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Thema: Weihnachten

  1. #81
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    Sparen beim Weihnachtsmann

    von Rolf Tischer



    Sparen, sparen, immer nur sparen.

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    Der Weihnachtsmann schimpfte vor sich hin, als er aus der Buchhaltung kam.
    Ok, irgend jemand musste aufpassen dass das Geld reichte, aber schön langsam wusste er nicht mehr wo er noch einsparen sollte. Die Spielzeugfabrik wurde schon optimiert, die Arbeitsgänge verkürzt, das war ein Kampf seine hohen Qualitätsansprüche durch zu setzen. Natürlich könnte man zum Beispiel auch dünnere Nägel verwenden, aber dann wird die Stabilität auch geringer. Genau das galt es aber zu verhindern.

    Der Weihnachtsmann rief seine Oberwichtel und Oberengel zusammen und dann erklärte er ihnen dass zu diesem Weihnachtsfest wieder 250.000 Sternentaler eingespart werden müssen. Es gibt immer weniger brave Kinder und so kommt nicht genug Geld in die Kassen der Weihnachtsfabrik.
    Ihr fragt wo das Geld her kommt?
    Nun, jede gute Tat wird von den Engeln die die Kinder beobachten bewertet und ein Teil davon fließt in das Konto der Weihnachtsfabrik, so wird dort alles finanziert.
    Der Oberwichtel Hubertus der die Spielzeugfabrik verwaltete sagte, ich kann nur noch einsparen wenn wir die Standards senken, aber das will der Weihnachtsmann ja nicht.
    Der Wichtel, der den Stall und den Fuhrpark verwaltete, sagte:
    Die Rentiere sind schon im Sommer auf Diät, jetzt in der Vorweihnachtszeit müssen sie das teure Kraftfutter bekommen, sonst schaffen wir die lange Reise nicht in der vorgesehenen Zeit, wenn wir hier einsparen, werden die letzten Geschenke zu Ostern ausgeliefert. Allen war klar, hier konnte man nichts einsparen.
    Der Wichtel Fridolin, der die Technik, die Computer und den ganzen neumodischen Kram verwaltet meinte:
    Eigentlich bräuchte ich einen neuen Computer, immer mehr Kinder malen keinen Wunschzettel mehr, sondern schreiben uns per Email. Du musst mit dem bestehenden Material in diesem Jahr noch auskommen, sagte der Weihnachtsmann, wenn wir nächstes Jahr mehr Geld einnehmen, kannst du dich noch einmal melden. Das hast du doch schon im letzten Jahr gesagt, meinte der Wichtel, dann hoffe ich mal, dass es nicht ganz so viele Emails werden.
    Der Wichtel Klaus, der die Listen mit den guten und nicht so guten Taten für den Weihnachtsmann schreibt, meinte:
    Wenn man weniger Engel zur Beobachtung der Kinder einsetzt, würde seine Arbeit und auch die Arbeit in der Spielzeugfabrik vielleicht etwas weniger werden. Der Oberengel für die Kinderbeobachtung, Konrad widersprach ihm aber sofort, wenn wir weniger gute Taten registrieren, nehmen wir auch weniger Geld ein, das ist an der ganz falschen Stelle gespart.

    Da mischte sich Fridolin ein und sagte:
    Die Menschen führen gerade die Überwachung der Bevölkerung ein, sie sagen wegen Terror und so, auf jeden Fall legen sie riesige Datenbanken an. Wenn wir die anzapfen und auswerten würden......
    Der Weihnachtsmann rief, sag mal, hast du alles richtig im Kopf, diese Datenbanken dürfen doch nicht für etwas anderes verwendet werden, das wurde doch der Bevölkerung so versprochen. Fridolin meinte, da werden sich die Menschen auch nicht daran halten, wenn eine Datenbank da ist, kommt auch immer einer der sie verwenden will. Die finden auch immer eine Möglichkeit die Gesetze zu umgehen. Notfalls greift eben der Geheimdienst darauf zu, das überprüft keiner und so bleibt alles verborgen.
    Einsparen bei den Engeln, die die Kinder beobachten?
    Alle kamen ins Grübeln, das wäre einen Versuch wert. Aber wo könnten wir es einmal testen? Fridolin meinte:
    In Europa, in Deutschland ist der Geheimdienst besonders dreist, der lässt sich gar nichts sagen, die sind auch unfähig genug, dass sie es nicht merken würden wenn wir sie anzapfen. Die haben nicht einmal gemerkt, dass man die Telefone der Regierung abgehört hat. Und wenn sie es doch merken, passiert nichts, da sind die Politiker recht dickfellig.
    Der einzige, der hier dagegen war, war der Oberengel Konrad, aber nach einer hitzigen Diskussion, gab er zähneknirschend nach und sagte, ok, dann schicke ich die Engel aus Deutschland für eine Woche in den Urlaub und dann sehen wir nach was es gebracht hat.

    So geschah es, dass drei Wochen vor Weihnachten keine Engel mehr die Kinder in Deutschland beobachteten, doch das war nicht ganz richtig, der kleine Engel Balduin war so beschäftigt, dass er die Anordnung Urlaub zu machen überhört hat und weiter seiner Arbeit nach ging, aber dazu später.
    Fridolin machte sich sofort an die Arbeit und installierte als erstes ein kleines Spionageprogramm, das allen Datenverkehr absaugen sollte.
    Programmieren musste er nicht viel, immerhin gab es das Programm bei fast jeder Regierung. Dieses versteckte er auf einem Rechner des deutschen Geheimdienstes und kopierte so alle Daten die dieser auch bekam. Als nächstes wollte er die Daten der Vorratsspeicherung anzapfen, das war schon schwerer, dachte er. Durch Zufall bemerkte er dass auch diese Daten im Rechner des Geheimdienstes zu finden waren. Eigentlich unmöglich, aber anscheinend sieht man es beim Geheimdienst nicht so genau mit den Vorschriften. Na klar, dachte er, wer nicht kontrolliert wird macht was er will. Aber das war Nebensache, seine Aufgabe war es ja die Kinder zu beobachten, also filterte er erst einmal alle Daten aus die ihn nicht interessierten. Die Emails der Politiker an die Waffenhändler interessierten ihn genauso wenig wie die Überweisungen der Stromkonzerne an die Parteien, er musste wirklich viel ausfiltern, aber es klappte.
    Er hatte am Ende die Profile der Kinder bei Facebook, ihre Emails, ihre Telefonate, auch die Schulnoten wurden in Datenbanken aufbewahrt. Sogar in den Kindergärten wurden Profile von den Kindern angelegt. Alles was er brauchte war vorhanden und er kopierte alle Taten die er so erfassen konnte in lange Listen. Ein Mädchen erzählte ihrer Freundin, dass sie shoppen gehen konnten, weil sie bei ihrer Mutter Geld gefunden hatte. Ein paar Jungen planten in einer Whatsapp-Gruppe wie sie das Auto des Lehrers lahm legen wollten. So ging es eine ganze Weile weiter, Beleidigungen, Mobbing, Hetzereien, es war nicht wirklich schön anzusehen. Zum Glück gab es auch gute Nachrichten, da wurde bei den Hausaufgaben geholfen, Tips bei der Tierpflege gegeben, Spendenaufrufe geteilt und liebe Grüße gesendet.
    Schon nach vier Tagen waren es viel mehr Daten als die die, die Engel zusammen getragen hatten und irgendwie wurde die Liste mit den schlechten Daten schneller voll als die mit den guten Sachen. Fridolin dachte sich, da haben die Engel wohl nicht richtig aufgepasst und auch mal ein Auge zu gedrückt.
    Seine Daten aber waren vollständig und so wie es aussieht muss die Spielzeugfabrik viel weniger Spielzeug herstellen, die Transportkosten werden weniger und vielleicht reicht sogar das günstigere Futter für die Rentiere. Er teilte seine Beobachtung dem Weihnachtsmann mit und der setzte auch sofort eine Besprechung der Oberwichtel und Oberengel für den nächsten Tag an. Fridolin sollte noch einmal alles kontrollieren, denn ein Fehler durfte hier nicht passieren.

    Am nächsten Tag, Fridolin hatte alle Daten und Filter noch zwei mal überprüft, das Ergebnis war immer das selbe. Die große Besprechung begann und alle hörten aufmerksam Fridolin zu. Ein großer Schrecken ging durch die Runde, sollte man in den vergangenen Jahren wirklich so unaufmerksam gewesen sein, dass man viele Geschenke zu Unrecht verteilt hatte? Jetzt hieß es, Schaden begrenzen, wenn es in Deutschland so war, dann konnte es sein , dass auch von den anderen Länder unvollständige Informationen beim Weihnachtsmann ankamen.
    Fridolin sagte, ich weiß es nicht, aber in der Kürze der Zeit bis Weihnachten, kann ich nicht alle Kinder auf der ganzen Welt überprüfen, ich schaffe vielleicht halb Europa, aber mehr geht mit meiner begrenzten Technik wirklich nicht.

    Der Oberengel war aber immer noch skeptisch, immerhin ging es hier ja um die Arbeit seiner Engel. Wenn die nicht mehr gebraucht werden, wäre auch sein Posten nicht mehr nötig. Lust auf eine andere Arbeit hatte er auch nicht, womöglich würde er am Ende Wolken reinigen müssen. Er zog sich in sein Büro zurück und überlegte. Irgendwo war da ein Fehler, aber wo, die Daten schienen alle richtig zu sein. Er schaute sich die Listen die Fridolin ausgedruckt hatte wieder und wieder an, aber er konnte keinen Fehler finden. Den ganzen Abend und die Nacht überlegte er und fand keine Lösung, spätestens im nächsten Jahr war er arbeitslos.

    Fridolin derweil begann damit die Geheimdienste in England und in Frankreich anzuzapfen, die Filter, die er in Deutschland eingesetzt hatte, funktionierten auch hier recht einfach.
    Der Weihnachtsmann war auch schon traurig, er hatte sich auf die vielen braven Kinder gefreut, und jetzt wurde die Liste der Kinder, die er besuchen sollte immer kürzer. Machte seine Arbeit überhaupt noch einen Sinn?
    Überall herrschte plötzlich eine gedrückte Stimmung, keiner hatte mehr recht Lust etwas zu tun wenn es wirklich so wenig brave Kinder gab?

    Der Oberengel Konrad hatte das leise Klopfen fast nicht gehört, so war er in seinen Gedanken versunken, missmutig rief er: herein! Da stand der kleine Engel Balduin vor ihm und fragte, was ist denn hier überall los, nur schlecht gelaunte Gesichter, da könnte man denken dass Weihnachten ausfallen soll. Ich wollte gerade meinen Bericht von den 5 Kindern bringen, die ich beobachten soll, da schickt man mich zu dir.
    Konrad sagte, warum warst du letzte Woche nicht im Urlaub? Alle Beobachtungsengel für Deutschland hatten diese Woche Pause. Wir wollten ein neues System testen. Balduin meinte, ich bin ein wenig früher losgeflogen, das habe ich nicht mitbekommen.
    Na ja, seufzte der Oberengel Konrad, unsere Arbeit wird zumindest hier nicht mehr gebraucht, das macht jetzt alles der Technik-Wichtel, viel umfangreicher als wir und auch noch viel schneller. Und billiger ist es auch noch.
    Balduin wurde sehr traurig, drehte sich um und ging langsam zur Tür.

