nicht mehr da sein, er würde ihn vermissen.
    Benedikt machte sich schnell etwas frisch und zog sich seine Kleidung an, ging hinunter in die Küche und kochte Kaffee. Frau Ewersen würde sicher auch eine Tasse Kaffee trinken.
    Benni legte sich derweil unter den Küchentisch, da läutete es auch schon an der Haustür. Beide gingen zur Tür, Benedikt öffnete diese und sah sich einer Frau gegenüber, die sein Alter haben dürfte. Man sah, dass sie geweint hatte.
    Bevor er sich vorstellen konnte, sprang Benni an dieser Frau hoch, winselte und leckte ihr über das Gesicht, die Frau umarmte den Hund, drückte ihn an sich und ließ ihren Tränen freien Lauf, Freudentränen, wie man sah.
    "Ach mein geliebter Robby, dass ich dich wieder habe, ich war ja so verzweifelt. Jetzt läufst du mir aber nicht mehr davon."
    Irgendwie kam Benedikt dieses Gesicht bekannt vor.
    "Sie erinnern mich an jemanden", meinte er, zu der Frau gewandt.
    "Entschuldigen Sie bitte", sagte diese und sah ihn an, ich habe mich noch gar nicht vorgestellt. Mein Name ist Helga Ewersen, ich bin auf Weihnachtsurlaub hier mit meinem Hund." Sie reichte ihm die Hand und auch Benedikt stellte sich ihr vor. Da erst sah sie ihn wirklich und erkannte ihn sofort. "Du bist doch Benedikt, erinnerst du dich denn nicht an mich?"
    "Helga, bist du die Helga.?" "Ja, die bin ich. Wie lange haben wir uns nicht mehr gesehen, es müssen mindestens 25 Jahre sein."
    "Komm doch bitte auf eine Tasse Kaffee herein", sagte er zu ihr, Helga Ewersen nahm die Einladung gerne an und folgte ihm in die Küche, beide wurden von einem freudig hin- und herlaufenden Benni, ach nein, Robby, begleitet.
    Kurz ging Benedikt die Zeit durch den Kopf, die beide vor vielen Jahren teilten, sie waren einmal ein Liebespaar gewesen, wenn auch nur für einen kurzen Sommer.
    "Robby also heißt er", sagte Benedikt, "ich hatte ihn Benni getauft, weil ich vor vielen Jahren einmal einen Benni hatte. Weißt du, dass er mir fehlen wird, ich habe mich in diesen paar Stunden an ihn gewöhnt. Wie ist er dir denn abhanden gekommen und was machst du hier auf der Insel? Du bist doch vor vielen Jahren von hier weg gezogen."
    Helga Ewersen erzählte ihm, dass sie am Vortag in den Dünen unterwegs war mit Robby, er dann einem anderen Hund gefolgt war, so hatten sie sich aus den Augen verloren. "Es war eine schöne Hundedame, ich konnte Robby nicht mehr halten. Stundenlang habe ich nach ihm gesucht, bis spät in die Nacht. Gleich heute Morgen suchte ich weiter, da fiel mir ein, dass ich ihn vermisst melden könnte.
    Die Polizei gab mir dann deine Adresse, wobei sie mir deinen Vornamen nicht nannte, sonst hätte ich mich sicher gleich an dich erinnert. Seit wann hast du ein Haus hier in der Nähe des Leuchtturmes?"
    Es gab viel zu erzählen, sie merkten nicht, wie die Zeit verging. Benedikt gefiel Helga, sie war ihm gleich wieder sympathisch, hatte immer noch diese offene Art zu reden und immer noch dieses fröhliche Lächeln. Ihre Augen hatten noch diesen Glanz, der ihn vor Jahren schon fasziniert hatte, außerdem sah sie für ihr Alter noch sehr gut aus.
    Helga Ewersen war vor beinahe 30 Jahren in die Landesmitte von Deutschland gezogen, die Liebe hatte sie dorthin verschlagen. Nun verbrachte sie die Weihnachtstage bei einem alten Onkel hier auf Amrum. Während dieser Zeit suchte sie ein kleines Haus für sich und Robby, denn sie wollte wieder auf Amrum leben. Sie war seit zwei Jahren verwitwet, es zog sie in die Heimat zurück.
    Sie hatte auch bereits ein kleines Haus gefunden, ganz in der Nähe von Benedikt, wie sich herausstellte. Der Kauf sollte heute abgewickelt werden.
    "Dann kann ich den Umzug organisieren und werde bereits in spätestens 3 Monaten hier wieder ansässig werden", sagte Helga Ewersen zu Benedikt.
    Dieser spürte, wie ein freudiges Gefühl in ihm aufkam. "Das ist sehr schön, dann kann ich Benni, ähm. Robby natürlich, immer sehen und muss ihn nicht vermissen. Außerdem kann ich mir gut vorstellen, dass wir alle drei sehr gute Freunde werden."
    Helga sah Benedikt mit einem Lächeln an und stimmte ihm zu. "Das werden wir mit Sicherheit. Soll ich dir etwas sagen? Ich freue mich schon heute darauf, nun kann ich den Umzug gar nicht mehr erwarten."
    Es war bereits früher Nachmittag, Helga musste zum Termin, um den Hauskauf perfekt zu machen. So verabschiedete sie sich von Benedikt, aber nicht, ohne ihm noch einmal ganz herzlich für die liebe Aufnahme von Robby zu danken. Sie reichte ihm die Hand mit den Worten: "auf ein baldiges Wiedersehen und eine lange Freundschaft." Dann nahm sie Benedikt in den Arm und drückte ihn ganz herzlich.
    "Was für eine tolle Frau", dachte sich dieser und irgendwie ward ihm ganz leicht, er spürte ein tiefe Wärme in seinem Herzen. "Auch ich freue mich sehr, dass wir bald Nachbarn werden. Ich weiß, dass wir bereits heute eine tief gehende und wertvolle Freundschaft gegründet haben."
    So zogen nun Helga und Robby los. Jeder von den dreien fühlte, dass sie die kommenden Weihnachtsfeste gemeinsam feiern würden.

