Eine lustige Nikolausgeschichte
von Carina Schmidt
Moni überlegte angestrengt, wie sie das Weihnachtsfest in der Firma attraktiver gestalten könnten. Jede Abteilung hat es sich zur Aufgabe gemacht, die alljährliche Weihnachtsfeier mit eigenen Ideen und Überraschungen zu füllen. Der Gag dabei war, dass keine Gruppe das Geheimnis der anderen kannte. Der zündende Gedanke kam ihr in der Mittagspause.
Ein Nikolaus musste her!
Doch woher nehmen und nicht stehlen. „Versuche es doch über eine Eventagentur“, meinte ihre Kollegin Bea. Nach einer kurzen Recherche im Internet, nahm Moni den Telefonhörer und wählte. „Schade, alle schon ausgebucht. Ja, da kann man nichts machen“, enttäuscht legte Moni nach dem fünften Anruf auf. „Die Idee ist so gut, aber die Weihnachtsmänner sind alle ausgebucht“, jammerte sie. „Dann engagiere doch einen von der Straße weg“, Beas Augen leuchteten, „du gehst in ein Kaufhaus oder in die Fußgängerzone, dort laufen um diese Jahreszeit immer Weihnachtsmänner herum und begeisterst sie für unsere Feier.“ Moni verzog das Gesicht, aber so leicht wollte sie sich nicht von dem Gedanken verabschieden und machte sich auf den Weg.
Auf den Straßen war viel los. Menschenmassen drängten sich durch die Kaufhäuser auf der Suche nach passenden Weihnachtsgeschenken. Moni kämpfte sich durch und hielt die Augen offen und endlich sah sie einen der begehrten Weihnachtsmänner. Der Nikolaus schickt sich anscheinend gerade an zu gehen. Sein Sack war leer und er macht einen gestressten Eindruck. „Entschuldigung, haben Sie einen Moment Zeit? Ich suche einen Weihnachtsmann für morgen Abend.“ „Warum gehen Sie nicht über eine Agentur oder über den Studentenservice?“, entgegnete der Mann ungehalten. „Das habe ich versucht, es war zwecklos“, Moni war sichtlich enttäuscht. Endlich wendete sich der Nikolaus ihr zu. Sie war überrascht, er hatte schöne Augen und der ungeduldige Ausdruck um seinen Mund war verschwunden. „Wann genau soll das denn sein?“, fragte er nach. „22 Uhr wäre prima mit Sack und Rute!“ Moni war erleichtert, der Typ sagte zu. Sie vereinbarten die notwendigen Modalitäten, tauschten Handynummern aus und dann ging jeder seiner Wege.
Moni war überglücklich. Zurück in der Firma erzählte sie nur Bea von ihrem Erfolg. Die morgige Weihnachtsfeier würde grandios werden. Einen Nikolaus hatten sie noch nie. Die anderen werden staunen und ich bin schon gespannt, was sich die einzelnen Abteilungen in diesem Jahr überlegt haben. Moni arbeitete bereits seit 10 Jahren in der Firma. Sie kannte fast alle Mitarbeiter und hatte schon ein paar Abteilungen durchlaufen. Ihre Endstation sollte eines Tages das Vorzimmer des Chefs werden und Moni hoffte, dass das nicht mehr allzu lange dauern würde. Deswegen legte sie sich auch so ins Zeug wegen der Weihnachtsfeier. „Sehen und gesehen werden“, so lautete ihre Devise und bis dato ist sie damit ganz gut gefahren.
Der letzte Arbeitstag in der Woche zog sich. Die Vorbereitungen für das Fest raubten die Stunden und erst am späten Nachmittag konnte Moni Feierabend machen und nach Hause gehen, um sich für das abendliche Event umzuziehen. Sie war aufgeregt. Wie würde ihr Nikolaus ankommen? Sie nahm ein Bad, schminkte sich, zog das kleine Schwarze aus dem Kleiderschrank, schlüpfte in ihre High Heels, packte ihre Handtasche und fuhr zur Firma zurück. Alle Mitarbeiter, auch die ehemaligen, waren gekommen, um einen netten Abend zu verleben. Moni begrüßte alles und jeden und fand einen Platz bei den Kollegen ihrer Abteilung. Wie immer begann die Weihnachtsfeier mit einer herzlichen Begrüßung und der Eröffnungsrede des Chefs. Nach weiteren Reden gab es reichlich zu essen und zu trinken.
Die Unterhaltung war in vollem Gange, es wurde gelacht und geschäkert. Nach dem Essen präsentierten sich traditionsgemäß die Abteilungen. Moni stand selbstbewusst auf und kündigte ihre Überraschung an. Mit Applaus wurde ihr Weihnachtsmann im Saal empfangen. Moni hatte erreicht, was sie wollte. Das einige Abteilungsleiter ganz blass aussahen, entging in diesem Moment ihrer Aufmerksamkeit. Nach seinem Auftritt, den er mit Bravour meisterte, bat sie den Nikolaus an den Gästetisch, wo ebenfalls Essen und Getränke aufgetischt wurden. Sie hatte ihren Part erledigt und der Abend konnte weitergehen. Und der Abend ging weiter! Ein Nikolaus nach dem anderen betrat das Parkett. Moni war verstört. Das war also der Grund, warum die Weihnachtsmänner für heute ausgebucht waren. Noch fünf andere Firmenbereiche hatten die gleiche Idee und waren einfach nur schneller gewesen. Als der dritte Nikolaus einlief, tobte die Menge. So viel Gelächter und Spaß hatte es selten gegeben. Manche konnten sich ausschütten vor Lachen und hielten sich den Bauch. „Von wegen es kann nur einen geben“, zitierte ihr Chef in allerbester Laune, „ich wusste doch, dass meine Leute am gleichen Strang ziehen.“ Die Weihnachtsmänner waren ein voller Erfolg.
Moni kämpfte stattdessen mit gemischten Gefühlen.
Sie wollte doch etwas Besonderes liefern und damit an höherer Stelle punkten.
Ihr Weihnachtsmann hob sein Glas gen Himmel und prostete ihr aus der Ferne zu. Moni lächelte zurück und nahm einen Schluck von ihrem Rotwein. „Wir müssen einmal über Ihre Beförderung reden“, hörte sie plötzlich eine Stimme neben sich sagen, „ich hätte nicht gedacht, dass der Gemeinschaftsgedanke bei Ihnen so großgeschrieben wird.“
Moni wurde mit einem Mal ganz heiß. Charmant lächelte sie Ihren Chef an:
„Die Hauptsache ist doch, dass sich alle gut amüsieren, oder?“