    Da meinte sein Oberengel, warte mal, ich habe da eine Idee, wenn du deine 5 Kinder beobachtet hast, dann können wir dein Ergebnis mit dem von Fridolin vergleichen. Er nahm die Berichte des Engels entgegen und suchte in den langen Listen von Fridolin die gleichen Kinder.
    Nach einigem Suchen hatte er sie auch gefunden.

    Ein Mädchen hatte von der Mutter Geld genommen und war shoppen gegangen. Das selbe hatte auch Balduin da stehen, aber dort stand noch mehr. Das Mädchen hatte ein Weihnachtsgeschenk für seine Mutter gekauft, einen weichen langen Schal. Und als es abends mit der Mutter beim Essen saß, hatte es der Mutter unter Tränen erzählt, dass es das Geld genommen hat und dass es sich deshalb sehr schlecht fühlt, aber als es den Geldschein sah, dachte es nur noch, dass sie damit der Mutter eine Freude machen könne. Es bat die Mutter um Entschuldigung und versprach ihr nie wieder jemandem etwas weg zu nehmen.
    Das alles hatten die Daten nicht erfasst und es warf ein ganz anderes Bild auf die Situation.

    Ein Junge hatte mit seinen Freunden das Auto des Lehrers lahmgelegt, damit der zu spät zur Schule kam. Auch das hatte Balduin aufgeschrieben, allerdings stand da auch der Grund für die "Missetat", der Lehrer hatte Geburtstag und seine Schüler wollten ihn mit einer Geburtstagsfeier in der Schule überraschen, dazu musste er etwas später zur Schule kommen. Der Lehrer hatte sich sehr über die Überraschung gefreut.

    Ein anderer Junge hatte ein Mädchen böse angeschrieben, sich aber danach in der Klasse bei dem Mädchen entschuldigt und ihm bei seinen Hausaufgaben geholfen.

    Dem Oberengel ging ein Licht auf, das war schon ein ganzer Lichterkranz. Er schaute noch bei den anderen Kindern nach, auch da hatte Fridolin etwas schlechtes stehen, aber er hat das Gebet am Abend, mit der Reue nicht erfasst. Auch solche Sachen wie das morgendliche Zähne putzen, das Zimmer aufräumen, den Müll raustragen und das helfen im Haushalt, fehlte komplett.
    Er jubelte auf, nahm den kleinen Engel Balduin an der Hand und rannte zum Weihnachtsmann.

    Der hörte sich das ganze an, nahm die elektronische Liste von Fridolin und verglich sie mit dem Bericht von Balduin. Sein Gesicht wirkte mit jeder Zeile ein wenig freundlicher und nach kurzer Zeit grinste er über das ganze Gesicht und drückte einen Alarmknopf der alle zu einer Besprechung in den großen Saal rief.
    Alle Oberengel und Oberwichtel, auch alle Arbeiter kamen zusammen und wunderten sich als erstes über das fröhliche Gesicht des Weihnachtsmanns.
    Der erzählte von dem Vergleich der beiden Listen. Er sagte, es war alles richtig was der Fridolin uns sagte, aber seine Daten konnten nichts auffangen, was nicht elektronisch registriert war. Das geht nur in mühevoller Kleinarbeit von unseren Beobachtungsengeln.
    Alle freuten sich über diese Nachricht und machten sich sofort wieder mit vollem Elan an die Arbeit. Der Oberengel Konrad schickte seine Engel sofort wieder los, die Berichte über die Kinder wurden gebraucht.

    Nur Fridolin war traurig, er hatte sich schon auf die neuesten Computer gefreut. Der Weihnachtsmann klopfte ihm auf die Schulter und sagte, jetzt bearbeitest du wieder die Emails der Kinder und ich sorge auch dafür, dass du nächstes Jahr einen neuen Computer bekommst, Fridolin sah ihn erstaunt an, du bist nicht böse auf mich?
    Natürlich nicht, sagte der Weihnachtsmann, immerhin hast du mir das beste Argument für die Buchhaltung geliefert. Wer zu viel spart, hat am Ende gar nichts mehr. Um gute Ergebnisse zu bekommen muss man auch gute Leistung bringen.

    So kam es, dass auch in diesem Jahr wieder alles so läuft wie es schon immer war.
    Na ja, eines hat Fridolin nach Rücksprache mit dem Weihnachtsmann, dann doch noch gemacht. Er hat die Daten die der Geheimdienst so mühselig abfischte, heimlich verschlüsselt, so dass wirklich nur noch der daran kam der auch die nötigen Berechtigungen hatte, aber das waren nicht viele. Die Daten der Kinder, so dachte er sich, gehen nun wirklich niemanden etwas an, die werden wir automatisch löschen.

    Auf dass wir alle ein schönes friedliches Weihnachtsfest feiern.

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  2. #82
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    Edle Tannen