    ******
    Pers. Anmerkung:
    Eine Beschreibung vom "großen Amrumer", es war der Arbeitsplatz von “Benedikt”.


    Der große Amrumer ist der älteste deutsche Leuchtturm, er wurde im Jahre 1874 erbaut und ging in der Nacht vom 01. auf den 02. Januar 1875 in Betrieb.
    Der Sockel ist 1, 74 Meter hoch und 2, 00 Meter dick. Die Turmaußenwand ist ein Vollsteinmauerwerk mit einer Stärke bis zu 1, 75 Meter.
    In der damaligen amtlichen Bekanntmachung kann man diese Zeilen nachlesen:
    “Die Höhe der Düne beträgt 25 Meter, die Höhe der Flamme 63 Meter und die Höhe des Turms bis zur Spitze 67, 7 Meter über “ordinaire” Flut.
    Das Licht ist ein Blinkfeuer 1. Ordnung. Es zeigt eine Periode von 20 Sekunden, von denen 6 Sekunden auf das Licht und 14 Sekunden auf die Verdunkelung fallen. Es leuchtet in alle Richtungen in gleichmäßig hellem Schein, der plötzlich erscheint und plötzlich verschwindet. Das Licht wird bei klarer Luft 20 bis 24 Seemeilen, rund 37 bis 45 Kilometer, sichtbar werde.”


    Zunächst allerdings hatte -heute nur noch schwer vorstellbar- der Leuchtturm ein Petroleumlicht als Feuerquelle, für dessen Bedienung eine mehrköpfige Wärtertruppe allnächtlich im Einsatz war. Die Rotation der die Lichtkraft verstärkenden Prismen erfolgte durch eine Art Uhrwerk, dessen Gewichte (ähnlich wie bei einer Standuhr) in einem Schacht des Turmes hingen. Erst seit 1936 wird das Amrumer Leuchtfeuer mit einer 2000 Watt Birne betrieben. Heute ist es eine Halogen-Metalldampflampe von 250 Watt bei 230 Volt.
    Dieser Leuchtturm ist zum Besteigen mit einem unglaublichen Weitblick über die Insel und das Wattenmeer.
    Sie werden bei schönem Wetter “die halbe Welt sehen können” ein einmaliges Erlebnis, er muss besichtigt werden.