    Verfasser unbekannt, eingesandt von Sybille Mertens


    Ein authentischer Fall von 1993


    Der Mann schaute sich suchend in dem provisorisch hergerichteten Maschendrahtgeviert um, in dem Weihnachtsbäume verschiedenster Art und Größe lagen und lehnten. Fichten neben Silber- und Nordmannstannen, Edel- und Blautannen, sogar ein paar Kiefern waren darunter.
    "Was kosten die denn so?" fragte der Mann den Christbaumverkäufer, der Ohrenschützer trug und sich eine rotweiße Pudelmütze über den Kopf gestreift hatte.
    "Kommt drauf an, was Sie haben wollen", brummte der verdrossen und rieb sich seine blaugefrorenen Hände. "Fichten gibt's ab zehn Mark, Tannen ab 25, Edeltannen ab 40 Mark. Hängt aber von der Größe ab."
    Der andere Mann nickte und schaute interessiert zu den Edeltannen. "Ich habe schon an eine Edeltanne gedacht", meinte er.
    Das Gesicht des Christbaumverkäufers erhellte sich merklich in Erwartung eines anständigen Geschäftes. Der Absatz von teuren Bäumen war bisher eher schleppend gewesen.
    Er schlug den Kragen seines grünen Drillkittels hoch, stelzte zu den Edeltannen, nahm eine mittelgroße vom Maschengeflecht und stellte sie hin, wobei er die Zweige zurechtrückte.
    "Mmmh", meinte der Mann, "hübsches Bäumchen. Wie teuer?"
    "Sechzig", sagte der Christbaumverkäufer.
    Der Mann zuckte gleichmütig die Schultern. "Na schön. Den nehme ich."
    Während der Baumverkäufer die Edeltanne in einen grünen Plastiknetzstrumpf packte, holte der andere Mann seine Geldbörse heraus, öffnete sie und blätterte im Scheinfach.
    "Hier", meinte er dann, wobei er dem Christbaumverkäufer einen Schein reichte, "kleiner hab' ich's aber leider nicht. Können Sie darauf rausgeben?"
    Der Christbaumverkäufer warf einen kurzen Blick auf den 500-Mark-Schein, den der Mann ihm hinhielt, und nickte. "Kein Problem", sagte er.
    Minuten später hatte der Mann mit der Tanne das Geviert verlassen, sie auf das Fahrrad gelegt, mit dem er gekommen war, und verschwand.
    Herbert Driesel blieb mißtrauisch stehen, als der ihm entgegenkommende Mann, der ein Fahrrad mit einer Edeltanne darauf schob, ihn ansprach. "Haben Sie schon einen Weihnachtsbaum?" fragte der Mann.
    Driesel schüttelte verdutzt den Kopf. "Nein", erwiderte er, "aber..."
    "Wollen Sie den hier?" fragte der Mann.
    Bevor Driesel darauf antworten konnte, fügte der Mann hinzu: "Ich schenke ihn Ihnen."
    "Na, wenn das so ist", meinte Driesel erfreut. "Den nehme ich gerne."
    "Fröhliche Weihnachten", sagte der Mann und ließ die Edeltanne vom Fahrrad gleiten.
    Driesel hob sie auf und bedankte sich bei dem großzügigen Spender. "Aber warum machen Sie das eigentlich?"
    Der Mann grinste:
    "Ich bin der Weihnachtsmann."
    Driesel lachte. Bevor er noch etwas sagen oder fragen konnte, hatte der Mann sich auf sein Fahrrad geschwungen und war verschwunden.
    "Das ist natürlich für Sie eine schöne Bescherung", meinte Kommissar Sengdeil mitfühlend zu seinem Gegenüber.
    Er deutete auf das Stück Papier, das vor ihm auf dem Schreibtisch lag, und schüttelte den Kopf.
    "Bescherung ist gut gesagt", erwiderte der Christbaumverkäufer im grünen Kittel wütend. "Eine Sch.... ist das sondergleichen!" Seine Ohrenschützer und die rotweiße Pudelmütze hatte er abgenommen.
    Der Mann starrte auf das Papier und biß sich auf die Unterlippe.
    "Fünfhundert Mark zum Teufel, und dazu noch der Baum", knirschte er dann bitter. "Und das nur wegen dieser dämlichen Kassiererin."
    "Tja, die hat nur ihre Pflicht getan", meinte Sengdeil schulterzuckend. "Der dürfen Sie keinen Vorwurf machen., Herr Paulig. Ich kann Ihren Ärger ja gut verstehen, aber ich sag's Ihnen gerne noch einmal: Kassierer bei Sparkassen und Banken sind dazu verpflichtet, Falschgeld einzuziehen. Die würden sich sogar strafbar machen, wenn sie es nicht täten."
    Der Christbaumverkäufer namens Paulig nickte unwillig.
    "Ist zwar kein Trost für Sie", fuhr Sengdeil fort, "aber Sie sind nicht der einzige, der so geschädigt worden ist."
    "Versteh' ich nicht." Paulig schaute den Kriminalbeamten vom Falschgelddezernat verständnislos an.
    "Allein in der letzten Woche sind achtzehn solcher Blüten aufgetaucht", erklärte Sengdeil. Er konnte dabei ein Schmunzeln nicht ganz unterdrücken.
    "Achtzehn?" echote Paulig, um dann zu fragen, als er das Schmunzeln sah: "Was ist denn daran so komisch?"
    "Mit allen achtzehn wurden Weihnachtsbäume gekauft, so wie bei Ihnen."
    Pauligs Unterkiefer sackte herunter. "Ist doch nicht möglich", sagte er dann.
    "Oh, doch. Das dürfen Sie mir glauben", versicherte ihm der Kommissar. "Verstehen Sie jetzt, warum es sehr wichtig wäre, wenn Sie mir eine Beschreibung des Mannes geben könnten, Gesichtsform Haarfarbe, Augenfarbe, Größe, Kleidung und so weiter?" Er schaute Paulig fragend an.
    Der kratzte sich den Kopf. "Eigentlich habe ich ihn mir nicht so genau angesehen. Ein ganz durchschnittlicher Mann. Vielleicht einssiebzig groß, etwas untersetzt, aber nicht dick. Grauhaarig, würde ich sagen. Ja", meinte er dann, "und er hatte ein rotlackiertes Fahrrad dabei."
    "Das ist nicht viel, aber besser als nichts", erwiderte Sengdeil. "Es deckt sich übrigens mit dem, was Ihre Kollegen uns erzählt haben. Und sonst", forschte er dann, "ist Ihnen vielleicht sonst irgendwas aufgefallen?"
    Paulig überlegte sichtlich angestrengt. "Nee", meinte er schließlich. "Was soll mir aufgefallen sein? Oder, warten Sie. Vielleicht war das ja ein Zufall... aber da kam ein Mann mit einer Edeltanne unterm Arm aus der Richtung, in der der Kerl verschwunden war. Ich erinnere mich deshalb daran, weil teure Bäume in diesem Jahr nicht gut laufen."
    Sengdeil grinste. "Paßt genau."
    "Was meinen Sie denn damit?" wollte Paulig wissen.
    "Der Bursche verschenkt die Bäume offensichtlich anschließend", klärte ihn der Kommissar auf und lachte kurz. "Humor hat er ja. Das muß man ihm lassen. Tut mir leid für Sie, Herr Paulig, aber nochmals danke."
    Der Christbaumverkäufer erhob sich, nahm Ohrenschützer und Pudelmütze, warf einen letzten begehrlich-bekümmerten Blick auf den falschen Fünfhunderter, der auf dem Schreibtisch lag, und verließ das Büro.
    Während der mächtige Farbkopierer falsche Fünfhunderter ausspuckte, zählte Schlotteck seine Beute. Säuberlich bündelte er seine Tageseinnahme an Wechselgeld auf dem kleinen Tisch in Hunderter, Fünfziger, Zwanziger und Zehner.
    Bei einem Hunderter hielt er inne, befühlte ihn sorgfältiger als die anderen, hob ihn vor die UV-Lampe, betrachtete den Schein und grinste. "Nicht schlecht gemacht", murmelte er halblaut, legte die Blüte aber beiseite.
    Als Schlotteck mit dem Zählen fertig war, lagen 12.310 Mark vor ihm. In echten, gebrauchten Scheinen. "Macht zusammen", er krauste kurz die Stirn, "34.320. Abzüglich Leasingkosten für den Kopierer", wieder legte er die Stirn in Falten, "32.320 Märker." Er rieb sich die Hände.
    Schlotteck stand auf, trat an den Kopierer und nahm den Stapel bedruckten Papiers aus dem Ausgabeschacht. Er schaltete den Kopierer ab und setzte sich wieder an den Tisch, wo er zu einer Schere griff, um mit dem Ausschneiden zu beginnen. "Morgen, Kinder, wird's was geben, summte er dabei.
    Um 14 Uhr vergewisserte Sengdeil sich nochmals. "Lametta, hier Weihnachtsblüte. Alles in Position?" Er lauschte erwartungsvoll. "Lametta 1 in Position, Weihnachtsblüte", kam es etwas rauschend aus dem Funkgerät. Aus dem Hintergrund war weihnachtliches Stimmgewirr zu hören.
    Die nächste Meldung erfolgte sofort darauf: "Lametta 2 in Position, Weihnachtsblüte."
    So ging es weiter. Alles war bereit. Sieben Männer und zwei Frauen hatte Sengdeil postiert. Jetzt blieb nur zu warten und zu hoffen, daß der Bursche auch wirklich kam.
    Sengdeil überlegte. In den letzten Tagen hatten sie den Weg des Fälschers fast komplett rekonstruieren können. Die Standplätze der Christbaumverkäufer, bei denen er seine Fünfhunderter-Blüten abgesetzt hatte, lagen zwar wahllos über die ganze Stadt verstreut, aber interessanterweise ergab der Weg des Gauners eine Spirale. Das jedenfalls zeigten die bunten Markierungsnadeln, die auf den Stadtplan gesteckt worden waren.
    Der "Weihnachtsmann", wie sie ihn nannten, hatte in den Außenbezirken angefangen und würde - wenn ihn nicht alles trog - heute, am 23. Dezember, zum großen Finale auf dem Christkindlmarkt auftauchen. 16 Uhr war die übliche Zeit seines Erscheinens gewesen. Zeit der beginnenden Dämmerung.
    Die Falsifikate waren von durchschnittlicher Qualität, für geübtes Auge und geübte Hand sofort zu erkennen. Aber in der Weihnachtshektik achtete kaum jemand darauf.
    "Hier Lametta 3, Weihnachtsblüte. Nichts Auffälliges", kam es aus dem Handfunkgerät.
    "Verstanden, Lametta 3."
    "Lametta 5, Weihnachtsblüte. Dito", meldete sich Inga, die am Imbiß neben dem Rathausbrunnen stand.
    "Wir warten", erklärte Sengdeil. Er schaute Krause an, der ihm gegenüber an dem Fenstertisch saß. "Was wettest du, Rudi?"
    "Fünfzig, daß er nicht kommt. So blöd wird der nicht sein, Werner", erwiderte Rudi und legte einen Fünfziger auf den Tisch.
    "Hundert, daß er kommt", entgegnete Sengdeil zuversichtlich. Er holte einen Hunderter heraus.
    Krause grinste. "Ich halte mit. Die Wette gilt." Er legte noch fünfzig dazu.
    Gegen halb acht begannen die ersten Verkäufer, ihre Buden zu schließen. Das Treiben auf dem Markt ließ merklich nach. Keine Spur vom "Weihnachtsmann."
    "Und jetzt, Werner?" Krause schaute seinen Chef erwartungsvoll an. "Laß uns abbrechen. Der kommt garantiert nicht!"
    Kommissar Sengdeil nickte bedächtig, biß sich auf die Unterlippe und strich sich übers Haar. "Okay", sagte er. "Blasen wir die Aktion ab. Sag denen draußen Bescheid."
    Er schob Krause den Hunderter rüber, der ihn an sich nahm und fast verlegen meinte: "Das tut mir echt leid, Werner."
    "Dir doch nicht, Rudi", feixte Sengdeil. "Wir treffen uns in einer Stunde im Sprökenstadl."
    "Also feiern willst du trotzdem?" Krause tat erstaunt.
    "Sagen wir, wir begießen die Niederlage angemessen."
    Sengdeil erhob sich, nickte seinem Kollegen zu und verließ das Lokal. "Ich gehe rüber zu Inga."
    Halb erleichtert, halb frustriert seufzte Kriminalassistentin Inga Glowick, als die Mitteilung kam, daß der Einsatz beendet sei. Über sechs Stunden hatte sie in der Kälte gestanden und, wie ihre Kollegen gespannt darauf gewartet, daß der Mann kam.
    Werner Sengdeil tat ihr leid. Und natürlich hätte der Erfolg ihnen allen gutgetan. Gerade heute, wo die Weihnachtsfeier anstand. Inga schaute auf die Uhr. Hoffentlich kam Werner schnell, der sie in seinem Wagen mitnehmen wollte. Sie warf einen Blick zu dem Lokal hinüber, von wo aus er mit Rudi den Einsatz geleitet hatte.
    Die Eingangstür öffnete sich. Werner trat heraus und ging langsam auf sie zu. Seine Schultern waren gesenkt.
    Inga wollte sich in Bewegung setzen, als es hinter ihr klingelte und eine Männerstimme sie fragte. "Verzeihen Sie, aber haben Sie schon einen Weihnachtsbaum?"
    Die Kriminalassistentin glaubte ihren Ohren nicht zu trauen und drehte sich ungläubig um. Hinter ihr stand ein ausgemachter Weihnachtsmann mit wallendem Wattebart und Lockenperücke, rotem Mantel und einem Fahrrad.
    Das Fahrrad war rot lackiert. Und darauf lag, säuberlich zusammengeschnürt, eine Edeltanne.
    "Nein, aber...", setzte Inga verdutzt an und überlegte fieberhaft.
    "Wollen Sie den hier?" fragte der Weihnachtsmann.
    Bevor Inga darauf antworten konnte, fügte der Mann hinzu: "Ich schenke ihn Ihnen."
    "Na, wenn das so ist", meinte Inga Glowick erfreut, "dann nehme ich ihn gerne."
    Sie griff in die linke Innentasche ihres Parka. "Aber Sie werden doch erlauben", sagte sie, "daß ich Ihnen als Dank auch eine Freude mache."
    Der Weihnachtsmann stutzte überrascht. "Womit?"
    "Damit", sagte Inga und ließ die Handschellen um den Arm schnappen, mit dem er das Fahrrad führte. "Sie sind verhaftet."
    Der Weihnachtsmann versuchte instinktiv, sich loszureißen. Vergebens.
    Sekunden später war Kommissar Sengdeil bei den beiden und nahm ihm Perücke und Bart ab. "Na, sieh einer an, wen haben wir denn da?" sagte Sengdeil erfreut. "Den Weihnachtsmann!" Und zu seiner Kollegin gewandt: "Fröhliche Weihnachten, Inga!"
    "Fröhliche Weihnachten, Werner!" sagte sie und lachte. "Aber mit der Feier wird's wohl heute nichts."
    "Wir kommen später nach", versicherte Sengdeil. "Sag den anderen Bescheid, sie sollen ohne uns anfangen." Er durchblätterte das dünne Bündel nagelneuer Banknoten, das er in Schlottecks Weihnachtsmannmanteltasche gefunden hatte. Acht Fünfhunderter. Blüten natürlich.
    Als Sengdeil und Inga Glowick kurz nach elf Uhr abends in das Lokal Sprökenstadl kamen, herrschte dort eine Bombenstimmung.
    Rudi Krause schüttelte Sengdeil die Hand. "Glüchwunsch, Werner, du hast mal wieder den richtigen Riecher gehabt. Glück für dich, Pech für mich. Hier." Er reichte Sengdeil den Hunderter, den dieser ihm gegeben hatte. "Und hier." Er gab ihm die zwei Fünfziger.
    "Moment mal", sagte Sengdeil, stutzte und musterte überrascht den Hunderter.
    "Was ist?" wunderte sich Rudi.
    "Sieh dir den mal genauer an", meinte Kommissar Sengdeil trocken.
    Rudi stutzte seinerseits, tastete, hielt ihn ins Licht und schüttelte dann den Kopf. "Das darf nicht wahr sein, und sowas passiert ausgerechnet uns!" sagte er, als er sah, dass es eine Blüte war.
    "Gib ihn nach den Feiertagen in der Asservatenkammer ab", mahnte Sengdeil.
    Rudi nickte und wollte sich wieder zu den anderen an den Tisch setzen.
    "Moment mal, Rudi", sagte Sengdeil und hielt die Hand auf. "Du bist mir noch einen Hunderter schuldig."
    "Schlitzohr", knurrte Rudi.
    Dann lachten beide.

  3. #83
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    Das besondere Weihnachtsgeschenk

    Weihnachtskurzkrimi von Gabriele Maricic–Kaiblinger


    Lautlose Schneeflocken bahnten sich ihren Weg auf seine tief ins Gesicht gezogene Kapuze, während er auf der Bank saß und angespannt auf das rege Treiben vor dem gegenüberliegendem Juweliergeschäft starrte.

    Nur noch ein Mal, ein letztes Mal. Nur noch diese Halskette für sie. Jetzt zu Weihnachten ihr diese Freude machen …
    Nur noch das eine Mal, nur für sie … Für sie, seine geliebte Partnerin, die nichts von seiner kriminellen Laufbahn ahnte. Sie hatte sich in den charmanten Handlungsreisenden verliebt, der redegewandt und witzig war. Von seinen wirklichen „Geschäften“ wusste sie nichts. Es waren auch keine ganz großen, nein, kleine Diebstähle, manchmal Betrügereien, „Geldumschichtungen“ wie er es nannte, und stets nur von Leuten, die genug hatten.
    Niemals würde er auf den Gedanken kommen, jemandem, der selbst kaum über die Runden kam, noch was wegzunehmen. Das war so was wie ein „Ehrenkodex“ für ihn. Er nahm nur von den Reichen, aber nicht, weil er es ihnen etwa nicht gönnte, gleichfalls nicht, weil er mit seinem regulären Einkommen nicht auskommen würde, nein, weil es ihm eben im Blut lag – dieser Nervenkitzel, dieses ganz eigene Gefühl … Er hatte sie kennengelernt, als er eben einen MP3–Player in seiner Hosentasche verschwinden ließ und eilends das Kaufhaus verließ. Zu eilends, denn er übersah, dass eine ebenfalls sich eilends bewegende junge Frau zur Eingangstür hereintrat und stieß mit ihr zusammen. Mit I H R …
    Nach den ersten dahingestammelten Entschuldigungen sahen sie sich an und gingen auf einen Kaffee, was schließlich in einem gemeinsamen Abendessen mündete. Und während sie sich unterhielten, miteinander lachten und sich auf Anhieb verstanden, während dieser ganzen Zeit brannte der MP3–Player in seiner Hosentasche, brannte, als bestünde er aus Feuer. So was hatte er noch nie erlebt, so was war eine ganz neue Erfahrung für ihn. In diesem Moment beschloss er, es zu lassen, diesmal – versucht hatte er es ja schon öfter – für immer, denn er wusste und fühlte sofort, S I E war die Richtige, so kitschig dies klang. An diesem Heiligen Abend nun, wollte er ihr D I E Frage aller Frage stellen.
    Die Ringe dafür hatte er schon gekauft – natürlich gekauft, er war ja ehrlich geworden und wollte sein zukünftiges Leben mit ihr nicht mit einer kriminellen Handlung beginnen. Aber die Halskette, die ihr beim Vorbeigehen einmal aufgefallen war und so gut gefallen hatte, die sollte sein letztes „Gaunerstück“ sein, mit etwas Besonderem wollte er seine kleinkriminelle Laufbahn endgültig beschließen. Denn etwas Besonderes war es, in ein richtiges Juweliergeschäft einzubrechen und nicht nur in einem Kaufhaus, wo sich die Menschen wie Ameisen tummeln, etwas mitgehen zu lassen. Aber das letzte Mal musste es einfach etwas Besonderes sein
    – für S I E – und gleichzeitig für ihn selbst ein letzter Nervenkitzel als ganz besonderes Weihnachtsgeschenk.

    Er hob den Kopf, streckte ein wenig seinen Nacken und atmete tief die würzige Winterluft ein. Es kam ihm vor, als wehe ein Hauch von Bratapfelduft von der belebten Geschäftsstraße herüber und in seiner Fantasie roch er außerdem den Weihnachtsbraten und die von ihr selbstgebackenen Vanillekipferln.
    Er wartete, bis der letzte Kunde das Geschäft verließ, abgeschlossen wurde und alle gegangen waren. Dann stand er auf, ging über die Straße, um das Geschäft herum, bis zum Hintereingang. Sah sich kurz um und ging dann ins Haus daneben. Dieses war leer und stand zum Abbruch bereit. Hier hatte früher mal ein Freund von ihm gelebt und daher wusste er, dass vom Keller aus eine Verbindung zum Nebengebäude, in dem seit einigen Jahren eben jenes Juweliergeschäft untergebracht war, bestand. Diese Verbindung war einst natürlich zugemauert worden, aber dadurch, dass dieses Gebäude nun bereits ziemlich desolat war, hatte er einen Schlupfweg gefunden, den er in den letzten Tagen beharrlich „bearbeitet“ und so erweitert hatte, dass er nun ohne weiteres durchkriechen konnte. Und das tat er nun, davor zog er jedoch noch seine dicke Jacke aus, damit er mehr Bewegungsfreiheit hatte. Ein paar Minuten später stand er im Kellerraum des Juweliers, brach die Tür auf, was für ihn keine Schwierigkeit war, ging hinauf in die Nebenräumlichkeiten, fand den Schaltkasten, schaltete die Alarmanlage aus und bearbeitete vorsichtig die Tür zum Geschäftsraum. Alles keine Schwierigkeit für einen „Profi“ wie ihn. Im Geschäftsraum bewegte er sich geduckt hinter den Ladentheken weiter, denn die Weihnachtsdekoration leuchtete hell und von außen konnte durch die großen Auslagenscheiben gut eingesehen werden. Wo die ersehnte Halskette lag, wusste er genau. Rasch ergriff er sie und zögerte kurz. Zu viele tolle Sachen lagen hier herum, aber er widerstand der Versuchung, begab sich auf dem gleichen Weg zurück, den er gekommen war und sah sich in Gedanken bereits das zu Hause noch schön verpackte Geschenk seiner Angebeteten heute Abend nach dem Essen übergeben.

    Was er nicht bemerkt hatte, war das Polizeiauto, das vorm Juweliergeschäft angehalten hatte, weil einer der beiden Polizisten sich noch schnell über den Preis eines ausgestellten Armbands vergewissern wollte. Und als sich dessen Blick vom Armband abwandte, fiel dieser auf einen sich bewegenden Haarschopf hinter der Ladentheke. Der Polizist gab seinem Kollegen Bescheid, die Vorderfront im Auge zu behalten, während der Polizeibeamte selbst sich vorsichtig hinter das Gebäude begab.

    Und so kam es, dass - als er seine Jacke wieder angezogen hatte, aus dem Abbruchgebäude trat, die frische, kalte Luft tief einsog und sich über die langsam lautlos fallenden dicken Schneeflocken freute, während ihn, in Aussicht auf den Abend, ein tiefes Glücksgefühl erfasste -, plötzlich wie von fern her die Worte:
    „Nehmen Sie langsam die Hände aus den Taschen und halten Sie sie hoch“, an seine Ohren drangen....

  4. #84
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    Es war einmal ein kleines Eselchen....

    von Alice Kleefeld


    ...das lebte auf einem Bauernhof mitten auf dem Lande zusammen mit einer Kuh, einem Schaf, einem Hahn und einem Schwein in einem gemütlichen Stall. Jedes Jahr um die gleiche Zeit, stellte Eselchen fest, dass die Bauernleute geschäftig hin und her liefen. Der Hof wurde sauber gemacht, die Fenster festlich geschmückt, der Bauer holte einen Tannenbaum aus dem Wald.
    Für die Gans Frieda war es auch jedes Mal ein Stress. Sie wurde zuerst gejagt, dann auf einen Holzpfosten gesetzt. Dann kamen die Bauernkinder und heulten und dann brachte der Bauer Frieda wieder zurück in ihren Stall. Das geschah jedes mal so, schon seit vielen, vielen Wintern.
    An einem ganz bestimmten Abend kamen dann viele Freunde, Verwandte und andere Gäste und brachten lustig verpackte Päckchen mit. Als Eselchen feststellte, dass es wohl mal wieder soweit war und dieses geschäftige Treiben auf dem Hof wieder einsetzte, sagte es zu seinen Freunden im Stall:
    "Ich würde auch so gerne einmal so viele Freunde haben und so viele Geschenke bekommen - und vor allem einen riesengroßen Sack Mohrrüben."
    Die Freunde, die Eselchen sehr mochten, weil es eigentlich die härteste Arbeit am Hof verrichten musste -nämlich die schweren Karren mit dem Futter in den Stall zu fahren- berieten sich, als Eselchen einmal unterwegs war und beschlossen, ihm in diesem Jahr eine große Freude zu machen. Jeder überlegte, was er Eselchen schenken könnte und stob dann davon, um es zu besorgen.
    Es war wieder einmal Abend, die Lichter im Bauernhaus wirkten vom Schnee auf dem Hof noch heller. Viele Gäste kamen, und brachten, wie in jedem Jahr viele schöne Sachen mit. Seufzend stand Eselchen an der Stalltüre und sah dem lustigen und bunten Treiben zu.
    Ein Tränchen kullerte über das struppige Fell und gefror gleich, als es in den Schnee fiel.
    Plötzlich hörte es, wie im Stall heftig gescharrt und gewispert wurde und als es sich umdrehte, standen seine Freunde alle um einen großen Berg Geschenke herum und strahlten.
    "Die sind alle für Dich, Eselchen. Weil Du uns das ganze Jahr über immer unser Futter in den Stall bringst und so lieb zu uns bist."
    Eselchen war überwältigt."Alles für mich ?"
    fragte es und fing schon an, die Geschenke auszupacken. Da gab es einen Kamm vom Schwein, einen Schlitten vom Schaf, eine Dose mit Linsen von der Kuh und einen Sack Mohrrüben vom Hahn. Sie hatten alles auf dem Hof gefunden und für Eselchen schön verpackt in Säcken mit Schleifchen versehen.
    Eselchen freute sich riesig und konnte gar nicht genug "Danke" sagen.
    Danach sassen Sie alle beisammen und hörten dem Gesang aus dem Bauernhaus zu. Dabei dachte Eselchen so für sich:
    "Was soll ich mit einem Kamm, ein Eselchen kämmt sich doch nicht. Und was soll ich mit einem Schlitten, ich kann doch gar nicht Schlitten fahren. Was mache ich mit der Dose Linsen, schmecken würde es mir vielleicht schon, doch wie soll ich die Dose aufbekommen. Und wenn ich so die ganzen Mohrrüben auf einmal esse, wird mir schlecht.
    Etwas nachdenklich und auch ein bisschen traurig ging Eselchen schlafen.
    Mitten in der Nacht kam die Gans Frieda in den Stall und legte sich neben Eselchen zum schlafen.
    "Du, Frieda, ich habe heute viele Geschenke bekommen, aber irgendwie so richtig froh und glücklich bin ich trotzdem nicht. Was kann das bloß sein ?"
    Frieda, die sehr klug und erfahren war sagte daraufhin:
    "Eselchen, Du hast dich blenden lassen und dabei das allerwichtigste am Weihnachtsfest vergessen". "Was denn?" fragte Eselchen.
    "Dass Du gute Freunde hast, die Dich lieben und die alles für Dich tun würden.
    Und liebes Eselchen, erwiderte Frieda:

    LIEBE das ist der Sinn des Weihnachtsfestes !" Name:  schneem33.gif
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  5. #85
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    Der kleine Tannenbaum

    von Carina Schmidt


    Der kleine Tannenbaum war traurig, – so traurig, wie man als Tannenbaum bloß sein kann. Erst hatte er sich so gefreut, dass sie ihn mitgenommen hatten, ihn auf einen großen Wagen gepackt hatten, ihn in die Stadt gefahren hatten, und dann auch gleich auf den Marktplatz rauf, – so richtig schön ins bunte Leben, ins Treiben und in den Trubel hinein.