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  10. #30
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    Familienweihnachtswünsche

    von Barbara Pronnet


    „Alle mal herhören“
    Ich ging ins Wohnzimmer wo mein Mann Martin, unsere vierzehnjährige Tochter Lisa und unser siebzehnjähriger Sohn Jonas auf dem Sofa lümmelten und in ihre Smartphones starrten.
    „Morgen ist Heiliger Abend und ich habe noch ein Anliegen.
    Nach der Bescherung möchte ich, dass wir uns gemütlich an den Tisch setzen und jeder überlegt sich noch einen Wunsch den er sich von der Familie wünscht. Ich hab mir ja schon eben was gewünscht“. Ich lächelte tapfer. Mein Mann grinste mich an, Lisa verdrehte ihre schwarz umrahmten Augen und Jonas schaute erst gar nicht auf.
    „Also überlegt euch was und ich freue mich übrigens auf Weihnachten“ fügte ich noch hinzu, falls es noch keinem aufgefallen war und das es für morgen noch eine Menge zu tun gab.
    Später im Schlafzimmer zog Martin mich zu sich und küsste mich auf die Stirn.
    „ Wir helfen morgen alle zusammen und lass es einfach laufen, wir kriegen schon einen Heiligen Abend als Familie hin. Jetzt muss ich mir noch überlegen was ich mir wünsche“ überlegte er.
    „Ich möchte damit erreichen, dass die Gören nach der Bescherung nicht gleich wieder abhauen.“ gähnte ich müde. Wir küssten uns und machten das Licht aus.
    Am Weihnachtstag stellten Martin und ich den Christbaum auf, Lisa schmückte ihn und Jonas half mir beim Kartoffelsalat zum Fisch, so war der Plan und es lief auch erstaunlich harmonisch und friedlich ab. Später nach dem Essen gab‘s die Geschenke unter dem herrlichen Christbaum und dann setzten wir uns alle mit unserem Punsch und Plätzchen an den Esstisch. Ich zündete noch eine hübsche goldene Kerze an.
    „So, jetzt mal her mit den Familienwünschen. Lisa du fängst an“ strahlte ich meine pubertierende Tochter ermutigend an. Sie hatte zur Feier des Tages schwarzen Lippenstift aufgetragen und schaute mich missmutig an. Da sie ihre teuren Reitstunden geschenkt bekam riss sie sich zumindest etwas zusammen. Sie konnte wirklich fürchterliche Laune haben und war oft wie ein Stockfisch.
    „Ich wünsche mir, dass wir mehr vegetarisch essen. Ich kann das Tierleid nicht mehr ertragen. Papa und du, ihr kommt immer strahlend mit eurem Billigfleisch heim, wie Schnäppchenjäger. Aber das ein Tier qualvoll gelitten hat, das seht ihr nicht“. In ihren Augen schwammen Tränen.
    Mit sowas hatte ich nun gar nicht gerechnet. Es stimmte schon, Martin und ich kauften gerne Sonderangebote und machten uns wenig Gedanken woher das Fleisch kam.
    „Du hast Recht mein Schatz“, ich griff nach ihrer kleinen Hand mit den abgekauten schwarz lackierten Fingernägeln. „ Wir sollten wirklich etwas „anständiger“ essen. Und es muss auch nicht jeden Tag Wurst oder Fleisch auf den Tisch. Das schadet uns allen nicht“.
    Jonas verdrehte die Augen aber er hielt sich zurück.
    „Hier gibt es doch diesen Biohof im nächsten Dorf, wir könnten da mal hinfahren. Vielleicht wäre das ein guter Anfang?“ Mein Mann zwinkerte Lisa zu und schenkte ihr einen Luftkuss.
    Lisa nickte und ich schämte mich etwas. Martin und ich hielten zwar nicht viel von der Bioverarsche aber ich fand es schön, dass unsere Tochter ein gutes Herz hat und sich Gedanken machte. Auch eine Gelegenheit wieder mehr zusammen zu machen, hoffte ich.
    „Jetzt du Papa“ sagte Lisa.
    „Mehr Sex“ grinste unser Sohn frech.
    „Jonas“ rief ich entsetzt und wurde knallrot.
    „Keine Sorge“ lachte mein Mann, „bin zufrieden“.
    Martin und ich kannten uns seit 25 Jahren und wir waren stolz, dass wir durch alle Höhen und Tiefen eines Ehelebens geschlittert waren ohne auszurutschen. Ich liebte meine Mann sehr und er mich. Die Kinder waren unser größtes Glück, auch wenn sie uns oft an dem Rande der Verzweiflung brachten. Er schaute streng in die Runde.