    Und nun -? Nun lag er hier schon acht Tage am Weihnachtsbaumverkauf und keiner guckte ihn an. All die anderen Bäume, die so in seinem Alter und auch aus seiner Gegend waren, die waren alle schon verkauft. Die meisten von ihnen standen jetzt wohl alle in so einem kleinen, molligen Haus, standen fast alle in einem Ständer und wurden alle bunt sowie festlich geschmückt. – Und er? Er lag hier im Stoff rum und konnte hier versauern. Keiner wollte ihn haben. „Was ist das denn da für ein kleiner Baum?“ fragen die Leute immer.

    „Och, das ist einer aus dem Unterholz, der ist gut fürs Feuer als Brennholz!“ sagt Jochen jedes Mal. „Da hatt‘ der Bauer mich wohl angeschmiert. Das hab ich gar nicht gemerkt. Dem ist als „Kind“ wohl einmal die Spitze abgebrochen, und dann ist er so ein bisschen krumm um die Ecke gewachsen. – Wenn Sie ihn mitnehmen wollen,–? Meinetwegen!“

    Aber dann schütteln vor allem die Frauen immer alle mit dem Kopf und sehen sich nach einem anderen Baum um. „Oh ne, diese Menschen -?!“ dachte der kleine Tannenbaum. Und er dachte in Gedanken zurück an sein bisheriges Leben, und dachte: „Oh, diese verdrehten Jungs!? Wo denn die Gäste wohl alle abgeblieben sind? Die mögen ja nun alle groß sein, – laufen vielleicht alle in Schlips und Kragen herum, und denken gar nicht mehr an mich. Und die Lümmel wissen wahrscheinlich gar nicht, was sie angerichtet haben.– Kommen da einfach so angesaust — um „Krieg zu spielen“ – und schmeißen sich da – mit drei Mann – dicht bei mir ins Gras. Und denn — „So, Willi, sagt der eine, „bis hier sind wir gewesen, bis ans Holz ran!“ – „Ja, Heini“, sagt der andere, „und zum Zeichen, dass wir hier gewesen sind, nehmen wir uns Tannenzweige mit!“ – „Ach was – Zweige!?“ sagt Hannes Unbehaun. „‚Zweige sind gar nichts, — ’ne Spitze muss das sein! Hier diese schöne lange!“ Und damit riss er auch sein Messer aus dem Riemen, und schnitt mir meine Spitze ab, meine schöne lange Spitze-, so da war sie ab, dicht oben bei den höchsten kleinen Zweigen!

    Oh, was hat das weh getan und was hat das geblutet!
    Drei Wochen hatt‘ das geblutet. Aber dann – hab ich mich gerettet und mir selbst geholfen. Hab einen von meinen besten Zweigen steil nach oben gebohrt – so gut es ging, und bin dann wieder so gewachsen, fünf Jahre hindurch, – und eigentlich fast ebenso hoch geworden wie die anderen Bäume. – Aber nun – ? Nun hat das wohl alles nichts geholfen -? Wenn mich doch nun keiner haben will -? Wäre ich doch mal lieber noch ein bisschen im Wald geblieben! – Oh, diese vermaledeiten Jungs! Und dieser verdammte Hannes Unbehaun! – Wenn ich dem an die Kleider kommen könnte, mit all‘ meinen spitzen Nadeln würde ich ihm in die Augen pieken, dass ihm die Tränen über die Wangen laufen.

    „Guten Tag, Jochen!“ kam da auf einmal jemand angehumpelt.
    „Was ist? Haste für mich auch noch einen?“
    Jochen dreht sich um und wundert sich:
    „Hallo -! Mensch, Hannes – ?! Hannes Unbehaun! Lebst du auch noch? Wo kommst du denn her?
    Dich hab ich ja sieben kalte Winter nicht mehr gesehen?“
    „Ja, das mag man wohl sagen, Jochen. Och, ich bin schon wieder eine ganze Weile Zuhause, – war erst noch lange im Lazarett gewesen, und bin denn –“ „Du gehst am Stock -? Hast wohl was abbekommen -? Was am Bein – ?“ „Ja, am Bein und am Arm, und am Fuß und überhaupt. Ich hab meinen Teil weg. Aber — lass man. Hilft ja alles nichts! — Was ist? Hast du noch einen kleinen schönen Baum für mich? „Ja, die kleinen sind alle weg, Hannes. – Aber hier, die paar letzten großen noch! Was sagst du dazu? – Such dir einen aus!“

    „Ach nee, Jochen, das ist nichts für uns. Die bekommen wir ja gar nicht in unsere kleine Hütte hinein. Nein, ich dachte so einen, den ich auf die Kommode stellen kann. – Was ist das denn für ein Exemplar da in der Ecke? Oder ist der verkauft? „Nee, Hannes, verkauft ist der noch nicht, aber – das ist Ausschuss, weißt du. Da hat der Bauer mich angeschmiert. Der hat sich als „Kind“ wohl mal die Spitze abgebrochen und ist dann so ein bisschen krumm um die Ecke gewachsen und ist verkrüppelt.“ —-
    „So“, dachte der kleine Tannenbaum, „nun ist das wieder so weit!
    Nun dreht er sich um – geht weg – oder sucht sich einen anderen aus.
    Hannes Unbehaun! – Du, Hannes! Guck mich doch mal an! – Kennst du mich denn gar nicht mehr!“ —- „Das ist der letzte Ausschuss“, meint Jochen wieder. „Das ist einer fürs Feuer, als Brennholz gut. Hat er Bauer mich angeschmiert!“

    „Er hat aber feine dichte Nadeln“, sagt Hannes Unbehaun, und er beäugt den Baum von oben bis unten und dreht ihn hin und her.
    „Und ist unten auch schön gerade gewachsen!“
    „Ja, das ist er, — bis auf die schiefe Spitze eben, – .“
    „Und da kann er ja auch nichts für. Weißt du, was der mal hatte -? Ist wohl auch mal ein bisschen „kriegbeschädigt“ worden, – genauso wie ich. — Gib ihm mir mal mit, Jochen!
    Wenn er bei uns auf der Kommode steht, und ist ein bisschen bunt geschmückt oder zehn kleine Lichter auf den Nadeln, –“
    “ Dann ist da nichts mehr von sehen, dass er ein wenig schief ist. Das ist auch wahr, Hannes.
    Nimm ihm mit! Wenn du ihn leiden magst -!“
    „Jo, – was soll er denn kosten, Jochen?“ „Nichts, Hannes, – den schenk‘ ich dir zu Weihnachten. Bloß das ich ihn loswerde, – ich würde doch nur darauf sitzen bleiben. – Komm, – ich steck‘ ihn dir untern Arm! Geht das so? Hast ihn gut gefasst?“ „Ja, hab ich!“, sagt Hannes.
    „Vielen Dank, Jochen! Nun denn – frohes Fest!“

    Und nun machte sich Hannes Unbehaun Schritt für Schritt mit seinem kleinen Tannenbaum auf nach Hause. Und der kleine Tannenbaum kroch ganz dicht an ihn heran, und wollte gar nicht mehr von ihm lassen, – und war auch gar nicht mehr traurig. —-Und abends saß Hannes Unbehaun mit seiner kleinen Mutter – und mit seiner großen feinen Dirn, die dieses Jahr das erste Mal mit ihm zusammen feiern wollte – dicht aneinander gerückt unter dem lütten Baum.
    Und sie guckten alle drei mit blanken, leuchtenden Augen in die kleinen Lichter und saßen ganz still und andächtig.
    Name:  baum22.gif
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Größe:  3,6 KB Und der kleine Tannenbaum reckte seine schiefe Spitze bis ganz nach oben,— und freute sich so doll, wie sich bloß ein Tannenbaum freuen kann.

  6. #86
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    Das Weihnachtsglühwürmchen

    von Barbara Pronnet


    Der Winter hatte Einzug gehalten. Und es lag dieser gewisse Zauber in der Luft, der die Weihnachtszeit begleitet. In der frostigen Erde schlummerten eng zusammengekuschelt und mucksmäuschenstill viele kleine Glühwürmchenlarven und träumten von dem nahen Frühling. Die Sonne strahlte vom tiefblauen Himmel und verkündete den Weihnachtstag.

    Doch schliefen wirklich alle Larven? Da bewegte sich doch was. Eines davon litt an chronischem Schlafmangel. Irgendwie wollte es nicht klappen mit der Winterruhe. Es wurde ständig wach, schaute auf seine schlafenden Geschwister und begann sich zu langweilen. Warum dauert das denn noch so lange? Eigentlich wäre es bereit zu schlüpfen. Und so hell war es hier. Es beschloss die Zeit zu nutzen und unbemerkt von seinen schlafenden Mitlarven die vermeintlich kleine Welt zu erkunden. Es spürte dass es sich nur noch einmal richtig strecken musste und schon würde es seine ganze Pracht entfalten. Ungeduldig zappelte es vor sich hin und seine Brüder und Schwester fingen an sich zu rühren. Bloß nicht aufwecken, dachte es und bohrte sich langsam durch die kalte Erde in das strahlende Licht.

    Als es mit seinem kleinen Köpfchen durch die harte Masse stieß, fühlte es plötzlich ein kaltes, ungewohntes Nass. Es schaut in die Sonne und ließ sich sein Köpfchen wärmen. Es nahm einen tiefen Atemzug ungewohnt frischer Luft und krabbelte vorsichtig durch den Schnee. Doch es war eindeutig zu kalt, das stand fest – Sonne hin oder her. Es besann sich umzukehren, um sich an seinen Artgenossen zu wärmen. Aber trotz der Kälte hatte der Schnee im Sonnenlicht eine magische Anziehungskraft. Alles sah so frisch und glänzend aus.

    Es beschloss, einen kleinen Spaziergang zu machen, bevor es in sein Nest zurück krabbeln wollte und machte sich auf den Weg. Die Büsche und Bäume im Garten waren verschneit und der Käfer wagte einen mutigen ersten Flugversuch nach oben.

    Hoho, das funktionierte aber noch nicht. Noch mal, los geht’s, dachte es und plötzlich klappte es seine kleinen Flügel aus und erhob sich federleicht in den Himmel. Was für ein Gefühl. So hatte es sich das immer vorgestellt. Das weiße Zeug war ja ganz nett, wenn nur diese lausige Kälte nicht gewesen wäre. Taumelig und schwankend flog das Würmchen in Richtung einer Tanne und ließ sich auf deren Zweig nieder. Völlig außer Puste musste das Würmchen erst mal verschnaufen.

    Wie schön es war draußen zu sein. Stolz putze er seine Flügelchen und blinzelte in die Sonne. Das warme Licht machte ihn aber träge und so kam es, dass es ganz langsam einnickte und in tiefen Schlummer versank.

    Halb steif gefroren wurde es wach und erschrocken blickte der kleine Käfer um sich. Stockdunkel war es auf einmal und eisig kalt. Es konnte sich nicht erklären, warum die Sonne so plötzlich verschwunden war. Schnell zurück in die Kinderstube, dachte es, erhob sich und flog wirr in der Dunkelheit umher. Wo war der Eingang zu seiner Heimat? Doch dann, plötzlich, sah es in der tiefen schwarzen Nacht einen schwachen Lichtschimmer. Er flog unsicher auf das Licht zu, welches immer heller und heller wurde. Magisch angezogen hörte es Stimmen und einen seltsamen Singsang.

    War es ein Impuls, Instinkt oder ähnliches, unser Würmchen schaltete automatisch seine Laterne an – klick - und machte sich auf den Weg.

    Das kleine Käferchen flog direkt zum Haus der Familie Schweiger.
    Mama, Papa, Tochter und Großeltern hatten gut gespeist und getrunken und die Kerzen am Christbaum angezündet. Sie sangen „Stille Nacht“ und freuten sich auf die Bescherung.

    Mama Schweiger hatte die Terrassentüre leicht geöffnet, damit frische Luft herein kam. Genau durch dieses Fenster surrte das Käferchen, angezogen durch das für ihn unermesslich erscheinende Lichtermeer. Es schwirrte durch den Raum als plötzlich die kleine Tochter schrie: „Ein Glühwürmchen! Schaut nur!“ und deutete aufgeregt auf das verirrte Tier.

    „Das gibt’s doch nicht im Winter, ja so was“ staunte die Mama und alle starrten auf den kleinen Käfer, der magisch vom Christbaum angezogen auf ihn zuflog. „Schnell, macht die Kerzen aus, sonst fliegt es noch in die Flammen!“ Papas Stimme überschlug sich. Die Familie stürzte auf den Baum zu und losch die flackernden Kerzen.

    „Wir wünschen uns jetzt alle Gesundheit und Frieden. Das ist ein besonderes Zeichen heute am heiligen Abend“ sagte die Mama gerührt und alle nickten ergriffen.

    Das Glühwürmchen sah nur wieder Dunkelheit und flog völlig verwirrt im heimeligen Wohnzimmer herum. Wo war es nur, es war doch alles so hell und jetzt leuchtet nur noch mein Hintern, dachte es. Es glaubte zu träumen.

    „Wir machen das Terrassenlicht an, dann findet es hoffentlich wieder raus“ meinte die Oma und lief zum Lichtschalter in den Flur. Opa hingegen, der kein Verächter eines guten Schluckes war und bereits ordentlich Alkohol intus hatte, starrte auf das kleine Irrlicht.

    „Schaut nur ein Glühweinchen“ nuschelte er und zeigte mit dem Finger auf das Licht.

    Alle lachten den beschwipsten Opa aus und sahen erleichtert, dass sich das Glühwürmchen Richtung Fenster und nach draußen begab.

    „Pass auf dich auf, kleines Glühwürmchen und Danke“ rief die Tochter und winkte ihm in der Dunkelheit hinterher.

    Unser Glühwürmchen flog erleichtert in die frische Luft und weil die kleine Laterne in seinem Hintern hell genug leuchtete, sah er auch wieder die Stelle wo er aus der Erde gekrochen kam. Jetzt aber schnell nach Hause, so ein Tumult ist eindeutig zuviel, dachte es, und wurde schlagartig müde, aber so richtig müde. Und schwups, landete es am Eingang seiner Behausung. Eilig krabbelte es mit seinen Beinchen in die Erde hinein und schlüpfte zu seinen Geschwistern. Es schmiegte sich mitten in die schlafende Menge und schloss erleichtert die Augen.

    War das aufregend, dachte es, ich habe soviel gesehen, und gleich ein Abenteuer erlebt. Mein Hintern leuchtet in der Dunkelheit, so was aber auch.

    Da kann ich aber was erzählen wenn die anderen aufwachen freute es sich.

    Oder hatte es das alles doch nur geträumt?

  7. #87
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    Der Weihnachtsmann in der Lumpenkiste

    von Erwin Strittmatter


    In meiner Heimat gehen zum Andreastage, dem 30. November, die Ruprechte von Haus zu Haus. Die Ruprechte, das sind die Burschen des Dorfes in Verkleidungen, wie sie die Bodenkammern und die Truhen der Altenteiler, der Großeltern hergeben. Die rüden Burschen haben bei diesem Rundgang durch das Dorf keineswegs den Ehrgeiz, friedfertige Weihnachtsmänner zu sein. Sie dringen in die Häuser wie eine Räuberhorde. Sie schlagen mit Birkenruten um sich, werfen Äpfel und Nüsse, auch Backobst ins Zimmer. Sie brummen wie alte Bären und wackeln mit den vermummten Köpfen. "Können die Kinder beten?" brummen sie. Die Kinder beten. Sie beten vor Angst kunterbunt:
    "Müde bin ich, geh' zur Ruh' … komm, Herr Jesus, sei unser Gast … der Mai ist gekommen…"

    Wenn die Ruprechthorde die kleine Dorfschneiderstube meiner Mutter verlassen hatte, roch es darin noch lange nach stockigen Kleidungsstücken, nach Mottenpulver und reifen Äpfeln. Meine kleine Schwester und ich aber saßen unter dem großen Schneidertisch. Die Tischplatte schien uns ein besserer Schutz als unsere Gebetchen, und wir wagten lange nicht hervorzukommen, noch weniger das Dörrobst und die Nüsse, die die Ruprechte in die Stube geworfen hatten, anzurühren. Das hat denn auch meiner Mutter nicht gefallen, denn sie bestellte im nächsten Jahr die Ruprechte ab. Oh, was hatten wir für eine mächtige Mutter! Sie konnte die Ruprechte abbestellen und dafür das Christkind einladen.

    Zu uns kam also jahrsdrauf das Christkind, um uns mit den üblichen Weihnachtsbringern zu versöhnen. Das Christkind trug ein weißes Tüllkleid und ging in Ermangelung von heiligweißen Strümpfen - es war im Ersten Weltkrieg - barfuss in geborgten Brautschuhen. Sein Gesicht war von einem großen Strohhut überschattet, dessen Krempe mit Wachswattekirschen garniert war. Vom Rande des Strohhutes fiel dem Christkind ein weißer Tüllschleier ins Gesicht. Das holde Himmelskind sprach mit piepsiger Stimme und streichelte und sogar mit seinen Brauthandschuhhänden.
    Als wir unsere Gebete abgerasselt hatten, wurden wir mit gelben Äpfeln beschenkt, die den Goldparmänenäpfeln, die wir als Wintervorrat auf dem Boden in einer Strohschütte liegen hatten, sehr glichen.

    https://de.wikipedia.org/wiki/Goldparm%C3%A4ne

    Das sollen nun Himmelsäpfel sein? Wir bedankten uns trotzdem artig mit ‚Diener' und ‚Knicks', und das Christkind stakte auf seinen nackten Heiligenbeinen in den Brautstöckelschuhen davon.

    "Habt ihr gesehen, wie's Christkind aussah?" fragte meine mit dem Christkind zufriedene Mutter.

    "Ja", sagte ich, "wie Buliks Alma hinter einer Gardine sah's aus." Buliks Alma war die etwa vierzehnjährige Tochter aus dem Nachbarhause. An diesem Abend sprachen wir nicht mehr über das Christkind. Vielleicht kam die Mutter auch wirklich nicht ohne Weihnachtsmann aus, wenn sie sich tagsüber die nötige Ruhe in der Schneiderstube erhalten wollte. Jedenfalls sollte der Weihnachtsmann nach dem missglückten Christkind nunmehr eine Werkstatt über dem Bodenzimmer unter dem Dach eingerichtet haben. Das war freilich eine dunkle, geheimnisvolle Ecke des Häuschens, in der wir noch nie gewesen waren. Die Treppe führte nicht unter das Dach, und eine Leiter war nicht vorhanden. Die Mutter wusste so geheimnisvoll zu erzählen, wie sehr der Weihnachtsmann dort oben nachts, wenn wir schliefen, arbeitete, dass uns das Umhertollen und Plappern verging, weil der Weihnachtsmann sich bei Tage doch ausruhen und schlafen musste.

    Eines Abends vor dem Schlafengehen hörten wir dann auch wirklich den Weihnachtsmann in seiner Werkstatt werken, und die Mutter war sicher an jenem Abend dankbar gegen den Wind, der ihr beim Märchenmachen behilflich war.

    Soll der Weihnachtsmann Nacht für Nacht arbeiten, ohne zu essen? Diese Frage stellte ich hartnäckig.

    "Wenn ihr artig seid, isst er vielleicht wahrhaftig einen Teller Mittagessen von euch", entschied die Mutter.

    Also erhielt der Weihnachtsmann am nächsten Tage von meiner Schwester und mir einen Teller Mittagessen. Den Teller stellten wir nach Ratschlägen unserer Mutter an der Tür des Bodenstübchens ab. Ich gab meinen Patenlöffel dazu. Sollte der Weihnachtsmann vielleicht mit den Fingern essen?

    Bald hörten wir unten in der Schneiderstube, wie der Löffel im Teller klirrte. Oh, was hätten wir dafür gegeben, den Weihnachtsmann essen sehen zu dürfen; allein die gute Mutter warnte uns, den alten, wunderlichen Mann ja nicht zu vergrämen, und wir gehorchten.

    Versteht sich, dass der Weihnachtsmann nun täglich von uns verköstigt wurde. Wir wunderten uns, dass Teller und Löffel, wenn wir sie am späten Nachmittag vom Boden holten, blink und blank waren, als wären sie durch den Abwasch gegangen. Der Weihnachtsmann war demnach ein reinlicher Gesell, und wir bemühten uns, ihm nachzueifern. Wir schabten und kratzten nach den Mahlzeiten unsere Teller aus, und dennoch waren sie nicht so sauber wie der leere Teller des heiligen Mannes auf dem Dachboden. Nach dem Mittagessen hatte ich als Ältester, um meine Mutter in der nähfädelreichen Vorweihnachtszeit zu entlasten, das wenige Geschirr zu spülen, und meine Schwester trocknete es ab. Da der Weihnachtsmann nun sein Essgeschirr im blitzblanken Zustand zurücklieferte, versuchte ich ihm auch das Abwaschen unseres Mittagsgeschirrs zu übertragen. Es glückte. Ich ließ den Weihnachtsmann für mich arbeiten, und meine Schwester war auch nicht böse, wenn sie die leicht zerbrechlichen Teller nicht abzutrocknen brauchte. War es Forscherdrang, der mich zwackte, war es, um mich bei dem Alten auf dem Dachboden beliebt zu machen: Ich begann ihm außerdem auf eigene Faust meine Aufwartung zu machen. Bald wusste ich, was ein Weihnachtsmann gerne aß. Von einem Stück Frühstücksbrot, das ich ihm hingetragen hatte, aß er zum Beispiel nur die Margarine herunter. Der Großvater schenkte mir ein Zuckerstück, eine rare Sache in jener Zeit. Ich schenkte das Naschwerk dem Weihnachtsmann. Er verschmähte es. Oder mochte er es nur nicht, weil ich es schon angeknabbert hatte? Auch einen Apfel ließ er liegen, aber eine Maus aß er. Dabei hatte ich ihm die tote Maus nur in der Hoffnung hingelegt, er würde sie wieder lebendig machen; hatte er nicht im Vorjahr einen neuen Schwanz an mein Holzpferd wachsen lassen?