    „Also, ich wünsche mir, dass wir es zumindest einmal am Wochenende hinkriegen zusammen zu frühstücken, gerne auch Brunchen mit vegetarischen Aufstrichen. Damit das halbwegs funktioniert erstelle ich eine Familien-Brunch-Whatsapp-Gruppe. Ich erinnere dann mit Termin. 11.00 Uhr ist eine faire Zeit, dass solltet ihr doch hinkriegen“.
    Es war ein ewiges Thema bei uns. Ich wusste, dass Martin großen Wert auf gemeinsame Mahlzeiten legte. Die Kinder kriegten ihre Hintern nicht aus den Betten, kamen irgendwann mittags runter in die Küche und verschwanden wieder mit einem Brot in der Hand. Unter der Woche klappte es auch nur bedingt, jeder stopfte sich irgendwas rein. Ich hatte oft Schicht im Krankenhaus und Martin war oft noch bei Kunden am Abend. Es war ziemlich jämmerlich bei uns und der Kühlschrank war auch noch bis oben hin voll mit unglücklichem Fleisch und Wurst.
    „Sehr gute Idee“ sagte ich bestimmt. Die Gören nickten gnädig. Ich war froh, dass Martin seinen Wunsch gleich technisch geschickt verpackt hatte. Unsere Kinder schauten ständig auf ihre Handys, da gibt’s dann keine Ausreden. Ein Versuch war es wert.
    Alle sahen wir zu Jonas. Unser Sohn war ein typischer Wohlstandsjüngling, frech, lässig und er war eigentlich auch ein passabler Schüler. Viel wussten wir nicht mehr über ihn aber er kam jeden Abend zum Schlafen nach Hause.
    „Ich wünsche mir, dass Leon eine Zeit bei uns hausen kann. Ihr kennt ja seine Eltern, die vollen Freaks. Ich ziehe auch gerne in den Keller, aber Leo muss raus, sonst geht er drauf. Muss ja nicht für lange sein.“
    Wir kannten das Familiendrama bei Jonas bestem Freund. Der Vater Alkoholiker, die Mutter hilflos, ständige Streitereien und Gleichgültigkeit dem Kind gegenüber. Leon war eigentlich seit er ein Kindergartenkind war mehr bei uns als bei sich zu Hause. Der Junge war ok, er war ein guter Schüler und wir hatten auch nichts gegen ihn. Aber gleich bei uns einziehen?
    Trotzdem überraschte mich auch mein Sohn. Er würde sogar sein Zimmer räumen um seinem Freund zu helfen. Mein Mutterherz begann überzulaufen. Martin schaute zu mir und verstand mich auch ohne Worte.
    „ Wir müssen das natürlich noch besprechen auch mit Leons Eltern. Dann können wir es ausprobieren. Aber er muss im Haushalt helfen und unsere Regeln einhalten. Wenn es nicht klappt, muss er wieder ausziehen.“ sagte Martin und ich nickte zustimmend.
    „Du musst ihn dann auch in die Whatsapp-Gruppe mit aufnehmen, Papa. Das Aufstehen gilt dann auch für ihn“. Lisa freute sich. Sie hatte schon immer eine Schwäche für den Freund ihres Bruders.
    Wir sahen uns alle an. Wir hatten es wirklich geschafft eine Weile gemeinsam am Tisch zu sitzen und jeder hatte ein Anliegen das ihm auf dem Herzen lag ausgesprochen. Ich war stolz und glücklich, für mich ein gelungener Weihnachtsabend.
    „Jetzt hab ich doch auch noch einen Wunsch. Ich würde gerne Mensch-Ärgere-Dich-nicht“ spielen. Einfach so, weil es gerade so schön gemütlich ist mit euch“ lachte ich ohne es ernst zu meinen. Ich hatte einfach gute Laune.
    „Oh ja, das wird sicher lustig, Papa verliert ja immer so ungern“. Lisa rannte freudig in den Keller, um das verwaiste Gesellschaftspiel zu suchen.
    „Ich hol noch Plätzchen. Halleluja“. Jonas war schon Richtung Küche unterwegs.
    „Genieß es einfach mein Schatz“, Martin drückte mir die Hand. „ Sie können sich ruhig auch mal von ihrer netten Seite zeigen. Das war eine super Idee von dir. Ob wir gleich alles umsetzen können an Wünschen wird sich zeigen aber ich bin wirklich überrascht über unsere Kinder. Sie haben gute Seelen und denken auch an andere.“
    Ich nickte gerührt, küsste ihn und blieb ganz entspannt auf meinen Stuhl sitzen und genoss unseren Heiligen Familienabend.

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