    Soso, der Weihnachtsmann aß also Mäuse. Vielleicht würde er sich auch über Heringsköpfe freuen, die meine Mutter weggeworfen hatte. Ich legte drei Heringsköpfe vor die Tür der Bodenstube, und da mein Großvater zu Besuch war, hatte ich sogar den Mut, mich hinter der Lumpenkiste zu verstecken, um den Weihnachtsmann bei seiner Heringskopfmahlzeit zu belauschen. Ganz wohl war mir nicht dabei. Mein Herz pochte in den Ohren. Lange zu warten brauchte ich indes nicht, denn aus der Lumpenkiste sprang - "Murr! Miau!" - unsere schwarzbunte Katze, die dort den Tag im warmen Lumpengewölle verschlief. Eine Erschütterung ging durch mein kleines Herz. Ich schwieg jedoch über meine Entdeckung und ließ meine Schwester fortan den Teller Mittagbrot allein auf den Boden zu schaffen.

    Bis zum Frühling bewahrte ich mein Geheimnis, aber als in der Lumpenkiste im Mai, da vor der Haustür der Birnbaum blühte, vier Kätzchen umherkrabbelten, teilte ich meiner Mutter dieses häusliche Ereignis mit:

    "Mutter, Mutter, der Weihnachtsmann hat Junge!"

  8. #88
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    Der Junge, der von den Sternen kam

    Autor: Gernot Jennerwein



    Wenn man in einer klaren Winternacht draußen im scharfen Wind steht und zum Himmel schaut, dann sieht man hinter vielen Sternen und noch mehr Sternen einen ganz besonderen Stern. Er leuchtet ungewöhnlich hell, heller als all die anderen, und betrachtet man ihn eine Zeit lang, dann könnte man fast glauben, er ist gar nicht allzu weit von der Erde entfernt. Aber kein Mensch war jemals in seiner Nähe, nicht einmal die Astronauten mit ihren Raketen, weil sie denken, dort könne ohnehin niemand leben.
    Doch das stimmt nicht ganz, denn einmal war ein kleiner Junge auf dem Stern zu Hause. Ein überaus magerer Junge mit blassem Gesicht, müden Augen und immer dunklen Augenringen darunter, die ihm wohl eine etwas kränkliche Natur bescheinigt hätten, wäre da nicht sein Haar gewesen, das wie Sternenstaub im Sonnenwind überaus lebendig schimmerte.

    Der Junge war ein Sternenkind, und wie es bei einem Sternenkind üblich ist, lebte er ganz allein auf seinem Stern. Eigentlich hätte der Knabe ein recht zufriedenes Kind sein können, denn was sein Herz auch begehrte, auf dem Stern, der ein Zauberstern war, gingen all seine Wünsche in Erfüllung. Er brauchte nur die Augen zu schließen, an ein beliebiges Spielzeug zu denken, und schon war es in seinem Besitz. Doch das machte ihn keineswegs glücklich, weil die Zauberei für ihn ganz gewöhnlich war. Er freute sich nicht über diese herrliche Gabe, und nie geschah es, dass sie ihn zum Lachen brachte. Aber wenn er im Schlaf lag und träumte, Träume, die er später in wundervoller Erinnerung behalten würde, formten seine Lippen sich zu einem Lächeln.

    Eines Tages, es war im Dezember zur Weihnachtszeit, fing der Junge an, sich eine Traumwelt nach seinen Wünschen und Vorstellungen zu gestalten. Eine Winterlandschaft war schon geschaffen, über der lieblich einige Schneeflocken trieben. Das gefiel ihm, als seine Nase und Ohren jedoch zu frieren begannen, begrub er das lustige Schneetreiben sogleich wieder unter einer Spielzeuglawine. Lustlos setzte er sich auf sein Schaukelpferd, das ihn wiegte, bis er ganz schläfrig wurde und sich von ihm herunterfallen ließ. Er lag auf dem Rücken, verschränkte die Arme hinter seinem Kopf und blickte zu den Abertausenden Sternen am Himmel. Er fragte sich, ob da draußen wohl noch jemand war, wie er es schon so oft geträumt hatte. Doch darauf fand er keine Antwort, und das machte ihn schrecklich traurig. Als er ein Weilchen so dalag und seine Augen schloss, spürte er auf einmal, wie etwas sanft seinen Bauch berührte. Erschrocken fuhr der Junge hoch, und das rätselhafte Ding rollte von ihm hinab und klimperte zu Boden. Staunend betrachtete er das hübsch verzierte, an dem einen Ende drei und an dem anderen Ende vier Finger breite Eisenrohr. An beiden Enden war es mit Glas verschlossen. Vorsichtig hob er das Stück auf, drehte und wendete es in den Händen, bis er es wagte, einen Blick hindurchzuwerfen.

    Was er daraufhin zu sehen bekam, raubte ihm für einen Augenblick den Atem. All die Sterne, die sonst so weit entfernt waren, lagen zum Berühren nahe. Und als er an dem kleinen Rädchen drehte, das an dem wundersamen Rohr seitlich hervorsprang, rückten sie näher und näher. Der Junge jauchzte, und während er nach weiteren Himmelskörpern suchte, sprach er liebevolle Worte zu dem Zauberrohr. Hin und her schwenkte er das Instrument, bis er einen kleinen Planeten ausmachte, der recht unscheinbar zwischen den funkelnden Sternen steckte. Er war von wunderschöner blau-weißer Farbe, die den Jungen sehr entzückte. Unaufhörlich drehte er an dem Rädchen. Städte und Dörfer erblickte er bald, und dann war es ihm gar möglich, in die geschmückten Häuser der Menschen zu sehen: Frauen in Schürzen sah er an Backöfen stehen, Männer, die mit ihren Kindern spielten oder Bäume hübsch verzierten, und als er bemerkte, dass all die Kinder lachten, setzte er sich hin und begann auf seinen Lippen zu nagen. Wohin er auch schaute, überall herrschte ausgelassene Fröhlichkeit. Aber in einem Haus, es lag etwas abseits von den anderen und war kaum beleuchtet, entdeckte er zwei Menschen, die ganz betrübt beieinandersaßen. Auf einmal wurde ihm seltsam zumute. Er dachte an sein Leben und daran, wie traurig die Einsamkeit ihn manchmal machte. Als er das Zauberrohr senkte, um den Planeten mit bloßem Auge zu sichten, war dieser verschwunden. Der Junge lehnte sich zurück an einen großen Spielzeugklotz und war völlig regungslos. Seine Augen schmerzten, fest schloss er sie, und er wünschte sich eine Maschine zum Fliegen. Kaum hatte er seinen Wunsch zu Ende gedacht, hörte er schon ein Scheppern und Klappern. Ein kleines, rundes Raumschiff, das zitterte und wackelte, stand da auf drei Beinen. Argwöhnisch musterte der Junge das sonderbare Gefährt, doch dann wurde er mutig. Er steckte das Rohr in den Hosenbund, prüfte dessen Halt und trat schließlich beherzten Schrittes an die Blechkiste heran. Entsetzlich quietschte die Luke, als er sie öffnete. Ein letztes Mal blickte er zurück, dann stieg er ein und setzte sich auf den Pilotensitz. Den Steuerknüppel hielt er in seiner rechten Hand, kräftig drückte er ihn nach vorne. Das Raumschiff ruckelte und spuckte Feuer aus den Antriebsdüsen. Bald flog der Junge durch den Weltraum, und das unheimlich schnell. Mit seinem Zauberrohr hielt er zielstrebig nach dem kleinen Planeten Ausschau.

    Nach nicht allzu langer Zeit landete er auf der Erde vor dem spärlich beleuchteten Haus. Er klopfte an die Tür. Als ihm niemand öffnete, trat er geräuschlos ein. In der Stube stand ein Mann, und neben ihm saß, die Hände in den Schoß gelegt, eine Frau. Sie beteten zusammen. Verlegen räusperte der Junge sich. Er fragte scheu, ob es ihm erlaubt sei, einzutreten. Beide nickten, wobei sie verwunderte Blicke tauschten. Der Knabe schaute sich um und fragte nach ihren Kindern. Die Frau senkte den Kopf und antwortete mit leiser Stimme, dass sie keine Kinder hätten, sich aber nichts sehnlicher wünschten, als welche zu haben, und dann brach sie in Tränen aus, ohne einen Laut von sich zu geben. Als der Junge die Frau weinen sah, spürte er eine nie gekannte Wärme in sich aufsteigen, die er nicht zu deuten wusste. Sie berührte ihn angenehm und schmerzlich zugleich. Er blickte aus dem Fenster und sah den Mond am Himmel stehen. Er dachte an sein Zuhause, an all seine Spielsachen und an die vielen einsamen Stunden, die er auf dem Zauberstern verbracht hatte. Mit Tränen in den Augen erzählte er den beiden von der weiten Reise und von seinem Stern. Der Mann betrachtete den Jungen lange Zeit und bedauerte dann zutiefst, kein Geschenk für ihn zu haben. Der Sternenjunge sagte, dass er kein Geschenk bräuchte, dass er sich aber wünschte, bleiben zu dürfen, vielleicht für immer. Zögerlich reichte er den beiden Menschen seine Hand.

    Im nächsten Augenblick schlang die Frau ihre Arme um den Jungen und küsste ihn, und dann küsste sie ihn noch einmal, und der Junge bekam ganz rote Wangen. Tief in seinem Inneren wusste er, das war jetzt sein größtes Geschenk.

  9. #89
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    Niemand....... will mich haben

    von Petra Hoffmann



    Es ist doch jedes Jahr das gleiche Leid.

    Nach den Feiertagen rennen sie los und tauschen "MICH" um. Mich, die Kroko-Tasche von Armani.

    Dabei war ich gar nicht mal so billig. Nun gut, die Leute welche mich kauften waren auch gut betucht.

    Ihr könnt Euch vorstellen, dass ich schon in den besten und schönsten Wohnzimmern zu Hause war.
    Zumindest für drei bis vier Tage von Heiligabend bis nach den Feiertagen. Da habe ich schon manche Dinge erlebt.

    Bemerken konnte ich, dass der Sinn von Weihnachten fast verloren gegangen ist.
    Die Menschen singen nicht mehr. Das einzige was zählt sind die Geschenke.
    Bloß wenn diese nicht gefallen.........

    An diesem Weihnachten bekam " MICH " Frau Dorthe von Kannengießer geschenkt.
    Alle waren Wohnzimmer versammelt.
    Herr von Kannengießer erhielt von seiner Frau die fünfte Cartier-Uhr, obwohl alle anderen vier auch noch funktionierten.
    Gut, dachte Herr von Kannengießer, dann kann ich fast jeden Tag eine andere Uhr tragen, aber eigentlich ganz unnütz. Seiner Frau spielte er eine große Freude vor.

    Die drei Kinder waren recht zufrieden.
    Silvi -Marie -13 bekam eine neue CD Anlage, Malte -elf 11 bekam einem Computer mit allem was dazugehört und Thio-Massimo, acht Jahre bekam ein neues Rad und ein fernsteuerbares Rennauto, 'alias Michael Schumacher.

    Nur Dorthe von Kannengießer war maßlos enttäuscht. Wie jedes Jahr. Das war nichts Neues.
    Was Sie so an "MIR" rum zu mäkeln hatte. Ich war Ihr zu klein, ich hatte nicht die richtige Form, ich hatte eine scheußliche Farbe, ich hatte einen zu kleinen Griff und auch der Verschluss war Frau von Kannengießer zu primitiv.

    Schlicht weg, ich war Ihr einfach zu hässlich.
    "Gut", sagte Herr von Kannengießer, "dann tausch sie doch einfach um, denn das machst du doch schon seit 10 Jahren mit jedem Geschenk zu Weihnachten."

    Am dritten Tag nach Weihnachten brachte Frau von Kannengießer "MICH" zurück.

    Seit ich eine Tasche war und das waren nun schon fünf Jahre, wurde ich immer wieder umgetauscht.
    War ich denn wirklich so hässlich ?

    Ach könnte ich doch wieder zu Haus im schlammigen Fluss sein.
    Dort war ich schließlich das schönste und größte Krokodil. Und alle Kroko-Damen standen auf mich.

  10. #90
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    Wunibalds Weihnachtswunder

    von A.M.Lötscher


    Eine ideale Vorlesegeschichte zum Einschlafen für Kinder ab 5 Jahre rund um die Weihnachtszeit


    „So“ sagte die Mutter und klappte das Buch zu aus dem sie dem kleinen Wunibald vorgelesen hatte, „nun ist es Zeit zu schlafen, morgen ist Heiligabend, und da wird es eh spät werden!“ Sie deckte ihn zu, drückte ihm einen Kuss auf die Stirn, löschte das Licht und ging hinaus.

    Den Kleinen aber beschäftigte die Geschichte, die von einem farbigen Bogen handelt, ähnlich einem Regenbogen, auf dem das Christkind mit seinem Schlitten auf die Erde gefahren kam. Dass aber nur Kinder mit einem reinen Gewissen diesen farbigen Himmelsbogen sehen könnten, liess ihn anfangen nachzudenken. Nun, er hatte zwar Nachbars Ferdinand eins aufs Maul gegeben, der war aber selber schuld, warum musste er ihn auch immer plagen! Und dass ihm Melanies blöde Tasse „zufällig„ aus der Hand gerutscht war…konnte ja passieren.

    Im Großen und Ganzen, hatte er keinen Grund ein schlechtes Gewissen zu haben. Aber die Sache mit dem farbigen Himmelsbogen liess ihm keine Ruhe, und schließlich stieg er vorsichtig aus dem Bett, zog sich an und kletterte klammheimlich aus dem Fenster, das zum Glück ebenerdig lag. Wunibald guckte hinauf an den Himmel, wo sich nur Sterne befanden, die ja eigentlich immer da waren. „Um so einen Bogen zu errichten müsste ja viel platz da sein“, überlegte er, „am ehesten wäre das auf dem offenen Feld möglich“, also begab er sich dorthin. Er setzte sich bei einem Baum nieder und wartete. Brrrrr… war das kalt, aber er wollte aushalten!! Er wartete und wartete, und dachte schon unverrichteter Dinge wieder abziehen zu müssen, als es plötzlich farbig und hell wurde um ihn. Neugierig staunend stand er auf, und sah wie sich ein Farbenring zum Bogen entwickelte.
    Ein Regenbogen war was schönes, aber diese Farben hier übertrafen ihn bei weitem., Viel kräftiger und glänzender leuchteten sie, und in der Mitte befand sich ein Strahl ganz aus Gold. Er konnte sich nicht satt sehen und ging darauf zu. Und nahm nicht mal den Engel wahr, der da unten neben dem Aufgang stand.
    „Hallo Wunibald“ hörte er da jemand sagen und schaute erstaunt um sich, gewahrte den Engel und fragte:
    “ Wer bist du denn?“
    „ Ich bin der Engel Rachiel, und passe auf dass hier kein Unbefugter hochsteigt“ erwiderte der mit einem Lächeln. „Ein Engel…. ein richtiger Engel??“.. fragte er ganz verwirrt. „Ähm.. ich wollte den farbigen Himmelsbogen sehen, und auch das Christkind.,“ sagte Wunibald zu Rachiel. „Magst mitkommen?“ fragte Rachiel., Wunibald nickte, und schob seine kleine Hand vertrauensvoll in die große Hand des Engels. So schritten sie denn zusammen auf dem goldenen Strahl empor, je höher sie kamen, um so kleiner wurden die Lichter auf der Erde, und eine feine Musik kam von irgendwo her. Oben angekommen standen sie vor einer goldenen Tür, an der Rachiel nun anklopfte.
    Die Tür ging auf und ein älterer Mann mit buschigem Bart schaute hinaus. „Wen bringst du mir denn da mit!“ wollte er wissen. „ Das ist Wunibald, er möchte gern mal das Christkind sehen.“
    „Dann komm mal herein, ich bin der Petrus, aber fass ja nichts an!“ Wunibald nickte scheu und trat ein. Da stand er nun, und war überwältigt, sooo schön hatte er sich das nicht vorgestellt. Da leuchtete ein helles warmes Licht, Engel huschten hin und her, und waren sehr beschäftigt. Eine feierliche Musik, die aus dem Nichts zu kommen schien, lag in der Luft. In der Mitte des Raumes stand der Schlitten, welcher beladen wurde, mit großen und kleinen Paketen in allen Formen und Farben. Wunibald dachte schon, dass der Schlitten bald zusammenbrechen würde, als hinten noch ein großer leerer Sack montiert wurde. Fragend wandte er sich an einen Engel, der grad vorbeieilte, und fragte ihn über den Zweck des Sackes „Das ist ein Sorgensack“ erklärte ihm dieser, “wenn das Christkind alle Pakete abliefert, können die Menschen auch ihre Sorgen, Nöte und Ängste in diesen Sack legen und ihm mitgeben. Hier werden sie dann alle dem Lieben Gott übergeben, der sich darum kümmert, aber das funktioniert auch nur bei Menschen die daran glauben!“ sprachs, und enteilte sofort wieder. Auf einmal schien es ganz still zu werden, und ein ehrfürchtiges Schweigen hing in der Luft. Wunibald traute seinen Augen kaum. Da trat doch das Christkind in den Raum. Guckte alle lieb und freundlich an .und fragte ob nun alles bereit sei? Dann erblickte es Wunibald, der schon dachte etwas schöneres und lieblicheres noch nie gesehen zu haben. „Wer bist du denn?“ fragte es mit einem Lächeln. „Wu...Wu…Wunibald..“ stotterte dieser.

    Das Christkind sagte:
    “ wir fahren gleich mit dem Geschenken zu den Menschenkindern, magst mitkommen?“
    Wunibald wusste nicht wie ihm geschah, und konnte nur noch nicken. „Gut, dann steig ein“ lächelte ihn das Christkind an, was er auch sofort tat. Es wurde ihm eine warme Decke über die Beine gelegt, Die Pforte öffnete sich, und los ging es, den goldenen Strahl in der Mitte, hinunter auf die Erde. Geschwind ging es durch verschneite Täler und Wälder, überall wurden Geschenke in die Häuser gebracht, wo hinter hell erleuchteten Fenstern die Kinder mit glänzenden Augen warteten. Die Pakete waren nun fast allesamt abgeladen, doch der Schlitten wurde nicht leichter, der Sack mit den Sorgen war prallvoll, und die wogen nicht wenig. Als letztes steuerten sie noch ein Haus an, das ganz abseits lag. „Hier wohnt Rosalinde, sie ist blind“ sagte das Christkind,“ aber mein Licht kann sie sehen, darauf freut sie sich das ganze Jahr,“ und gemeinsam betraten sie das Haus. Da sass Rosalinde und als sie die vertraut bekannten Schritte hört. zog ein seliges Leuchten über ihr Gesicht., Wunibald, spürte ein ihm ganz unbekanntes Glücksgefühl in sein Herz einziehen. „setzt euch hin, und esst und trinkt etwas, ihr seid sicher hungrig und durstig? „
    Und ob Wunibald das war. Da stand eine Schale mit Weihnachtskeksen auf dem Tisch, die schmeckten so herrlich, er glaubte noch nie was Besseres gegessen zu haben. „Nehmt euch noch etwas mit, als Wegzehrung“ bat Rosalinde danach, wonach Wunibald sich sofort eine Handvoll in die Tasche steckte. Bald hieß es wieder Abschied nehmen, und die Heimreise antreten., Wunibald war sehr schweigsam, denn das ganze hatte ihn doch tief berührt. So kamen sie denn wieder am farbigen Himmelsbogen an, wo Rachiel sie stoppte, und Wunibald aus dem Schlitten hievte,. „Ich denke für heute ist es genug“ meinte er, und strich ihm übers Haar. Das Christkind nickte ihm noch einmal lächelnd zu,. und fuhr dann den goldenen Mittelstrahl wieder hinauf. Sehnsüchtig sah Wunibald ihm nach, Rachiel schickte sich ebenfalls an, in die himmlischen Gefielde zurückzukehren, langsam stieg er hinauf, und hinter ihm begann der Himmelsbogen zu verblassen. Ein stück weiter oben drehte er sich noch mal um und winkte ihm zu. Wunibald stand da, und sah hinauf als er plötzlich eine Hand auf seiner Schulter spürte, die ihn leicht zu schütteln schien.
    „Wunibald!!“ hach.. was war denn das??.. es war die Mutter, und er lag in seinem Bett zuhause.. „So ein schöner Traum,“ dachte er bei sich…den muss ich mal Mama erzählen, hurtig stieg er aus dem Bett, sein Blick fiel auf das Buch, das auf dem Nachttisch lag.. ungläubiges Staunen breitete sich auf seinem Gesicht aus….darauf lagen drei Kekse, die genau so aussahen wie die von Rosalinde, und er hätte schwören können, das der Engel auf dem Buchumschlag ihm grad zugezwinkert hatte…

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